Rabban Jochanan ben Sakaj

Rabban Jochanan ben Sakaj zählt zu den bedeutendsten Persönlichkeiten der jüdischen Geschichte. Die Gemara berichtet, dass Rabban Jochanan ben Sakaj einer der jüngsten und kleinsten Schüler von Hillel dem Alten war. Er wurde zu einem der Haupstützen der Tradition Hillels und der in Hillel begründeten Dynastie der Nassiim. Eine Zeit lang war er sogar selbst offizieller Nassi Israels, und er blieb neben den Nachkommen Hillels der einzige, der mit dem Ehrentitel Rabban (unser Lehrer) bedacht wurde. Er war, genauso wie alle von Hillel abstammenden Sanhedrin-Vorsitzenden, ein Lehrer für ganz Israel.

Rabban Jochanan ben Sakaj galt als einer der größten und prominentesten Toraweisen seiner Zeit. So berühmte Gelehrte wie Rabbi Elieser ben Hyrkanos und Rabbi Jehoschua ben Chananja – um nur die wichtigsten zu nennen – sowie zahlreiche andere (im Grunde fast die gesamte Gelehrtenriege der folgenden Generationen) waren seine Schüler. Rabban Jochanan ben Sakaj kann als der Begründer eines neuen Zentrums der mündlichen Lehre angesehen werden, der während mehrerer Generationen den Mittelpunkt der Toragelehrsamkeit darstellte.

So sah sich Rabban Jochanan ben Sakaj zu einem großen Masse auch für den Fortgang der jüdischen Geschichte verantwortlich, was seinen deutlichsten Ausdruck in seinem Wirken nicht nur nach der Zerstörung des Tempels, sondern schon zur Zeit des großen Aufstands findet.

Kampf gegen die Oberschicht

Bereits in der relativ ruhigen Zeit vor Beginn des Aufstands, war Rabban Jochanan ben Sakaj die unter den Peruschim (Pharisäern) herausragende Gestalt. Er trat, meist auf indirekte, wenn nötig jedoch auch auf direkte und radikale Weise, der vom materialistischen Hellenismus beeinflussten Lehre der Z’dukim (Sadduzäer) – die vor allem in der Oberschicht aus Priesterschaft und Aristokratie, im Sanhedrin und im Tempel, vertreten wurde – entgegen. Die Sadduzzäer betonten Ritual und Opferdienst. Ihre Hinwendung zum Tempel war eher kultureller Art. Der religiöse Aspekt, die Hinwendung zu G’tt und zum Nebenmenschen, wurde vernachläßigt. Es mangelte an sozialer Verantwortung, Gerechtigkeit, Gebet und Talmud Thorah (das Studium der Schrift, das Lernen der Lehre) .

Rabban Jochanan ben Sakaj scheute sich nicht, in Streitgespräche mit den Zedukim (Sadduzäern) verwickelt zu werden, in denen er manchmal auch eine ausgesprochen scharfe Position bezog. Sein im Zusammenhang mit diesen Streitgesprächen für ihn bezeichnendster, oft verwendeter Ausspruch lautete: „Unsere vollkommene Lehre soll sich nicht mit eurem eitlen Geschwätz vermengen“.

Sein Bemühen, die pharisäische Tradition – und hier die von Bet Hillel vertretene Linie – als die einzig verbindliche festzulegen, machte ihn zum Vollender der von Schimon ben Schetach begonnenen Auseinandersetzung mit den Zdukim. Er machte sich um die Wiederherstellung der absoluten Autorität der Tradition der Peruschim in allen Bereichen des jüdischen Lebens verdient.

