Gedanken zum Elul

Ejkhah / Klagelied 5,21:
G’tt, bring uns zu dir zurück, dann können wir zu dir zurückkehren.
Erneuere unsere Tage, damit sie werden wie früher.

Rabbi Sussja von Hanipol sagte: Fünf Bibelverse bringen das Wesentliche des Judentums zum Ausruck. Diese fünf Verse beginnen im Hebräischen mit den Buchstaben Taw- Schin- Waw- Beth – He, die das Wort Teschuwa „Umkehr“ bilden.

Tav – Ihr sollt ganz und ungeteilt auf der Seite des Ewigen, eures G’ttes, stehen.
(haDewarim – Dtn 18.13)

Schin – Ich habe den Ewigen immerzu vor Augen.
(Tehilim – Ps 16,8)

Vav – Und du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.
(Vajikra – Lev 19,18)

Weth – Strebe danach, G’tt auf all deinen Wegen zu erkennen.
(Mischlej 3,6)

Hej – Gehe in Bescheidenheit gemeinsam mit deinem G’tt.
(Micha 6,8)

Sei also entschlossen, in dieser Weise zu handeln, damit deine Umkehr aufrichtig ist.

(Chassidische Tradition)


Ahawah Rabba:
…“Damit wir niemals unsere Selbstachtung verlieren, noch je beschämt sein müssen“…

Es ist eine zum Himmel schreiende Sünde, wenn man zu einem Menschen, der umgekehrt ist, sagt: „Erinnere dich an die Taten deiner Vergangenheit!“ oder wenn man sie in seiner Gegenwart erwähnt, so dass sie ihn verlegen machen oder wenn man ähnliche Dinge zur Sprache bringt, die an das erinnern, was er tat.

Dies alles ist verboten, ebenso wie alle Arten von verletzenden Worten, vor denen die Thora uns warnt, denn es steht geschrieben:
„Ihr sollt einander nicht bedrücken“.

(Vajikra – Lev 19,13)

In der Nachbarschaft von Rabbi Ze’era lebten einige böse Menschen. Er aber kam ihnen näher, damit sie die Möglichkeit der Umkehr hätten. Seine Kollegen, die anderen Rabbiner, nahmen ihm dies übel.
Als Rabbi Ze’era starb, sagten diese Menschen: „Bis jetzt hatten wir Rabbi Ze’era, der um Erbarmen für uns flehte. Wer wird es jetzt tun?“
Sie nahmen sich dies zu Herzen und kehrten um.

(bSanhedrin 37a)


Gepriesen seist du, Ewiger, unser G’tt;
du regierst die Welt.
Du hast uns durch deine Gebote geheiligt.

(Die ersten Worte des Segens)

Eine Geschichte erzählt von einem Menschen, der bei dem Zaddiq Rabbi Mardochai von Nadvorna – es sei seiner zum Segen gedacht – studierte. Vor Rosch ha-Schana bat er darum, vom Unterricht befreit zu werden. Der Zaddiq fragt ihn: „Warum bist du so in Eile?“ Und er antwortete:

„Ich bin Vorbeter und muss noch einen Blick in das Gebetbuch für die Festtage werfen, um meine Gebete in eine Ordnung zu bringen.“ Der Zaddiq sagte zu ihm: „Das Gebetbuch ist dasselbe wie letztes Jahr. Es wäre besser für dich, wenn du einen Blick auf deine Taten wirfst und dich selbst in Ordnung bringst.“

(Schmu’el Josef Agnon)


Und G’tt sprach:
„Auf dein Wort hin habe ich vergeben!“

(baMidbar – Num 14,29)

bJoma 86b:
Was heißt Bereitschaft zur Umkehr?
R. Jehuda sagte: Wenn jemand einmal und zweimal Gelegenheit zur Sünde hatte und ihr entgangen ist.
R. Jehuda ergänzte: Mit derselben Person, zu derselben Zeit und an demselbem Ort.

