Asara beTewet: Der Fasttag des Zehnten Tewet

Am 10. Tewet, im neunten Jahr seiner Regierung, 589 v.d.Z., begann der babylonische König Nebukadnezar die Belagerung Jerusalems.

„Es geschah im neunten Jahre seiner Regierung, im zehnten Monat, am zehnten Tage des Monats, da rückte Nebukadnezar, der König von Babel, er selbst und seine ganze Heeresmacht gegen Jerusalem heran; er schloss es ein, warf ringsherum einen Wall auf. Und die Stadt blieb belagert bis ins elfte Jahr des Königs Zidkija.“
(2 Könige 25, 1-2 und Jer. 52,4ff)

„Das Wort des Ewigen erging an mich im neunten Jahre, im zehnten Monat, am Zehnten des Monats also: Menschensohn schreibe dir den Tag, und zwar eben diesen Tag auf. An eben diesem Tage hat sich der König von Babel auf Jerusalem geworfen.“
(Ezech. 24, 1-2)

So kurz nach Chanukka könnte der Fasttag des 10. Tewet leicht übersehen werden. Aber er füllt doch eine wichtige Nische in der Geschichte Israels und unseres Volkes aus. Der Prophet Sacharja erwähnt diesen Fasttag zum ersten Mal: „So spricht der Ewige, euer G“tt: Das Fasten im vierten Monat und das Fasten im fünften Monat und das Fasten im siebten Monat und das Fasten im zehnten Monat wird für das Haus Juda sich in Jubel und Freude verwandeln; es werden frohe Festtage sein. Aber liebet die Wahrheit und den Frieden“. (Sach. 8,19)

Am 10. Tewet, im neunten Jahr seiner Regierung, 589 v.d.Z., begann der babylonische König Nebukadnezar die Belagerung Jerusalems.
Am 17. Tammus 586 brach er durch die Stadtmauern. Die Belagerung endete drei Wochen später, am 9. Aw, mit der Zerstörung des Tempels und dem babylonischen Exil des jüdischen Volkes.

Das Datum des 10. Tewet wird klar im zweiten Buch Könige und vom Propheten Jeremias bestätigt. Der Prophet Ezechiel ist sogar noch expliziter: „… und zwar eben diesen Tag …“. Diese Betonung hatte halachische Konsequenzen. Fiele der 10. Tewet auf einen Schabbat, würde das Fasten – wie es üblicherweise geschieht – nicht verschoben werden. Auf diese Weise ist der 10. Tewet dem Fasten am Jom Kippur ähnlich, das niemals verschoben wird. Auch für den Jom Kippur verwendet die Bibel die Phrase „an eben diesen Tag.“ Der jüdische Kalender ist so arrangiert, dass der 10. Tewet niemals auf einen Schabbat fällt.

Der Unterschied zum Jom Kippur besteht darin, dass das Fasten am 10. Tewet nur vom Morgengrauen bis zum Einbruch der Nacht gehalten wird. Außerdem ist die Halacha an diesem Tag bezüglich des Fastens von Menschen, denen es besonders schwer fällt, nachsichtig.

Unsere Weisen bestimmten, dass am 10. Tewet zur Erinnerung an dieses Ereignis und den Hunger, den die Bevölkerung Jerusalems litt, gefastet werden solle. Wie mit allen jüdischen Fasttagen stellt aber der 10. Tewet für uns auch eine Gelegenheit dar, Zeit der „Tschuwah“, der Rückkehr zur Religion, zu widmen. Wir sollen unser Handeln kritisch betrachten und unsere Wege ändern.

Der 10. Tewet ist auch der Trauertag für alle Verstorbenen, deren Jahrzeit und Gräber unbekannt sind. Viele haben auch keine überlebenden Verwandten mehr, die für sie Kaddisch sagen. 1948 schlug das israelischen Oberrabbinat den 10. Tewet als den Tag vor, an dem für diese Toten Kaddisch gesagt wird. Dazu gehören auch die Opfer der Schoah.

Mit der Auswahl dieses Tages zeigte das Oberrabbinat, dass es die zeitgenössische Tragödie der Schoah in einen Zusammenhang mit jenen Katastrophen stellt, die zur Zerstörung des Tempels führten. Das Fasten am 10. Tewet symbolisiert die Saat der Zerstörung. Der Holocaust und die Zerstörung des Tempels waren geplante Aktionen, die nicht nur einfach „passierten“. Beide „belagern“ die jüdische Seele für immer.

Ein interessanter Aspekt ist auch die Nähe des 10. Tewet zu Chanukka, der glücklichen Wiederherstellung des Tempeldienstes nach der Unterdrückung durch die Griechen. Die Errungenschaften der Hasmonäer waren kurzlebig. Nach hundert Jahren kämpften Juden gegeneinander und fremde Einflüsse dominierten abermals.

Deutsche Seiten des JAfI Pedagogic Center, von Dr. Chani Hinker

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