Die Torah fordert nicht, dass man sich zu irgendeiner Gesetzeserfüllung drängen soll. Nur über den Frieden sagt sie: „Fordere den Frieden und jage ihm nach!“
MID. R. ZU 4. MOS., 19

Rabban Jochanan ben Sakaj verfuhr fast immer nach der Devise Hillels: „Bitte um Frieden und jage ihm nach!“. Er galt als eine ausgesprochen milde und nachgiebige Gestalt, die sich vor allem durch ihre Ruhe und gemäßigte Haltung auszeichnete. Wenn es aber um seine grundlegende Haltung ging, war er durchaus radikal. In der Durchsetzung der von ihm als richtig angesehenen Linie kannte er keinen Kompromiss.

Kampf gegen die Eiferer

Zur Zeit des großen Aufstandes gegen die Römer sehen wir Ben-Sakaj sehr früh in Opposition zu den Führern des Aufstands. Seine deutliche Absage an die – durch eine messianische Endzeit- und Erlösungserwartung fanatisierten Kana’im (nationalistisch-religiöse Eiferer) – hängt natürlich nicht damit zusammen, dass er besondere Sympathien für das Joch der Römerherrschaft gehegt hätte. Er ließ sich einfach leiten von Da’ath, seinem ‚gesunden Menschenverstand‘. Er glaubte nicht daran, dass die Aufständischen über mehrere Jahre hinweg der Weltmacht Rom trotzen könnten. Vor seinem geistigen Auge sah er, dass der Aufstand zu einem nationalen Unglück und zu einer Zerstörung ungeahnten Ausmaßes führen würde. Er erkannte die Gefahr der völligen Vernichtung – auch der letzten Reste – jüdischer Staatlichkeit.

So war er stets bemüht in zwei Richtungen zu wirken: Erstens versuchte er die Kriegshandlungen, so weit es in seiner Macht stand, einzudämmen, zweitens machte er sich daran, einen alternativen Rahmen aufzubauen, damit das Judentum – auch nach dem Unglück – überleben und sich weiterentwickeln könne.

Er betrachtete sich, obwohl selbst kein Angehöriger der hillel’schen Dynastie, als deren Vertreter. Dies zeigt sich in seinem Verhältnis zu Rabban Schimon ben Gamliel I., Vorsitzender des Sanhedrin, mit dem er eng befreundet war. Vermutlich teilte dieser Rabban Jochanans negative Sicht des Aufstandes nicht, immerhin galt er als einer der Häupter Jerusalems zur Zeit des großen Aufstandes. Später war er einer der zehn von den Römern hingerichteten Märtyrer. Bei seinem berühmten Treffen mit dem römischen Feldherrn Vespasian, noch vor dem endgültigen Scheitern des Aufstandes, versuchte er die hillelsche Gelehrtendynastie vor der Ausrottung zu bewahren, was umso höher zu veranschlagen ist, da die Römer kaum jemals jemanden, der ihnen widersprach, am Leben ließen.

Respekt vor den Nebenmenschen

Rabban Jochanan ben Sakaj betrachtete sich keineswegs als der einzige im Kampf um das Fortbestehen des Judentums. Er ließ durchaus auch anderen Gelehrten breiten Spielraum zur Entfaltung. Er besaß die seltene Fähigkeit, mit seinem besonders scharfen Blick eines jeden Menschen Vorzüge und herausragende Eigenschaften aufzufangen, zu benennen und zur Entfaltung zu bringen. Seine Liebe zu seinen Schülern äußerte sich nicht nur darin, dass er ihnen überdurchschnittlich zugeneigt war, sondern darüberhinaus auch darin, dass er bei jedem auch solche herausragende Eigenschaften zu erfassen vermochte, die er selbst nicht besaß.

Seine tiefe Anerkennung des Wertes des Anderen kommt auch in seinem Kampf um das Leben des Rabbi Zadok zum Ausdruck, der für ihn geradezu ein Heiliger ist. Auch sein Bemühungen, die Stellung des Bet Hillel und der hillelschen Dynastie zu festigen – obwohl sich in jenen Generationen keiner der Nachkommen Hillels in irgendeiner Hinsicht mit ihm messen konnte – zeugt hierfür.