Erklärung:
Aus dem II. Abschnitt der Hilchoth Tschuwah des Raw Moscheh Ben Maimon

Vollkommene Tschuwah ist, wenn die Gelegenheit, bei der sich jemand versündigt hat, sich wieder bietet, es läge nun in der Macht des Menschen, die Sünde wieder zu begehen, er hält sich aber von ihr zurück und führt sie um der Tschuwah willen nicht aus; weder Furcht noch mangelnde Kraft ist Motiv für die Unterlassung.

Ein Beispiel: Hatte jemand eine Frau, die ihm religionsgesetzlich verboten war, begattet; nach einiger Zeit ist er wieder mit ihr zusammen, er liebt sie genau wie früher, ist noch im Besitz seiner Körperkräfte, auch befindet er sich in derselben Umgebung wie damals, hält er sich nun zurück und sündigt nicht, so ist er ein vollkommener B’al Tschuwah.
Das ist, was Salomo sagt: „Gedenke deines Schöpfers in den Tagen deiner Jugend“. (Prediger 12,1)…


Im Namen G’ttes
und im Namen der Gemeinde:
Es ist uns erlaubt, in der Gemeinschaft der Schuldig-Gewordenen zu beten

Rabbi Meir von Rothenburg

Und so können wir, die Gemeinschaft, in welcher der Einzelne sein sündiges Ich fühlt, keine engere Gemeinde sein als die eine der Menschheit selbst.

Wie das Jahr an diesen Tagen unmittelbar die Ewigkeit vertritt, so vertritt Israel an diesen Tagen unmittelbar die Menschheit.

„Mit den Sündern“ ist sich Israel bewußt zu beten.
Dies ist wohl auch Ursprung der dunklen Form
„…als ganzes der Menschheit ‚mit‘ einem Jeden“.
Denn jeder ist ein Sünder.

Franz Rosenzweig

Frag‘, oh Verbrannte im Feuer,
wie es den um Dich trauernden geht…

Rabbi Meir von Rothenburg zur Verbrennung des Talmuds


U-netane Tokef:
Aber Umkehr und Gebet und gute Taten – wenden ab die Härte des Schicksals…

Es ist alles vorhergesehen, doch die Wahlfreiheit bleibt erhalten. Die Welt wird in Güte gerichtet werden; alles wird nach der Mehrheit der Taten entschieden.

Alles ist nur als Darlehen gegeben; ein Netz ist über allen Lebewesen ausgespannt. Der Laden ist offen, es wird auf Kredit verkauft, das Buch ist geöffnet und eine Hand schreibt auf. Jeder, der etwas leihen will, soll kommen und es sich leihen. Die Schuldeinforderer aber sind täglich unterwegs und treiben die Bezahlung von den Menschen ein, mit oder ohne deren Einverständnis. Es gibt etwas, das ihr Tun rechtfertigt, denn das Urteil ist ein wahrhaftiges Urteil. Doch für das Mahl ist alles vorbereitet.

[Pirkej Awoth – Sprüche der Väter 3,19 u. 20]


Am 18. Elul ist die Jahrzeit des Hohen Rabbi Löw (1520 – 1609), bekannt auch als Maharal von Prag oder Jehudah Löw Ben Bezalel. Auch der Geburtstag des Baal Schem Tow (1698 – 1760), des Begründers des Chassidismus, fällt auf den 18., den ‚ChaJ‘ beElul.

Aus dem Morgengebet:
Denn, alles ist wie nichts vor dir, außer einer reinen Seele.

Der böse Trieb ist wie einer, der unter den Menschen umherläuft, und seine Hand ist geschlossen, und niemand weiß, was in ihr ist.

Und er geht zu jedem und fragt: „Was fasse ich wohl in meiner Hand?“
Und jeder denkt, es sei das in der Hand, was er zuinnerst begehrt.

Und alle laufen jenem nach.

Und dann öffnet er seine Hand, und es ist nichts darin.

(Rabbi Nachman von Brazlaw)


Unser Vater, unser König:
Schreibe uns in das Buch für ein gutes Leben ein

Beachte folgende drei Dinge, dann wirst du nicht in Sünde fallen:
Sei dir dessen bewusst, was über dir ist:
ein sehendes Auge
und ein hörendes Ohr
und ein Buch, in das alle deine Taten aufgeschrieben sind.

