Tu biSchwat – Seder

In den letzten Jahren ist in Amerika und Israel ein Brauch aus dem 16. Jahrhundert wieder entdeckt und neu belebt worden. Aus Spanien geflohene Juden entwickelten damals in Safed einen Tu biSchwat – Seder. Wie an Pessach werden 4 Gläser Wein getrunken, allerdings Weiß- und Rotwein in unterschiedlicher Zusammensetzung, Früchte gegessen, Texte gelesen, Lieder gesungen und diskutiert.

Die in den letzten Jahren neu entstandenen Liturgien setzen unterschiedliche Schwerpunkte: Manche beziehen stärker ökologische Fragestellungen ein, andere stärker mystische Aspekte, indem sie die 4 Gläser Wein mit den vier in der Kabbala genannten Ebenen gleichsetzen und sich auf 10 Früchte beschränken (wegen den 10 Sefirot des Lebensbaumes), die symbolische Entsprechungen zu den vier Ebenen darstellen.

Egal an welcher Variante sich die Ausgestaltung eines Tu biSchwat – Seder stärker orientiert, im Mittelpunkt stehen die folgenden Fragestellungen:

1. Bei anderen Festtagen ehren wir Menschen oder Ereignisse. Warum haben wir mit Tu biSchwat einen Tag, der die Aufmerksamkeit auf die Bäume lenkt?
2. An anderen Tagen essen wir alle möglichen Früchte. Warum stehen am Tu biSchwat Früchte aus Israel im Mittelpunkt?
3. Hier und in vielen anderen Ländern ist jetzt noch Winter. Warum sprechen wir gerade jetzt über Bäume, deren Bedeutung und das Pflanzen von Bäumen?
4. Bäume erhalten ihre Art durch eigene Samen. Welchen Sinn hat es, Bäume zu pflanzen?

Vorbereitungen:

Für den Seder wird Rotwein und Weißwein benötigt. Die beiden Weinsorten müssen geschmacklich so aufeinander abgestimmt sein, daß man sie miteinander trinken kann, da jedes der vier Gläser eine andere Kombination enthält (Weißwein, Weißwein mit etwas Rotwein, halb und halb, Rotwein). Es ist auch möglich, roten und weißen Traubensaft zu verwenden. Wenn Kinder dabei sind, können unterschiedliche Fruchtsäfte verwendet werden (Apfel, Orange, Ananas, Traube z.B.)

Wir haben für jeweils 3 Personen eine Flasche Wein gerechnet und das dann halb Weißwein und halb Rotwein aufgeteilt.

Außerdem werden Challe, Olivenöl, Feigen, Datteln (können durch Dattelsirup ersetzt werden) und ungeschälte Walnüsse verwendet.

Die Challe wird bedeckt.

Es gibt unterschiedliche Traditonen, welche Früchte – in Stücke geschnitten -gegessen werden:

1. In der Diaspora wurde es Brauch, an Tu biSchwat Früchte zu essen, die in Israel wachsen (evtl. in getrockneter Form).

2. Auch die 7 Arten (5 Mose 8,8) sollen gegessen werden, denn Israel wird beschrieben als „Land des Weizens und der Gerste, des Weins und der Feige und Granate, ein Land der Ölbeere (Olive) und des Honigs …“

3. In unterschiedlichen Gemeinden gab es auch Bräuche 30 bzw. 50 Früchte zu essen.

4. Ein anderer Brauch ist, Früchte zu essen, die man in diesem Jahr noch nicht gegessen hat und dazu das Schechejanu zu sagen.

Blumen und Servietten in weiß, sowie verschiedenen Rosa- bis Rot-Tönen

Für das gemeinsame Essen bringt jede/r etwas Milchiges mit.

