Tu biSchwat – Das Neujahrsfest der Bäume

Warum feiern wir Tu biSchwat?

Am 15. Tag des Monats Schwat wird das Neue Jahr der Bäume gefeiert. Es geht zurück auf den landwirtschaftlichen Kalender im alten Israel. Jedes Jahr mußten für die Früchte der Bäume der Zehnte gegeben werden. Der 15. Schwat markierte das Ende eines Zinsjahres. Da er fast auf das Ende der Regenzeit fällt, wenn der Saft in die Bäume steigt und sich die Früchte zu formen beginnen, stellt dies eine natürliche Grenze zwischen den Früchten, die im vergangenen Jahr geerntet wurden und denen, die im folgenden Jahr geerntet werden. Früchte, die nach dem 15. des Monats blühen, müssen für das Jahr, das am 15. begonnen hat, verzehntet werden.

Bedeutung von „Tu biSchwat“

„Tu biSchwat“ bedeutet wörtlich der „15. Schwat“. Die hebräischen Buchstaben „tet“ und „waw“ bilden „Tu“, das den numerischen Wert 15 (zusammengesetzt aus 9 +6) hat. Eigentlich würde man die 15 aus den hebräischen Buchstaben jod und he (10+5) bilden; dies wird aber vermieden, weil es sich um einen G-ttesnamen handelt. Man ersetzt 10+5 also durch 9+6.

Der Monat Schwat fällt bei uns in die Mitte des Winters. Aber in Israel pflanzt man – aufgrund der dortigen klimatischen Bedingungen – zu dieser Zeit Bäume. In den jüdischen Gemeinden der Diaspora ist es Brauch, zu diesem Fest Geld zu sammeln, um in Israel Bäume zu pflanzen

An Tu biSchwat machen wir uns unsere Verbundenheit zu Israel bewußt: Ein besonderer Schwerpunkt liegt auf dem Genuß von Früchten, die in Israel wachsen, so wie sie im 5. Buch Mose 8,8 (5 Früchte und 2 Getreidearten) beschrieben sind. Außerdem gehören Mandeln zu Tu biSchwat, denn der Mandelbaum blüht als erster Baum.

Bräuche der aschkenasischen Juden zu Tu biSchwat

Mit Tu biSchwat sind sehr unterschiedliche lokale Traditionen verbunden. So werden in vielen aschkenasischen Gemeinden am 15. Schwat 15 unterschiedliche Früchte gegessen. Dabei war die Frucht des Johannisbrotbaumes besonders beliebt, weil sie den langen Transportweg von Erez Israel nach Osteuropa überstand. Außerdem war es die Frucht des Johannisbeerbaumes, die Schimon bar Jochai überleben ließ als er sich 12 Jahre mit seinen Söhnen in den Höhlen Galiläas vor den Römern versteckte. In einigen Gemeinden wurden auch Etrogim (Zitronengewächs) von Sukkot aufbewahrt für Tu biSchwat.

Bräuche der sephardischen Juden zu Tu biSchwat

Die wahrscheinlich interessanteste Tradition, die zu Tu biSchwat entstanden ist, ist der Tu biSchwat-Seder , der dem Seder von Pessach nachgestaltet ist. Er wurde von den Kabbalisten in Safed im 16. Jahrhundert entwickelt. Das Ritual beinhaltet das Trinken von vier Gläsern Wein: Das erste Glas ist Weißwein, beim zweiten Glas wird zum weißwein ein wenig Rotwein hinzugefügt; beim dritten Glas wird zur Hälfte Weißwein und zur Hälfte Rotwein verwendet; beim vierten Glas gibt man in den Rotwein ein paar Tropfen Weißwein. Der Wechsel von weiß zu rot symbolisiert den Wechsel der Farben in der Landschaft in Israel: Vom Ruhen der Landschaft im Winter über das langsame Erwachen der Natur und die zu dieser Zeit in rosa blühenden Pflanzen bis zu den satten Rottönen.
In der Mystik steht weiß für die männlichen Aspekte G-ttes (Samen) und rot für die weiblichen (Blut). Die wenigen Tropfen Weißwein im 4. Glas weisen auf die verborgenen Aspekte G-ttes in der sichtbaren Welt hin.

Beim Seder werden 10 Früchte und Nußarten gegessen, durch welche die 10 Sefirot (Erscheinungsformen), die aus dem Ein Sof, in die physische Welt kommen, symbolisiert werden. Sie werden drei Gruppen zugeordnet, die sich auf die unterschiedlichen Stufen der Schöpfung beziehen. Das Essen jeder Frucht bzw. Nußart wurde begleitet durch die Rezitation eines Verses auf dem Tanach oder dem Talmud.