(Pirkej Awoth – Sprüche der Väter 2,1)


Sch’moth – Ex 20,7:
Missbrauche nicht den Namen des Ewigen, Deines G’ttes.

Der Verfasser von ‚Kol Omer Kera‘ sagte:

„In einem Midrasch erfahren wir, dass Kain und Abel miteinander gestritten haben, weil jeder von ihnen den heiligen Tempel auf seinem eigenen Land errichten wollte.

Diese Ausrede wurde seitdem immer gebraucht, wenn Blut vergossen wurde oder wenn es zu einem Krieg kam.

Die Menschen sagen immer, dass sie für einen heiligen Zweck kämpfen“.

© Machsor Seder haTfiloth 5758


Am 24.Elul denken wir zur Jahrzeit an Rabbi Jisrael Meir (Kagan) Poupko (1838 – 1933), bekannt unter dem Titel seines bekanntesten Werks, als der ‚Chafez Chajim‘.

Rückkehr / Tschuwah: Als alles begann

„Lasst mich in meinen Garten zurückkommen, an den Ort, an dem ich Freude gefunden hatte, als alles begann“…

Die hier zusammengetragenen Lehren des Rebbe sind nicht einfach eine Sammlung von Ratschlägen oder schönen Gedanken, sondern bilden eine Ganzheit. Sie kreisen um einen wesentlichen Gedanken: die Verschmelzung erhabenster spiritueller Höhen mit der weltlichsten materiellen Formenwelt. Wie er zu sagen pflegte, «das Höchste mit dem Niedrigsten».
Dieser Ansatz ist nicht nur radikal, sondern machtvoll. Er bedeutet für mich, dass ich ich selbst sein und hier in einer sehr irdischen Existenz leben und doch ein spirituelles Ziel erfüllen kann. Das heißt auch, dass wir vor nichts fliehen müssen, außer vor der Ansicht, dass wir vor irgend etwas fliehen müßten. Wir laufen nicht aus dieser Welt davon, um uns einer höheren anzuschließen, sondern wir arbeiten daran, beide miteinander zu verschmelzen. Wir kümmern uns nicht darum, «in den Himmel zu kommen», sondern wir sind täglich damit beschäftigt, den Himmel auf die Erde zu bringen.

Als alles anfing, war der Himmel hier auf Erden.
Die irdische Sphäre war der Ort, an dem die G’ttliche Gegenwart sein wollte – lieber als in irgendeiner der höheren spirituellen Welten.

Die Menschen aber verbannten die G’ttliche Gegenwart aus ihrem Haus durch einen Baum des Wissens, durch einen Mann, der seinen Bruder tötete, durch all die Dinge, die sich Menschen untereinander antun.

Da die Menschen die G’ttliche Gegenwart vertrieben haben, können nur die Menschen sie wieder zurückbringen. Und das begann mit Abraham, der die Einheit der ganzen Welt verkündete. Und es endet mit uns, mit uns selbst.

Unsere Generation wird den Himmel auf die Erde zurückbringen.

Jede Generation spielt ihre bestimmte Rolle in der Geschichte.

Von allen Generationen vor uns haben wir einen reichen Schatz an Träumen geerbt: Philosophie, Wissen, Weisheit und Ziele. Wir sind kleine Zwerge, die auf den Schultern ihrer Ideen und ihrer edlen Taten stehen. Der Auftrag und das Schicksal unserer Generation ist es, den Traum wahr zu machen.

Wer die Kabbala studiert hat, weiß, dass es unendliche Welten jenseits unserer Welt und der Welt der Engel gibt, Welten, die erfüllt sind vom göttlichen Licht, von Schönheit und Einheit.
Aber erkenne, dass all das nur aus einem einzigen Grund geschaffen wurde: G’tt möchte in deiner irdischen Welt zuhause sein.

Tiere blicken nicht zu den Sternen auf, und Engel sind auf das Reich des Geistes beschränkt, der Mensch jedoch ist G’ttes Brücke zwischen Himmel und Erde.
Unsere Körper wurden aus Staub geschaffen, unsere Seelen aus dem Wesen G’ttes. Nur wir können eine materielle Welt anschauen und spirituelles Leben und Schönheit sehen. Wir, die wir sowohl jenseits des Himmels als auch der Erde sind, jenseits von Form und Materie, jenseits des Geistes und des Körpers – nur wir allein können die beiden miteinander verschmelzen.

