Schlach Lecha – Hat Gott seine Meinung geändert?

Paraschat HaSchawua – Der wöchentliche Toraabschnitt, Kommentiert von Nechama Leibowitz

In diesem Kapitel beschäftigen wir uns mit dem Ende des Abschnittes über die Kundschafter, und zwar mit dem letzten Vers. Ihre Bestrafung wurde ihnen bereits erklärt und nun durch einen Eid bekräftigt:

So wahr ich lebe! ist der Ausspruch des Ewigen, wenn ich nicht, so wie ihr geredet habt vor meinen Ohren, euch tue.
(14, 28)

Sie hatten „gebettelt“: Wären wir doch in Ägypten gestorben, wären wir doch in der Wüste gestorben.“
Daher:

In dieser Wüste sollen eure Leiber fallen und all eure Gemusterten nach eurer ganzen Zahl, vom zwanzigsten Jahre und darüber, die ihr wider mich gemurret habt.
(14, 29)

Und euere Söhne sollen umherziehen in der Wüste vierzig Jahre und euren Abfall tragen, bis eure Leiber dahin sind in der Wüste.
Nach der Zahl der Tage, die ihr das Land ausgekundschaftet, vierzig Tage, je ein Tag auf ein Jahr, sollt ihr eure Schuld büssen vierzig Jahre, und ihr sollt meine Abwendung erfahren.
(14, 33 – 34)

Die Bestrafung wurde unmittelbar erfahren, als die böse Gemeinde der zehn Kundschafter getötet wurde (14, 37):

Diese Männer, die das üble Gerücht von dem Lande ausgebracht, starben durch eine Plage vor dem Ewigen.

Danach trauerte das Volk. Und am Morgen (14, 40):

Und sie machten sich auf am Morgen, dass sie den Gipfel des Berges erstiegen, und sprachen: Hier sind wir, dass wir hinaufziehen an den Ort, von dem der Ewige gesprochen; denn wir haben gesündigt.

Die Reaktion darauf war (14, 41 – 44):

Warum doch wollt ihr übertreten den Befehl des Ewigen? Es wird doch nicht gelingen! Ziehet nicht hinauf, denn der Ewige ist nicht in eurer Mitte, dass ihr nicht geschlagen werdet von euren Feinden. … Doch sie trotzten, hinanzusteigen den Gipfel des Berges; aber die Bundeslade des Ewigen und Moscheh wichen nicht aus des Lagers Mitte.

Hier die Reaktion ihres Verhaltens (14, 45):

Da kamen der Amalekiter und der Kenaaniter herab, die auf demselben Berge wohnten, und schlugen und zersprengten sie bis gen Chormah.

Unsere Kommentatoren fanden dies rätselhaft. Arama formuliert die Schwierigkeit in seinem „Akedat Itzchak“:

Nachdem sie sich angemasst hatten, auf den Gipfel des Berges zu steigen: warum bewegten sich Moses und die Lade nicht aus dem Lager und warum wurden ihnen die Tore der Reue verschlossen? Verletzt diese Geschichte nicht die goldene Regel, dass derjenige, der seine Sünden bereut und büsst, Gnade finden soll? War es nicht der Wunsch des Ewigen, sie sollten ihre Furcht überwinden, sie sollten sich nicht vor dem Volk des Landes fürchten und hinaufgehen und kämpfen? Wurde ihnen nicht geboten: „Zieh hin … Sei nicht furchtsam und nicht bang“ (Deut. 1, 21)? Wurde nicht von ihnen erwartet, hinauf zu steigen? Oder hatte der Ewige seine Meinung geändert?

Ein ähnliches Problem finden wir in den Botschaften zweier grosser hebräischer Propheten. Jesaja ruft seinen Brüdern zu:

Hüte dich, bewahre die Ruhe und sein ohne Furcht! Dein Herz verzage nicht.
(Jesaja 7, 4)

Er forderte Widerstand vor dem Feind und versprach, die Rettung werde kommen. Als aber Jeremias seinen König aufsteigen und das Volk sich für die Rebellion begeistern sah, prophezeite er Katastrophe und Zerstörung, forderte unmittelbare Aufgabe und Annahme der Oberherrschaft des babylonischen Königs. Er selbst trug das Joch auf dem Nacken, ein Symbol der auferlegten Demütigung.
Hatte Gott seine Meinung geändert?
Das ist nicht der Fall. Nicht der Gott, der seine Stadt bedingungslos verteidigt, der es dem Fremden und dem Feind nicht erlaubt, sie zu betreten, ist der lebendige Gott, dem wir vertrauen. Auch ist es nicht der zerstörende Gott, der alles umstürzende Gott, der Gott der Rache, an den wir glauben. Buber erklärt es in seinem Werk „Die Lehren der Propheten“:

Es ist unwesentlich, ob die Prophezeiung aus Rettung oder Unheil besteht. Was zählt ist, dass die Prophezeiung – ohne Rücksicht auf ihren Inhalt – in die göttliche Forderung dieses speziellen historischen Momentes passt. In Zeiten ungerechtfertigter Selbstzufriedenheit ist eine Botschaft einer zerschmetternden Katastrophe angebracht, der Finger zeigt auf die bevorstehende Zerstörung in der Geschichte. Andererseits ist in Zeiten grosser Drangsale, aus denen eine Erlösung immer noch möglich ist, in Zeiten der Reue und Busse, eine ermutigende Heilsbotschaft richtig.

Als Jeremias dazu aufrief, aufzugeben und das babylonische Joch zu akzeptieren, wusste er, dass das Volk nicht länger geläutert und auf den wahren Weg zurückgebracht werden konnte, ausser durch brennende Leiden, die Zerstörung des Tempels und das Joch des Exils. Es war nicht mehr möglich „aufzubauen und zu pflanzen“, ohne die Botschaft des „siehe, ich habe dich heute über die Völker und Königreiche gesetzt, auszurotten und niederzureissen, und zu verderben und zu zerstören“ zu erfüllen (Jeremias 1, 10). Das Aufbauwerk konnte vor dem Prozess der Zerstörung nicht erwogen werden.
Dasselbe gilt für unser Thema. Ihre Unfähigkeit zu gehen und das Land zu besetzen, wird in der Feststellung deutlich: „Lasst uns einen Führer ernennen und nach Ägypten zurückkehren“, im Weinen während der Nacht. Nun konnte nichts mehr geheilt werden, ohne zu akzeptieren, was ihnen auferlegt war. Ihre Worte „Hier sind wir, dass wir hinaufziehen“ beinhalteten keine Reue, ausser sie akzeptierten den Spruch, demütigten sich und trugen ihre Strafe. Göttliche Bestrafung ist die Kur für ihre Krankheit, der Pfad der Reue. Maimonides erklärt den Zweck ihrer Wüstenwanderung so:

Man kann vom Menschen nicht erwarten, den Zustand der Sklaverei, der Arbeit mit Lehm und Stroh und dergleichen zu verlassen, die schmutzigen Hände im Antrieb des Augenblickes zu waschen und mit Giganten zu kämpfen. … Daher war es Teil der göttlichen Weisheit, sie in der Wüste wandern zu lassen, bis sie Mut gelernt hatten. Denn es ist wohlbekannt, im Nomadenleben unter spartanischen Bedingungen entsteht Mut und Feigheit verschwindet. Ausserdem wuchs eine neue Generation heran, die keine Demütigung und keine Sklaverei gekannt hatte.

Weiterführende Fragen:

„In dieser Wüste sollen eure Leiber fallen“, wie es im Targum heisst „eure“. Da Er von den Kindern gesprochen hatte, von ihrem Eintritt in das Land, und Er – im Gegensatz dazu – sagen wollte: Aber ihr alle sollt sterben“, verwendet der Text den Ausdruck „atem“ – „ihr“.
(Raschi)

Warum zitiert Raschi den Targum Onkelos?
Warum gibt er sich nicht mit dem Targum zufrieden, sondern fügt seine eigenen Worte hinzu: „Da Er von den Kindern …“ Was wollte er damit erreichen?

„Nach der Zahl der Tage, die ihr das Land ausgekundschaftet, vierzig Tage, je ein Tag auf ein Jahr, sollt ihr eure Schuld büssen vierzig Jahre.“
Isaak Arama fragt in „Akedat Jitzchak:
Welchen Grund gab es, ihnen für jeden Tag ein Jahr aufzuerlegen? Gott beträgt sich nicht so und es hätte genügt, ihnen Bestrafung zuzumessen, Mass für Mass! Es sei Ihm fern, eine grössere Bestrafung als die Sünde zuzuteilen?

(Malbim fügt hinzu, wir wissen, dass Gottes Belohnungen gewöhnlich grosszügiger sind als seine Strafen.)
Versuche seine Frage zu beantworten.

Vergleiche die Worte der Israeliten in unserem Text „Hier sind wir, dass wir hinaufziehen … denn wir haben gesündigt“ mit den Worten Sauls (! Samuel 15, 24 – 25): „Ich habe gesündigt, denn ich habe den Befehl des Ewigen und deine Weisungen übertreten … Nun aber vergib mir meine Sünde und kehre mit mir um, damit ich den Ewigen anbete.“
Was ist der Unterschied?

Haftara zu Schlach Lecha: Josua II, 1 – 24