Rosch haSchana – Der Tag der Verhüllung

Rosch haSchanah – der erste Tischri wird auch Jom Hakesse – der Tag der Verhüllung – genannt. Tiku Wachodesch Schofar bakesse Lejom Chagenu – am Neumond stosset ins Schofar, am Tag der Mondverhüllung, am Tag unseres Festes (Tehillim 81,4). Es erinnern die Weisen auch an den Vers „Am Tage der Verhüllung des Mondes wird er nach Hause kommen“ (Mischlej 7,20). Die Ähnlichkeit der Worte Kesse – Verhüllung – und Kisse – Thron – deuten auf den Richterthron G“ttes hin, auf dem Er an diesem Tag sitzt, Kesse – Verhüllung – ist auch eine Andeutung auf die Barmherzigkeit G“ttes, dass Er an diesem Tag unsere Schuld verhüllen und unsere Sünden gnädig verbergen möge.

Alles wird an diesem Tag mit Verhüllung in Zusammenhang gebracht. Während alle anderen Festtage im Jahr zur Vollmondszeit fallen, oder davor oder danach, fällt Rosch haSchanah auf den ersten des Monats, wenn der Mond noch verhüllt ist. Symbolisch wird auch das Volk Israel mit dem Mond verglichen, denn es strahlt an seinen Schabbat- und Festtagen in vollem Glanz. An Rosch haSchanah jedoch zieht es sich in Ehrfurcht vor dem grossen Tag des Gerichts zurück. Auch der Allmächtige breitet über Sein Volk eine Hülle, verbirgt damit seine Sünden und gewährt ihm dann Verzeihung und Vergebung. (Siehe Pesikta Rabbati, 40)

Auch in der Tora selbst ist das Wesen, der Charakter des Jom haDin, des Tags des Gerichtes, nicht ausdrücklich erwähnt. Er ist eher verhüllt angedeutet, damit die Teschuwah -die Rückkehr zu G“tt – nicht nur auf diesen einen Tag beschränkt bleibe, sondern, dass der Mensch auch während des Jahres die Möglichkeit zur Teschuwa ergreife. Auch soll dem Satan – dem Behinderer – der genaue Zeitpunkt verhüllt bleiben, damit er nicht als Ankläger erscheine. Aus diesem Grund pflegt man auch kein Birkath haChodesch – die Neumondsverkündung – am Schabbat vor Rosch haSchanah zu machen, wie sonst für alle anderen Monate Brauch ist.

Tag der Anfänge

Der erste Tischri ist, nach Rabbi Elieser, der Tag, an dem G“tt den Menschen geschaffen hat als Krönung der Schöpfung (Rosch haSchanah 10a). Ebenso sagt Rabbi Elieser, dass unsere Stammväter im Tischri geboren wurden, da sie Anfang für eine Welt waren, die bisher sündhaft war. Am Rosch haSchanah wurden Sara, Rachel und Chana bedacht. Sie waren vorher kinderlos, doch von diesem Tag an schenkte ihnen G“tt die Hoffnung auf Kindersegen.

Am Rosch haSchanah wurde Josef aus dem Gefängnis entlassen, in dem er zwölf Jahre lang unschuldig eingesperrt war. Von diesem Tag an begann sein Licht zu leuchten.

Am Rosch haSchanah wurde der Sklaverei unserer Väter in Agypten ein Ende gesetzt, und so wurde der Tag der Anfang der Erlösung.

Schon am ersten Rosch haSchanah der Welt, an dem Tag, an dem der Mensch erschaffen wurde, sind die Begriffe von Gericht und Vergebung gegenwärtig. Unsere Weisen sagen, dass an jenem Tag Adam G“ttes Gebot in bezug auf den Baum des Wissens übertreten hat und dafür gerichtet wurde. Aber auch Verzeihung wurde ihm zuteil. Dies sei ein Zeichen für deine Kinder, sagt G“tt zu ihm; genau wie du an diesem Tag verurteilt wurdest, aber dir auch vergeben wurde, so werden auch deine Kinder an diesem Tag gerichtet werden, aber auch Verzeihung erhalten (Psikta Deraw Kahana, Bachodesch Haschewi‘i).

Lo A‘D‘U Rosch…
Tage, an denen Rosch haSchanah nie beginnt: Der erste Tag Rosch haSchanah kann nur auf Montag, Dienstag, Donnerstag oder Schabbat fallen, niemals jedoch auf Sonntag, Mittwoch oder Freitag. Dies ist eine Takkanat Chachamim – eine Anordnung unserer Weisen.

