Vaterjuden

Von Ruth Zeifert

Als ‚Vaterjuden‘ werden Personen bezeichnet, die einen jüdischen Vater und eine nichtjüdische Mutter haben. Das jüdische Gesetz, die Halacha, besagt, dass Jude ist, wer eine jüdische Mutter hat oder konvertiert ist. So einfach aber ist es für die Lebenswirklichkeit von Menschen mit nur einem jüdischen Vater nicht unbedingt.

Beispielsweise wachsen Vaterjuden meist schlicht mit in einer jüdischen Familie auf. Sie haben jüdische Großeltern, Tanten, Onkel usw.. Mit ihnen feiern sie etwa jüdische Feste und wachsen so mit der Zugehörigkeit zur Familie in eine eigene jüdische Identität. Nicht alle. Manche fühlen sich jüdisch, andere nicht und viele fühlen sich auch als etwas eigenes.

Staatliches Gesetz kann außerdem dem jüdischen Gesetz zuwider laufen. Und so ein staatliches Gesetz übt schon auch Einfluß auf Fremd- und Selbstbild aus. Der Großteil der heute in Deutschland lebenden Jüdinnen und Juden etwa stammt aus der ehemaligen Sowjetunion oder hat Eltern, die zu den sogenannten Kontingentflüchtlingen gehören. In der ehemaligen Sowjetunion war es Gesetz, dass Jude ist, wer einen jüdischen Vater hat. Das Selbstverständnis von Generationen wurde so gebildet.

Für in Deutschland lebende Juden war bereits seit dem Nationalsozialismus klar, dass die Definition von Juden durch den Staat erfolgen konnte. Jeder Jude in Deutschland ist mit den Nürnberger Rassegesetzen des Nationalsozialismus vertraut. Die Nazis hatten darin niedergeschrieben, wer für sie Jude war. Dies hatte teils verheerenden Folgen für Vaterjuden. Im schlimmsten Fall wurden auch sie ins Gas geschickt, als sogenannte ‚Halbjuden‘ oder ‚jüdische Mischlinge‘. Nach dem Nationalsozialismus wurde der Gedanke biologisch bestimmter Menschenrassen verworfen und somit die Begriffe als Nazi-Jargon entlarvt und natürlich nicht mehr verwendbar.

Kinder aus gemischten Beziehungen gab es weiter. Erst 1995 erdachte in den Niederlanden Andreas Burnier den Begriff ‚Vaterjuden‘. Anfang der Nuller-Jahre kam der Begriff dann auch nach Deutschland. Er ersetzte damit die Formulierung ‚Kind eines jüdischen Vaters und einer nicht jüdischen Mutter‘ zu sein und ermöglichte, das Problem einer gebürtig jüdischen Identität ohne jüdischen Status mit einem Wort greifbarer zu machen.

In den zwei großen Strömungen Deutschlands gibt es unterschiedliche Handhabe gegenüber Kindern jüdischer Väter: Die Orthodoxie besteht auf die strikte Einhaltung der Halacha und sieht Vaterjuden als Nichtjuden. Das progressive Judentum hingegen öffnet sich langsam. Es erkennt, dass Vaterjuden aus der gleichen Familie stammen und bietet eine Statusklärung anstelle einer Konversion.

In verschiedenen Ländern variiert zudem die Handhabe. So ist das progressive amerikanische Judentum etwa sehr einflussreich und Vaterjuden in Amerika häufig willkommen, in Israel wiederum sind zwar die meisten Juden eher säkular, aber die Gerichtsbarkeit untersteht der Orthodoxie; und nach dieser sind Vaterjuden in Israel Nichtjuden. Außer im Einwanderungsgesetzt, einwandern dürfen sie mit jüdischem Vater. Es ist kompliziert.

In jedem Fall sind die Anerkennung und der Stand von Vaterjuden ein Politikum, dessen Bedingungen und Position aktuell verhandelt und neu geschrieben werden.

Mehr zum Thema:
Vaterjuden in Deutschland
Sera Israel: Wir sind keine Nichtjuden!
„Väter unser … “ – Vaterjüdische Geschichten

Podcast zum Thema:
Chajm Guski und Juna Grossmann in Anti & Semitisch