Biblische und rabbinische Quellen

Der 15. Tag des Monats Schwat wird erstmals in der Mischna benannt. Diese wurde zwar erst um 200 n.d.Z. zusammengestellt, verweist hier jedoch auf die Zeit des 2. Tempels zurück: „Am ersten Tag des Monats Schwat ist das Neue Jahr der Bäume nach den Worten des Hauses Schammai. Das Haus Hilles sagt: Am 15. Tag“ (Rosch Haschanah 1,1)

Jedes Jahr wurde ein Zehntel des Einkommens, egal ob von Bäumen, Herden oder Getreide zum Tempel als Opfer gebracht sowie für Priester und Arme. Dabei stellte sich die Frage, von wann bis wann ein solches „Abgaben“-Jahr läuft. Früchte aus einem Jahr dürfen nicht zum Zehnten des folgenden Jahres dazugeschlagen werden. Woran also macht man Beginn und Ende eines solchen Jahres fest?
Der älteste Verweis in der Torah auf das Verzehnten befindet sich im 3. Buch Mose Kap. 27,30-31:
„Und aller Zehnte des Landes, von der Saat des Landes, von der Frucht des Baumes, gehört dem Ewigen, heilig dem Ewigen. Wenn aber jemand von seinem Zehnten etwas lösen will, so soll er ein Fünftel dessen hinzufügen.“.

Psychologische Aspekte

Bäume sind Symbole für das Leben des Einzelnen. So heißt es in Psalm 92: „Der Gerechte wird blühen wie ein Palmbaum“; auch die Genealogien von Familien werden oft in der Form eines „Stamm“-Baumes dargestellt. Was im Leben des Individuums zu einer bestimmten Zeit zur Entfaltung kommt, hat seine Anfänge in früheren Zeiten. Wir sprechen von bestimmten Lebensphasen oder Zuständen als vom Frühling, Sommer, Herbst oder Winter des Lebens und orientieren uns dabei an landwirtschaftlichen Abläufen, obwohl die meisten von uns in ihrem Alltag davon nicht mehr geprägt sind.

Tu biSchwat in der jüdischen Geschichte

In der jüdischen Geschichte gab es drei Perioden, in denen Tu biSchwat eine große Bedeutung hatte:

  • In der Zeit des Zweiten Tempels als es ein Orientierungspunkt im agrarischen Jahr war um zu regeln, wie beim Verzehnten der Baumfrüchte zu verfahren war. Damit wurde auch die Verbundenheit des Volkes zum Land deutlich.
  • In der langen Geschichte des rabbinischen Judentums, als das Volk von einer tiefen Beziehung zum Land abgeschnitten war, behielt man Tu biSchwat bei. Es überdauerte wie in einer Art Winterschlaf
  • Im 16. Jahrhundert kamen in mehreren Einwanderungswellen Kabbalisten (Mystiker) in die Stadt Safed. Sie wollten aufs Neue die Verbindung des jüdischen Volkes mit dem Land verdeutlichen.

Dieser Gedanke wurde auch von der zionistischen Bewegung aufgegriffen. Tu biSchwat hilft uns, unsere Verbundenheit mit dem Land Israel zu stärken und auszudrücken. Dieses Band, das durch die Wurzeln eines Baumes symbolisiert wird, ist eines der Hauptthemen dieses Tages. Nach der Staatsgründung Israels haben auch die aschkenasischen Juden den Brauch des Tu biSchwat – Seders kennengelernt. In den letzten Jahren wird zunehmend der Gedanke der Bewahrung der Umwelt einbezogen.

Copyright: Iris Noah, Photos: Marion Keunecke, Berlin / TmunaGal’99

Tu biSchwat Seder
Wie an Pessach werden 4 Gläser Wein getrunken, allerdings Weiß- und Rotwein in unterschiedlicher Zusammensetzung, Früchte gegessen, Texte gelesen, Lieder gesungen und diskutiert.

Tu biSchwat Seder für Kinder
Der Tu biSchwat – Seder ist ähnlich aufgebaut wie der Pessach-Seder. Er beginnt mit dem Schechejanu, es werden vier Bechern Saft von unterschiedlichen Säften getrunken, Fragen dazu gestellt und Früchte gegessen und verschiedene Themen angesprochen.

TU biSchwat – und der Vegetarismus
Tu be Schewat ist der jüdische Feiertag, der die meisten Verbindungen zu Konzepten und Themen des Vegetarismus aufweist.

Der wachsende Baum
Der Mensch gleicht einem Baum.

The Planter’s Prayer
Von Rabbi Ben-Zion Meir Hai Uzziel