Seder

Schalom !
So wie wir auch Pessach mit einem Seder begehen, gibt es seit einigen Jahren Gruppen,die auch Tu biSchwat mit einem Seder feiern.
Was ist Tu biSchwat? Warum feiern wir das „Neue Jahr der Bäume“ mitten im Winter? Und da Tu biSchwat seit einigen Jahren auch einen Bezug zur Ökologie herstellt, wollen wir der Frage nachgehen, was die Quellen unserer Tradition dazu sagen.

Die Kabbalisten, die Mystiker, die im 16. Jahrhundert in Safed lebten, hatten einen wunderschönen Brauch an ihrem Tu biSchwat Seder. Sie tranken vier Gläser Wein, die sie unterschiedlich mischten: Zuerst nur Weißwein, dann Weißwein mit etwas Rotwein, als drittes ein Glas halb Weißwein und halb Rotwein und zuletzt nur Rotwein – so wie wir heute Abend.

Mit diesen unterschiedlichen Farben werden die Veränderungen in der Landschaft Israels während eines Jahres symbolisiert. Am Ende des Sommers blühen viele weiße Pflanzen. Nach den Regenfällen des Herbstes beginnt der rosa Lavendel zu blühen. Später erscheint immer mehr rot in der Landschaft.

In der jüdischen Tradition ist der Wein auch Ausdruck der Freude und des Feierns. Mit jedem Glas Wein feiern wir auch die Schöpfung und die Quelle des Lebens – G-tt – die Schönheit und die Ordnung in der Natur, die Jahreszeiten und ihre Abfolge in jedem Jahr, wie G-tt es in seinem Bund mit Noach nach der Flut zugesagt hat:

„Solange die Erde besteht, wird Saat- und Erntezeit sein, Kälte und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht sollen nicht enden“.

Für das erste Glas Wein, das wir miteinander trinken – nur Weißwein wollen wir den Segensspruch miteinander sprechen:

baruch ata adonai elohenu melech ha’olam bore pri hagafen
(Gepriesen bist Du, G’tt König des Universums, der die Frucht des Weinstocks geschaffen hat)

Wir feiern Israels Jahreszeiten. Um Sukkot herum, nach einem langen, trockenen Sommer, fällt der erste Regen und damit kommt neues Leben für die Erde. Die ersten hellen Blumen beginnen zu blü-hen: Krokusse, Narzissen und Sandlilien. Was sagt die Bibel über das Bewahren und Schützen dieses Wunders?

Eine ganze Menge! Laßt uns zuerst zu den Anfängen gehen, den ersten Kapiteln der Parascha Bereschit. In der Schöpfungserzählung werden alle Pflanzen und Tiere „nach ihrer Art“ geschaffen. Dieser Ausdruck „nach ihrer Art“ wird 10 mal wiederholt. Jede Art ist wichtig. Und jede wird als „gut“ bezeichnet.

Ja, G-tt nennt jede Schöpfung, jedes der Geschöpfe „gut“, trockenes Land, Ozeane, Planeten; die Sonne, Mond und die Sterne; Fische und Vögel, Tiere jeder Art – jedes ist auf seine Weise „gut“. Aber am sechsten Tag, als G’tt ALLES sah, was er/sie ins Leben gerufen hatte, nannte er/sie es „sehr gut“. Es ist die Ganzheit, die Gesamtheit in ihrer unendlichen Vielfalt, mit den millionenfachen Bezügen untereinander, die „sehr gut“ genannt werden.

Erinnern wir uns daran, daß Noach die Anweisung bekam, von jeder Tierart welche in die Arche mitzunehmen. Das alles entspricht dem, was die moderne Wissenschaft „Biodiversität“ nennt – die Vielfalt des Lebens und der Wert, der in dieser Vielfalt und den Wechselwirkungen liegt. Die Weisen der talmudischen Zeit wußten darum, wenn sie sagten: „Von allem was der Ewige, gepriesen sei SEIN HEILIGER NAME, geschaffen hat in dieser Welt, schuf er nichts ohne einen Zweck.“ (Schabbat 77b) Und der Dichter der Psalmen bringt dies zum Ausdruck wenn er sagt: „Wie wunderbar und vielfältig sind deine Werke, O Herr, in Weisheit hast Du sie gemacht und die Erde ist voll von Deinen Wundern“.