All dies ergibt das Gesamtbild eines Mannes, der keine Herrschaft für sich beansprucht, sondern sich vielmehr als der treue Diener des einzig wahren Königreiches sieht, der für alles, was in seinen „Amtsbereich“ fällt, die Verantwortung übernimmt. Rabban Jochanan ben Sakaj lebte in vollem Bewußtsein der Anforderungen seiner Zeit und sah sich vor Entscheidungen von zentraler Bedeutung gestellt. Auch als er selbst die Krone des Nassi in Anspruch nahm, geschah dies nur vorübergehend und stellvertretend. Keinen Augenblick dachte er daran, diese Position seinen Söhnen zu vererben.

Der Aufstand der Kana’im

Während des großen Aufstandes hatte Rabban Jochanan ben Sakaj, obwohl er gegen den Aufstand gewesen war, zu keinem Zeitpunkt die Kontakte zu den Aufständischen abgebrochen. Diese Kontakte sollten sich am Ende als besonders bedeutsam erweisen. Einer der Anführer des Aufstandes, ben Batiach oder Aba Sikra genannt, war sein Neffe. Rabban Jochanan ben Sakaj meinte diesen – trotz des Fanatismus der Eiferer – von der Aussichtslosigkeit des Aufstandes überzeugen zu können. Ben Batiach hätte aber, selbst wenn er sich hätte überzeugen lassen, die von ihm und den anderen Führern des Aufstandes entfesselte Hetze nicht mehr bremsen können. Jeder Widerspruch wurde kompromisslos unterdrückt, jeder Gegner rücksichtslos niedergebrüllt, verächtlich gemacht und schließlich erschlagen. Rabban Jochanan ben Sakaj konnte seinen Neffen nur noch bitten, ihn aus der umlagerten Stadt herauszuschmuggeln. Als angeblich Verstorbener sollte er so zu den Römern gelangen um aus den Trümmern des Aufstandes zu retten, was noch zu retten war.

Ben-Sakaj scheint schon lange gewusst zu haben, dass der Tempel in Jeruschalajim der Zerstörung anheimfallen würde. Es ist daher wahrscheinlich, dass sein Werk, das er mit seiner dramatischen Flucht aus Jerusalem einleitete, von langer Hand geplant war. Sein Denken und Planen der vorhergegangenen vierzig Jahre lief daruf hinaus: Es galt, die „Herrschaft des Königs“, des Heiligen, gesegnet Sein Name, zu sichern.

Nicht die Hauptstadt und nicht der Tempel waren bis zur Selbstaufgabe zu verteidigende Werte. Es galt vielmehr, auch unter veränderten Umständen die jüdische Existenz und das Wesen ihrer Existenz, welches in der „Herrschaft des Königs“ besteht, auf eine neue Grundlage zu stellen und deren Fortbestand und Weiterentwicklung auch unter sich ändernden Vorzeichen zu sichern.

Als Rabban Jochanan ben Sakaj in einem Sarg erfolgreich durch die Mauern schlüpfte, um mit dem römischen Feldherrn Vespasian zusammenzutreffen, standen die Grundlinien seines seit Jahren vorbereiteten Konzepts für die Stunde X schon lange fest.

Unter den Forschern herrscht auch heute noch keine absolute Einigkeit darüber, wann genau das Torazentrum in Jawne anfing, seine Tätigkeit zu entwickeln. Es kann jedoch als erwiesen gelten, dass Rabban Jochanan ben Sakaj schon einige Jahre vor der Zerstörung des Zweiten Tempels ein parallel zu Jeruschalajim wirkendes Ersatzzentrum schuf, das in der Stunde der Not den Gelehrten als Zufluchtsort dienen konnte und wo bereits vor Ausbruch des Aufstandes die Grundlagen einer Herrschaftsstruktur gelegt wurden, auf denen dann, als die offizielle jüdische Führung mit dem Scheitern des Aufstandes zusammenbrach, sehr schnell eine alternative geistig-politische Führung errichtet werden konnte.

