Matot: Was wir aus Bileams Ende lernen

Paraschat HaSchawua – Der wöchentliche Toraabschnitt, Kommentiert von Nechama Leibowitz

Siehe, sie waren den Kindern Israel auf den Rat Bileams zur Verleitung zum Treubruch am Ewigen wegen Peor, und es kam das Sterben über die Gemeinde des Ewigen.
(31, 16)

Hier nennt die Tora zum ersten Mal einen Mann namens Bileam als Initiator des Komplotts genannt wird, das die Israeliten zur Sünde in Baal Peor veranlasste. Während der gesamten Erzählung wird Bileams Einfluss auf die Tat nicht erwähnt. Im Gegenteil:

Und das Volk fing an zu buhlen mit den Töchtern Moabs.
(25, 1)

Wir sahen, wie der Ewige den Israeliten wegen ihrer Abtrünnigkeit zürnte, wie er ihnen befahl, die Midjaniter für ihre Komplizenschaft in der Tat von Baal Peor zu plagen. Aber auf Bileams Anteil wird nicht angespielt. Luzzatto kommentiert diese Unterlassung so:
Auf seinem Weg nach Hause kam Bileam durch Midian und erfuhr, wie die Israeliten mit den Töchtern Moabs gebuhlt hatten und zur Götzenanbetung veranlasst worden waren. Da erkannte er, dass dies die einzige Methode war, um die Israeliten zu unterminieren. Daher riet er den Midianitern, ausgesuchte Mädchen zu schicken, um die Israeliten zur Götzendienerei zu verführen. So würden sie den Schutz des Ewigen verlieren.

Die Frage, warum Bileams Anteil an der Angelegenheit von Peor nicht sofort berichtet wurde, bleibt unbeantwortet. Wie wie an anderer Stelle bemerkten, lässt die Tora oft wichtige Details in der Erzählung aus, um später darauf anzuspielen. Im folgenden Zitat beziehen sich unsere Weisen auf dieses Phänomen:
Die Tora berichtet Angelegenheiten in ihrem ursprüglichen Zusammenhang kurz, nur um sie später breiter zu behandeln.

Wir wählen zwei andere Beispiele dafür aus den vielen, die es in den Schriften gibt, aus. In der Geschichte von Jakob und Laban (Genesis 31, 36-42) erzählt Jakob Einzelheiten der Arbeitsbedingungen und der Ausbeutung durch Laban erst ganz zum Schluss. In den Kapiteln 29 und 30 wird die Zeit beschrieben, die Jakob für Laban arbeitete. Die Erzählung erwähnt nicht, unter welchen Bedingungen Jakob arbeitete und wie Laban seinen Lohn zehn Mal änderte. Erst als Jakob Padan Aram verlassen hatte und Laban ihn einholte, erhalten wir eine genaue Schilderung dieser Bedingungen in Jakobs Ausbruch gerechter Entrüstung. Diese Details ergänzen, was in unserem früheren vagen Bild von Jakobs Beziehungen mit Laban fehlte.
Ein weiteres Beispiel finden wir in I Samuel 28, 3. Erst in dem Teil der Erzählung, wo Saul hilflos dasteht und „der Ewige ihm keine Antwort gab, weder durch Träume …“, und er sich an die Hexe wendet, erfahren wir von seinem früheren Kampf gegen die Totenbeschwörer und Wahrsager in Israel.
Nachmanides bezieht sich auf Genesis 31, 7:
„Aber euer Vater hat mich getäuscht und hat meinen Lohn geändert zehn Mal…“ Dies war buchstäblich wahr, obwohl die Erzählung das nicht erwähnt. … Die Schrift ist oft kurz in dem einen Kontext, nur um in einem anderen sich breiter zu beschäftigen.

Warum lässt die Tora in einem Kontext Details aus und erwähnt sie später? Die Erklärung in diesen beiden Beispielen ist nicht schwer zu entdecken. Die Erzählung schweigt, solange Jakob schweigt und seiner Entrüstung Herr war, die ganze Zeit, die er für Laban arbeitete. Aber nach zwanzig Jahren Ausbeutung machte sich Jakob Luft und berichtete alles, was er während der Zeit für sich behalten hatte. Wären uns diese Einzelheiten chronologisch berichtet worden, hätten sie uns auch so tief berührt? Dasselbe gilt für den Fall Sauls. Hätte uns die Erzählung den Kampf des Königs gegen die Zauberer zu einer Zeit berichtet, als er das Königtum annahm und den Willen Gottes ausführte, hätten wir dem keine besondere Bedeutung beigemessen. Schliesslich handelte er nur nach den Geboten der Tora. Erst als König Saul selbst einen von ihnen konsultieren muss, erkennen wir, wie weit er gebracht und wie tief er gedemütigt worden war.
Versuchen wir nun zu verstehen, warum die Tora nicht erwähnte, dass Bileam in die Angelegenheit von Baal Peor verwickelt war. Erst nach seinem Tod durch die Hand der Israeliten erfahren wir davon. Warum wurde Bileams Verantwortung dafür nicht im Zusammenhang mit dieser Geschichte berichtet?
Offensichtlich wollte uns die Tora etwas lehren.
Obwohl es Bileam war, der die Töchter Midjans anstiftete, die Reinheit des jüdischen Familienlebens zu untergraben, obwohl er das böse Genie war, das sich diesen Plan ausdachte, lag die moralische Verantwortung letztlich auf den Israeliten. Sie waren schuldig:
Und das Volk fing an zu buhlen mit den Töchtern Moabs.
(25, 1)

Die Erzählung berichtet nur die Sünde der Israeliten und ihre Vergeltung. Jeder Mensch ist für seine Handlungen verantwortlich. Provokation befreit das Opfer nicht von der Verantwortung.
Die Worte des Herrn (Gott) und die Worte des Schülers – wessen Worten haben wir zu gehorchen?

Die erste Loyalität des Menschen gilt dem moralischen Gesetz, Gott. Das bedeutet aber nicht, dass der Provokateur, der Verführer zur Unmoral ohne Verantwortung ist. Als daher auf die Vergeltung, der Bileam anheimfällt, angespielt wird – als er in der Schlacht von den Israeliten erschlagen wird,
Und auch Bileam, Sohn Beor, erschlugen sie mit dem Schwerte
(31, 8)

finden wir auch eine Anspielung auf seine Komplizenschaft in der Sünde, die Israel beging:
Siehe, sie waren den Kindern Israel auf den Rat Bileams zur Verleitung zum Treubruch am Ewigen wegen Peor, und es kam das Sterben über die Gemeinde des Ewigen.
(31, 16)

Haftara zu Matot: Jeremias I – II, 3