Der Mensch sieht einen Baum, und der Baum spricht: «Ich bin hier, ich war hier, und ich bin nicht mehr als ein Ding, das hier ist.» Und der Mensch sinnt nach und antwortet:
„Nein! Ich gebe dir einen Namen. Du bist „Baum“! Du bist schön, und du hast eine Seele. Du weist nach oben und sagst: „Es gibt etwas Höheres; dort oben gibt es Einen, der mir mein Leben und mein Sein schenkt“.“

So fährt der Mensch fort, bis die gesamte Schöpfung vor ihrem G’tt auf die Knie gefallen ist. Nur der Mensch kann vollbringen, was die Engel nicht können. Allein der Mensch kann das Geistige im Irdischen entdecken.

Sie haben G’tt ins Exil verbannt. Sie haben verrügt, dass Er zu heilig sei, zu transzendent, um in unsere Welt zu gehören. Sie haben angeordnet, dass Er nicht in das Gewöhnliche, in den Alltag der Dinge gehöre.

Und so haben sie Ihn aus Seinem Garten vertrieben, in das Reich von Gebet und Meditation, in Heiligtümer und entlegene Einsiedlerklausen. Sie haben den Schöpfer zum Exil verurteilt und haben Seine Schöpfung in ein dunkles, kaltes Gefängnis verschlossen.

Und Er fleht: «Lasst mich in meinen Garten zurückkommen, an den Ort, an dem ich Freude gefunden hatte, als alles begann.»

© Den Himmel auf die Erde bringen – Die Weisheit des Rabbi Schneerson aus New York


Ya’aleh – Musik zu den Hohen Feiertagen:
Hineni ha’Ani miM’as

Siehe, ich komme, arm an Handlungen, zitternd und bebend aus Furcht vor ihm, der über den Lobgesängen Israels thront, um vor dich hinzutreten und für dein Volk Israel zu flehen, das mich geschickt hat, wenn ich auch nicht würdig und fähig dazu bin.

Darum flehe ich zu dir, Gott Abrahams, Gott Isaaks und Gott Jakobs, Ewiger, gewaltiger und Ehrfurchtbarer, lass meinen Weg gelingen, den ich gehe, hinzutreten, um für mich und die mich schicken um Erbarmen zu flehen.

Lass sie nicht straucheln durch meine Sünden, verurteile sie nicht ob meiner Schuld, denn ich bin ein Sünder und Frevler, mögen sie nicht beschämt werden ob meiner Missetaten, nicht zuschanden werden durch mich und ich nicht durch sie.

Nimm mein Gebet an wie das Gebet eines Greises, eines Geübten, dessen Lebenswandel rein, dessen Bart würdig, dessen Stimme lieblich, und der die Liebe seiner Mitmenschen würdig, dessen Stimme lieblich, und der die Liebe seiner Mitmenschen genießt.

Verscheuche den Ankläger, dass er uns nicht verleumde. Unser Panier vor dir sei Liebe, alle Missetaten bedecke in Liebe, unsere Fasttage und Kasteiungen verwandle uns und ganz Israel zur Wonne und Freude, zum Leben und Frieden.

Wahrheit und Frieden liebet, und kein Anstoß sei in meinem Gebet.

Dein Wille sei es, Ewiger, Gott Abrahams, Gott Isaaks und Gott Jakobs, großer, starker und furchtbarer Gott, höchster Gott, dessen Name „ich werde sein, der ich sein werde“, dass alle Engel, welche die Gebete umschweben, mein Gebet vor den Thron deiner Ehre bringen und es vor dir ausbreiten, um aller Gerechten, Frommen, Vollkommenen und Geradwilligen und um der Ehre deines großen, starken und furchtbaren Namens willen, denn du erhörst das Gebet deines Volkes Israel in Barmherzigkeit.

Gelobt seiest du, der das Gebet erhört.

Aus der CD „Ya’aleh“ des Synagogenchors Basel