Und diese Ganze mit seinen Bezügen untereinander ist sehr komplex: Eine Symphonie, ein Zusammenspiel, das wir bewahren und schützen sollen. Von allen Geschöpfen heißt es nur von uns Menschen, daß wir nach dem Ebenbild G’ttes geschaffen sind. Nur Menschen haben eine Sprache, ein Bewußtsein und können Verantwortung über-nehmen.

In 1 Mose 2,15 heißt es: „Dann nahm der Ewige, G’tt, den Menschen und setzte ihn in den Garten Eden, daß er ihn bebaue und bewache“. Im Psalm 115 heißt es: „Der Himmel, Himmel ist des Ewi-gen, die Erde aber gab er für die Menschenkinder“. Und Psalm 24 sagt: „Des Ewigen ist die Er-de, und was sie erfüllt – das Festland und seine Bewohner“.

Hier wird ein Paradox deutlich und die Weisen gingen darauf folgendermaßen ein: Die Erde gehört wirklich G’tt – und ihre Früchte zu genießen ohne einen Segensspruch zu sagen ist gleichbedeutend damit, wenn man etwas an sich nimmt, was einem nicht gehört. Wann immer Du einen Segensspruch sagst, dann beziehst Du Dich auf diese Stelle im Psalm 115 und kannst dann eine der Wohltaten G’ttes genießen. (Berachot 35a).

Baruch ata adonai elohenu melech ha’olam bore pri ha’etz
(Gepriesen bist du Herr, G’tt, König des Universums, der die Frucht des Baumes geschaffen hat)

(wir essen von den Früchten)

Mit diesem Segensspruch feiern wir die Fülle des Lebens und daß G’tt das Leben erhält. Am dritten Tag schuf G’tt „Kraut, das Samen sämt, Fruchtbäume, die nach ihrer Art Frucht tragen, worin ihr Same ist, auf der Erde“. (1 Mose 1,11). Der Segensspruch ist in der Gegenwart, denn wir preisen G’tt als Quelle des Lebens, die immer wieder von Neuem die Früchte wachsen läßt – die – die Erde am Leben erhält, die Ordnung der Jahreszeiten, den Regen und die Sonne; die das Wachstum der Früchte ermöglichen

(wir essen von den Feigen)

Warum wird das Essen von Feigen mit dem Lernen der Torah verglichen?

Weil die Feige eine süße Frucht ist – oder weil sie von einem Baum kommt und die Torah auch der „Baum des Lebens“ (etz hachaijim) genannt wird? (Sprüche 3,18) „Ein Baum des Lebens ist sie jenen, die sie halten!“

Beides ist wahr! Unsere feigenessenden Weisen führten noch zwei Gründe an:

Wir essen alle Teile der Feige. Sie hat keine Samen und keine Schale oder Rinde, die wir wegwerfen. Ebenso sind alle Teile der Torah für uns eine Nahrung. (Eruvim 54 a und b)

Feigen haben eine ungewöhnlich lange Erntezeit in Israel, nämlich von Mai bis September. So wie wir die Feigen nicht alle zur glichen Zeit ernten, sondern nach und nach, jeden Tag während der ganzen langen Erntezeit, so können wir auch nicht auf einmal Torah lernen, sondern nach und nach während unseres ganzen Lebens. Und je mehr wir uns mit ihr beschäfti-gen, um so mehr finden wir in ihr und es erschließt sich ihr Reichtum und ihre Tiefe…

(wir essen von den Datteln)

Copyright: Iris Noah
Torahtexte nach der Übersetzung von Naphtali Herz Tur-Sinai

–> Tu biSchwat Seder für Kinder