Verhandlungen und Kompromiß

Die Verhandlungen und Gespräche, die Rabban Jochanan ben Sakaj mit Vespasian führte, wurden nicht nur wegen seiner dort zutage tretenden großartigen Gesamtvision jüdischer Existenz berühmt, sondern auch durch seine sich in ihnen offenbarende klare politische Weitsicht. Wie wir aus dem Talmud wissen, nahm Rabban Jochanan ben Sakaj das Risiko auf sich, den Feldherrn Vespasian als König anzureden, obwohl dies formal als ein Akt des Ungehorsams gegenüber dem wahren Kaiser hätte angesehen werden können und von Vespasian anfangs auch so aufgefasst wurde. Rabban Jochanan ben Sakaj war mit den politischen Verhältnissen in Rom derart vertraut, dass er mit Sicherheit annahm, Vespasian werde bei gegebener Zeit tatsächlich Kaiser werden. Er verhandelte mit Vespasian daher über grundsätzliche staatliche und politische Angelegenheiten, obwohl Vespasian zu diesem Zeitpunkt weder die richtige Adresse für solche Verhandlungen, noch formal in diesen Dingen entscheidungsberechtigt war.

Aufgrund der erfolgreichen Voraussicht von Vespasians Aufstieg (dieser wurde noch vor Ende des Eroberungszuges nach Rom abberufen und dort zum Kaiser erklärt, während sein Sohn Titus den Oberbefehl über die vor Jerusalem liegenden römischen Legionen übernahm und die Eroberung zu Ende führte) sah Rabban Jochanan ben Sakaj sogar eine Chance, auf den Kampf um Jeruschalajim Einfluss zu nehmen, Jeruschalajim vielleicht sogar retten zu können. Da jedoch letztlich weder Vespasian noch die Führer des Aufstandes in Jeruschalajim an einem Kompromiss interessiert waren, war die Zerstörung der Stadt und des Tempels nicht mehr abzuwenden.

Rabban Jochanan vermochte dennoch einige seiner Wünsche durchzusetzen, darunter die Gewährleistung der Fortsetzung der Herrschaft der hillelschen Dynastie, die er als die legitime Fortsetzung des davidischen Königtums betrachtete. Die nun folgende Ausrufung Rabban Gamliels (der später als Rabban Gamliel von Jawne bekannt wurde) zum Führer Israels bedeutete damals in jeder Hinsicht eine Stärkung der Stellung der Nessiim (Pl. von Nassi) aus dem Hause Hillel. Mussten zuvor die Nessiim noch auf andere Machtfaktoren im Staat Rücksicht nehmen, war der Nassi aus dem Hause Hillel fortan in allen Bereichen einziges und unumstrittenes geistiges und politisches Oberhaupt des Volkes.

Dem König aller Könige, dem Heiligen, gelobt sei ER!

Rabban Jochanans Stellung, wie sie von ihm selbst gesehen wird, ist für das Verständnis seiner Person und seines Werkes von ausschlaggebender Bedeutung. In einem interessanten Gespräch mit seiner Frau hören wir ihn, wie er sich mit einem der grossen Gelehrten seiner Zeit, Rabbi Chanina ben Dossa, dem „Meister des Wunderzeichens“, vergleicht (Brakhoth b).

Ben-Dosa kam zu Ben-Sakaj, während dessen Sohn erkrankte. Ben-Sakaj bat Ben-Dosa: ‚Bete um Erbarmen, damit mein Sohn lebe‘. Ben-Dosa beugte sein Haupt zwischen die Knie und betete um Erbarmen – sogleich wurde das Kind gesund. Ben-Sakaj sprach: ‚Hätte ich den ganzen Tag gerufen, das Haupt zwischen den Knien – im Himmel wäre ich nicht erhört worden‘. Da fragte Ben-Sakajs Frau: ‚Ist Ben-Dosa denn höher als Du?‘ ‚Nein‘, so Ben-Sakaj, ‚er ist eher einem Diener des Königs gleich, ich aber bin eher wie ein Minister des Königs. Der Diener sieht den König viel öfter als der Minister, wenn auch der Minister einen höheren Rang bekleidet‘.