Rosch haSchanah – zwei Tage

Rosch haSchanah wird zwei Tage lang gefeiert, am ersten und am zweiten Tischri, obwohl in der Tora nur von einem Tag die Rede ist: Im siebten Monat, am ersten Tag des Monats soll euch Ruhetag sein, Gedenken des Teru’a-Tones, Tag der heiligen Berufung (Wajikra 23, 24).

Die Bestimmung, Rosch haSchanah zwei Tage lang zu feiern, wurde schon von den Newi‘im Rischonim – den ersten Propheten festgelegt (Jeruschlami, Eruwin, Perek 3 Halacha 9). Der Grund dafür ist die Tatsache, dass der Monat durch Zeugenaussage vom Obersten Gerichtshof ausgerufen und geheiligt wurde. Diese Zeugen mussten das Erscheinen des Molad – des Neumondes sehen und bestätigen, und so musste der Beginn des Monats Tischri sofort beim Eintritt der Nacht, nach dem 29. Elul, dem vorangehenden Monat, festgelegt werden, da die mögliche Ankunft von Zeugen am Morgen des nächsten Tages eine Heiligung des Vortages verursachen könnte. Kamen solche Zeugen, dann war dieser selbe Tag Kodesch – heilig, und der nächste Tag wäre dann Chol, ein gewöhnlicher Wochentag. Wenn aber keine Zeugen kamen, so wäre der darauffolgende Tag automatisch als Kodesch erklärt worden, und der vorherige Tag wäre dann ein gewöhnlicher Wochentag gewesen. Damit nun die Heiligkeit des ersten Tages des Zweifels wegen nicht missachtet werde, ordneten die Propheten an, dass Rosch haSchanah immer zwei Tage lang gefeiert werden müsse. Werkverbot, Schofarblasen und Gebetsordnung, sowie alle anderen Einzelheiten der Festordnung sind für beide Tage bindend. Beide Tage zusammen werden Joma Arichta – langer Tag – genannt, das heisst, dass zweimal vierundzwanzig Stunden als ein geheiligter Tag gerechnet wird. Jedoch bei der Vorbereitung der Mahlzeiten werden sie als zwei Tage betrachtet, es ist also nicht erlaubt, von einem Tag auf den nächsten Tag zu kochen.

Der Rambam – Maimonides – schreibt: Die Mehrzahl der Bewohner des Landes Israel pflegten den Jom Tow – Feiertag von Rosch haSchanah des Zweifels wegen zwei Tage lang zu begehen, denn sie wussten nicht, auf welchen Tag der Gerichtshof den Monatsanfang festgesetzt hatte, da ja die Boten am Feiertag selbst nicht herausgingen. Fernerhin, sogar in Jeruschalajim, Sitz des Gerichtshofes, wurde Rosch haSchanah zwei Tage lang gefeiert. Wenn nämlich die Zeugen während des 30. noch nicht erschienen waren, wurde der Tag in Erwartung der Zeugen als heilig erklärt, und auch der nächste Tag war geheiligt. Da man zwei Tage lang feierte, auch wenn Augenzeugen vorhanden waren, setzte man fest, dass Rosch haSchanah sogar in Erez Jisrael zwei Tage lang gehalten werden müsse, selbst heute, obwohl der Monatsbeginn durch Berechnung festgelegt wird. Daraus lernt man, dass der zweite Tag Rosch haSchanah heutzutage Midiwrej Sofrim – eine Anordnung der Sofrim ist (Hilchot Kiddusch Hachodesch, Kap. 5,7).

Es besteht nun ein Unterschied zwischen jener Zeit, da man die Monate durch Augenzeugen festgelegt hat, und der heutigen Zeit. Als der Monat noch durch Augenzeugen geheiligt wurde, und die Zeugen, die den Neumond gesehen hatten, nicht zur rechten Zeit erschienen waren, war der erste Tag von Rosch haSchanah mideRabanan – als Anordnung der Weisen bestimmt, der zweite Tag jedoch, der erste Tischri, Min haTorah – als Toragesetz festgesetzt. Heute jedoch, da die Monate und Feiertage durch Berechnungen festgelegt werden, und der erste Tag von Rosch haSchanah immer auf den ersten Tischri fällt, gilt der erste Tag min haTorah und der zweite miDiwrej Sofrim.