Der Monat Elul dient der Vorbereitung auf das Neujahrsfest am 1. Tischri (Tischri ist der Name des ersten Monats im jüdischen Kalender). Der Elul fällt meist in die Zeit August/September, der Tischri liegt im Zeitraum September/Oktober.
Im Elul wird an jeden Morgen bei der Andacht in der Synagoge der Schofar geblasen, um daran zu erinnern, dass mit dem neuen Jahr die gewaltigsten Tage im jüdischen Kalender naherücken. Am 10. Tischri ist Jom Kipur, der Versöhnungstag.
Aus den Tiefen rufe ich zu Dir
Der Elul hat 29 Tage und spielt unter den Monaten etwa die gleiche Rolle wie der Freitag unter den Tagen: Elul ist gewissermaßen der Rüstmonat des Rosch haSchanah, des Neujahrsfestes. Denn nur das religiöse jüdische Jahr hat mit dem Monat Nissan (Pesach) begonnen, das bürgerliche beginnt am 1.Tischri, dem ersten Tag des Neujahrsfestes.
Der Elul ist also der letzte Monat des bürgerlichen und der sechste Monat des religiösen Jahres. Er ist ganz und gar Rüste auf Neujahr und Versöhnungsfest und wird im Vorbedacht auf jene großen „furchtbaren Tage“ des Gerichts, der göttlichen Abrechnung hin gelebt. Die Gedanken zum Monat Elul sind ausgerichtet auf die kommenden ‚Hohen Tage‘.
Jeden Morgen wird Schofar geblasen, ein Mahn- und Weckruf des Gewissens, das in diesem Monat immer tiefer aufgerührt wird.
Man sagt, daß unser Lehrer Mose nach seiner Empörung und Verzweiflung über das goldene Kalb am Rosch Chodesch, dem 1. Elul, wieder auf den Sinai gegangen und am Jom Kippur, dem Versöhnungstag, am 10. Tischri mit den neuen Tafeln zurückgekehrt sei. Vierzig Tage war er auf dem Berg, vierzig Tage tat unten das Volk Buße, und diese vierzig Tage vom 1.Elul bis zum 10.Tischri sind ein für alle Male die Zeit der Tschuwah, der Ein- und Heimkehr der jüdischen Seele. Von Tag zu Tag steigert sich die Leidenschaftlichkeit der Tschuwah.
Schon in diesem ganzen Monat wünscht man einander in jedem Brief ein gutes neues Jahr mit Hinblick auf die durch Tschuwah zu erreichende Vergebung. Im Elul lassen die Frommen von Sachverständigen ihre Tefillin und Mesusot überprüfen. Im Elul sucht jeder so viel Mizwot, schöne Pflichten, zu erfüllen, wie er nur kann.
Die letzten Tage vor Rosch haSchanah (wenn dieses auf einen Montag oder Dienstag fällt, vom 21. oder 22. Elul, sonst ab Sonntag vor dem Neujahrsfest) sind die Slichoth Tage. Es sind dies die Tage der besonderen Bußgebete, mit denen man schon am frühesten Morgen vor Sonnenaufgang beginnt; Gesänge voller Bereitschaft zur Einkehr, voller Hingabe und Selbstaufgabe wie die folgenden (auch in den Kol-Nidre-G’ttesdienst eingefügten) Slichah-Strophen:
Denn sieh, wie der Lehm in des Töpfers Hand – wie er will, macht er weit, wie er will macht er eng – so sind wir in deiner Hand, der du Gnade bewahrst; schau auf den Bund und wende dich nicht zum Trieb.
Denn sieh, wie der Stein in des Steinhauers Hand – wie er will, erfaßt er, und wie er will, zerschlägt er – so sind wir in deiner Hand, gütiger und verzeihender G’tt.
Denn sieh, wie das Glas in des Glasbläsers Hand – wie er will, formt er, und wie er will, schmelzt er – so sind wir in deiner Hand, der du Frevel und Irrtum vergibst.
Denn sieh, wie der Teppich in des Wirkers Hand – wie er will, wirkt er grad, wie er will, wirkt er schräg – so sind wir in deiner Hand, eifriger, rächender G’tt.
Denn sieh, wie das Feuer in des Schmiedes Hand – wie er will, bläst er an, wie er will, bedeckt er es – so sind wir in deiner Hand, der du den Atem einhauchst, schau auf den Bund und wende dich nicht zum Trieb.
Vom ersten Slichoth-Tag an fasten viele immer den halben Tag in der Weise, dass sie erst nach dem Minchagebet, das sie aber schon zu seiner frühest erlaubten Zeit verrichten, gegen halb ein Uhr mittags, die erste Mahlzeit zu sich nehmen. Ebenso fastet man am Erew Rosch haSchanah, am Rüsttag zum Neujahr, bis Mittag. Und ebenso wie der neunte Aw als allgemeiner Trauertag die persönliche Trauer des Schiw’a-Sitzenden aufhebt, der dann also sein Haus verlassen und im Bethaus mit der Gemeinde trauern und beten soll, ebenso kommt der Schiw’a-Sitzende auch am Erew Rosch haSchanah Slichoth sagen. An diesem Morgen beginnt der G’ttesdienst noch früher, und vorher, also unbedingt vor Tagesanbruch, nimmt man ein weniges zu sich. Am Nachmittag reinigt man sich von Kopf bis Fuß und geht auch in die Mikwa, ins Tauchbad. Und man zieht womöglich – vielfach allerdings erst am zweiten Abend – neue Kleider an.
„Gib Ehrfurcht vor dir, G’tt, unser G’tt, auf all deine Geschöpfe und Schrecken vor dir auf alles, was du geschaffen hast, damit alles Werk dich fürchte und alles Erschaffene sich vor deinem Angesicht beuge, damit sie alle ein Bund werden, deinen Willen zu tun von ganzem Herzen, so wie wir erkennen, G’tt, unser G’tt, daß die Herrschaft bei dir ist. Dann jauchzen die Gerechten, dann schließt das Unrecht seinen Mund, und alles Übel muß wie Rauch vergehen; du tilgst die Herrschaft der Willkür von der Erde.“