Er sah sich also als eine Art königlicher Minister, ein Minister im Königtum des Heiligen, gelobt Sein Name. Als solcher sah er sich für die wichtigen und umfassenden königlichen Belange zuständig. Seine geschichtliche Rolle bestand darin, den Grundriss für eine neue Führung des Volkes zu schaffen und Entscheidungen zu treffen, die für die ganze Nation zukunftsweisend sein sollten (wenn er sich – wie alle Großen Israels – durchaus nicht scheute, sich auch mit den kleinsten Dingen abzugeben).

Nach der Zerstörung des Tempels konzentrierte sich Rabban Jochanan ben Sakaj in seinem Wirken auf zwei Hauptbereiche. Zum einen schuf er der jüdischen Welt einen geistig-religiösen Rahmen, der nicht mehr auf den Tempel angewiesen war.

Seine Verfügungen zielten darauf ab, die notwendigen damit zusammenhängenden Änderungen in der Halacha herbeizuführen und zu sanktionieren. Diese halachischen Änderungen sind nur ein winziger Bruchteil der großen, von uns heute in ihrer wahren Dimension kaum noch nachvollziehbaren Umwälzungen, auch auf dem Gebiet der Halacha, die die Verlagerung des nationalen und religiösen Zentrums vom Tempel auf andere Bereiche mit sich brachte. Raban Jochanan ben Sakaj war einer der ersten, der den Grundsatz „des Tempels zu gedenken“ als eine zum Erlass von Verfügungen gültige halachische Rechtsgrundlage auffasste.

Sein Werk wies also zwei gegenläufige, sich gegenseitig jedoch ergänzende Bestrebungen auf: Einerseits sollte eine halachische Alternative zum bislang zum großen Teil an der Zentralität des Tempels orientierten jüdischen Leben geschaffen werden, andererseits galt es, eifersüchtig darüber zu wachen, dass Jeruschalajim und der wiederaufzubauende Tempel auch weiterhin das ideale Zentrum blieben, und trotz der notgedrungenen Verlagerung eines Großteils des religiösen Lebens auf andere Gebiete nichts von ihrer Zentralität und Wichtigkeit einbüßen würden.

Es gelang Rabban Jochanan ben Sakaj den Schwerpunkt des jüdischen Lebens vorn Tempel auf die Tora zu verlagern und das Judentum zu „dezentralisieren“ und in ein System einzubinden, in dem der Tempel und die Tora, Erez Jisrael und die Galluth organisch miteinander verbunden waren.

Ebenso wie Mosche Rabenu, erreichte auch Raban Johanan Ben-Sakaj das Alter von 120 Jahren. Im Talmud finden wir eine Beschreibung der Stunden vor seinem Tod: „Bringt alles Geschirr wegen der Totenunreinheit weg, und bereitet einen Sessel für cHiskia, den König Jehudahs, der mich besuchen kommt“, sagte er zu seinen Schülern. Der Besuch cHiskias, König Jehudahs – zu dieser Stunde – drückt die Aufgabe aus, der Raban Johanan Ben-Sakaj sein Leben widmete.

Es hat zwar den Anschein, dass König cHiskiah umgekehrt gehandelt hätte als Raban Johanan ben Sakaj. In einer scheinbar identischen Lage, als die Hauptstadt Jeruschalajim von Truppen einer feindlichen Großmacht belagert wird, weigerte sich Chiskia zu kapitulieren und akzeptiert auch kein Friedensangebot. Indem Chiskia Rabban Jochanan ben Sakaj in seiner Todesstunde besucht, bringt er zum Ausdruck, dass deren beider verschiedene Verhaltensweisen dennoch letztendlich derselben inneren Einstellung entspringen. Beide legen – jeder zu seiner Zeit und auf seine Art – den Grundstein zum jüdischen Fortbestehen in ihrer Generation.

Dass dies in beiden Fällen auf durchaus gegensätzliche Art und Weise geschieht, ist unerheblich. Denn obwohl der eine einen kompromisslosen Krieg bis zum Ende führt, der – wäre nicht ein Wunder eingetreten – sehr wahrscheinlich mit einer Tragödie geendet hätte, und sich der andere aus der belagerten Stadt heimlich zum Feind hindurchschleicht, womit er – nach Ansicht der Hetzer und Eiferer seiner Zeit – Verrat beging, haben beide das gleiche reine Ziel vor Augen: Es geht um die Fortsetzung der Königsherrschaft – nicht der Herrschaft einer irdischen Dynastie oder einer bestimmten politischen Richtung, sondern der Herrschaft des Königs aller Könige, des Heiligen, gelobt sei ER!

Rabban Jochanan ben Sakkai starb in seinem Hause, umgeben von seinen Schülern, die ihn so sehr verehrten. Seine letzten Worte stehen für sein ganzes Leben:

«Möge die G’ttesfurcht eure Taten mindestens genauso beeinflussen – wie die Furcht vor den Menschen»

Das Licht Israels wird ewig leuchten:
Lehre und Lernen in Jawneh
Rabban Jochanan ben Sakkai war ein hervorragender Rabbi, Mitglied des Sanhedrins in Jerusalem. Als Leiter einer eigenen Schule hatte er viele Schüler, die zu seinen Füssen studierten und Worte der Weisheit von ihm hörten.

Die Bitte um eine Schule:
Jochanan Ben Sakkai im Hauptquartier des Vespasian
Im Hauptquartier des Vespasian in Cäsarea erschien, von den römischen Behörden mit Ehrfurcht empfangen, ein uralter jüdischer Herr, sehr klein, sehr angesehen, Jochanan Ben Sakkai, Rektor der Tempeluniversität, Oberrichter von Judäa, Großdoktor von Jerusalem.

Jochanan Ben Sakkai im Gespräch mit Josefus Flavius:
Über den messianischen Komplex
Es ist fraglich, ob der Messias jemals kommen wird. Aber glauben muss man es. Man darf nie damit rechnen, dass der Messias kommt, aber man muss immer glauben, dass er kommen wird.

Quellen:

TaNaKh in der Übersetzung von Zunz, Goldschmidt 1968
Rabb. Samson Raphael Hirsch: Sprüche der Väter – Pirke Awot, Morascha 1994
Die Gesetze jüdischer Ethik, von einem Meister in’s Deutsche übersetzt und erklärt. Hebräischer Text mit Übersetzung und Erklärung in deutscher Sprache, 125 Seiten 19.- (SFr) / Basel Aw 5754.
haRaw Adin Steinsaltz: Persönlichkeiten aus dem Talmud, Morascha 1993
Zu den Rabanim von Mischna und Gemara – 180 Seiten 29.- (SFr)
Dr. M. Braunschweiger: Die Lehrer der Mischna, Morascha 1993
Biographien der grossen Talmudgelehrten (Tannaim), 380 Seiten 35.- (SFr)
Dr. Heinrich Graetz: Volkstümliche Geschichte der Juden, I, O-Leiner 1914
Gilbert und Lilly Klapermann: Geschichte des jüdischen Volkes, I, Morascha
1958 Feldheim, Schulbuch auf traditioneller jüdischer Grundlage mit vielen Karten, Bildern und Fragen.
Band I: 220 S. / Band II: 300 S. / pro Band 29.- / im Set 50.- (SFr)
Rabbi Joseph Telushkin: Jewish Literacy, Morrow NYC 1991
Haim Hillel Ben-Sasson: Die Geschichte des jüdischen Volkes, Dvir 1969 / CH-Beck 1978