Sidra Wajikra: Die Begründung der Opfer

Paraschat HaSchawua – Der wöchentliche Toraabschnitt kommentiert von Nechama Leibowitz

Die Opfergesetze sind für uns wie ein Buch mit sieben Siegeln. Wir begreifen weder ihre grundlegende Bedeutung noch die Absicht ihrer Vorschriften und Regelungen. In der Tat mag ihr Aufhören seit der Zerstörung des Tempels unsere Gefühle für die Opfer abgestumpft haben. Wir werden versuchen, die Ansichten einiger unserer Weisen und Kommentatoren über die zugrundeliegende Bedeutung der Opfer zu verstehen.

Beginnen wir mit der grossen Kontroverse über dieses Thema zwischen Maimonides und Nachmanides. In seinem „Führer der Verirrten“ beschäftigt sich Maimonides in zwei Passagen mit der Bedeutung der Opfer.
Hier Teil III, Kapitel 32 in voller Länge:

Es ist unmöglich, plötzlich von einem Extrem zum anderen zu gehen. Die Natur des Menschen erlaubt es nicht, plötzlich etwas nicht fortzusetzen, woran er gewöhnt ist. Nun sandte Gott Moses, um aus den Israeliten ein Königreich von Priestern und ein heiliges Volk zu machen (Ex. 19, 6), und zwar mit dem Mittel der Gotteserkenntnis: „Wisse daher diesen Tag und erkenne in deinem Herzen, daß der Ewige dein Gott ist.“ Den Israeliten wurde geboten, sich Seinem Dienst zu weihen. Vergl: „Und Ihm mit deinem ganzen Herzen dienen.“ „Und Du sollst dem Herrn, deinem Gott dienen.“ Aber die allgemeine Weise der Verehrung, in der die Israeliten erzogen wurden, bestand aus Tieropfern in Tempeln, die bildliche Darstellungen enthielten. Sie verbeugten sich vor diesen Bildern und verbrannten Räucherwerk vor ihnen. Es gehörte zur Weisheit und dem Plan Gottes, wie er sich in der ganzen Schöpfung zeigt, daß er uns nicht gebot, alle diese Arten der Verehrung aufzugeben und nicht weiter auszuführen. Denn einem solchen Gebot zu gehorchen, wäre gegen die menschliche Natur, die im Allgemeinem dem Gewohnten anhängt. Es hätte damals denselben Eindruck gemacht, wie heute ein Prophet, der uns zu einem Gottesdienst riefe und uns mitteilte, wir sollten nicht zu Ihm beten, nicht fasten, nicht in Zeiten der Not Seine Hilfe suchen und wir sollten Ihm nur in Gedanken dienen und nicht durch die Tat. Daher erlaubte Gott, daß diese Rituale weitergeführt wurden. Er übernahm in Seinen Gottesdienst das, was zuerst der Verehrung der Geschöpfe, der unwirklichen Dinge der Phantasie gedient hatte, und Er befahl uns, Ihm auf diesselbe Art zu dienen: Ihm einen Tempel zu bauen (Vergl: „Und sie sollen mir machen ein Heiligtum …“), in Seinem Namen einen Altar zu errichten (Vergl: „Einen Altar von Erde sollst Du mir machen …“), Ihm zu opfern (Vergl: „So jemand von euch dem Ewigen ein Opfer darbringen will …“), vor Ihm uns zu beugen und Räucherwerk zu verbrennen. Er hat uns verboten, diese Dinge vor anderen Wesen zu tun.

Durch diesen göttlichen Plan wurde die Götzenverehrung ausgemerzt und das wahre Prinzip unseres Glaubens, die Existenz und Einheit Gottes wurden fest etabliert. Dieses Ziel wurde erreicht, ohne den Sinn der Menschen durch die Abschaffung des gewohnten und vertrauten Gottesdienstes abzuschrecken oder zu verwirren.

Indem er den revolutionären Charakter dieser Ansicht erkennt, daß der Zweck des ganzen Opferdienstes (der in der Tora eine bedeutende Stellung einnimmt) allein darin bestand, etwas Schlechtes durch einen Schubs in die richtige Richtung zu vermindern, argumentiert Maimonides in dieser Frager folgendermaßen:

Ich weiß, du wirst zuerst diese Idee zurückweisen und seltsam finden. Du wirst folgende Frage an mich in deinem Herzen formulieren: Wie können wir annehmen, daß göttliche Vorschriften, Verbote und wichtige Taten, die vollständig erklärt sind und für die bestimmte Zeiten festgelegt wurden, nicht um ihrer selbst willen geboten wurden, sondern um anderer Dinge willen, als ob sie nur die Mittel wären, die Er für sein Hauptziel verwendet? Was hielt Ihn davon ab, dieses Hauptziel uns nicht direkt zu gebieten und uns die Fähigkeit zu geben, es zu befolgen? Diese Vorschriften, die in unserer Meinung nur das Mittel und nicht das Ziel sind, wären sonst unnötig gewesen. Höre meine Antwort, die dein Herz von dieser Krankheit kurieren und dir die Wahrheit dessen zeigen wird, worauf ich hingewiesen habe.

Im Gesetz gibt es eine Passage, die genau diese Idee ausdrückt. Es ist die folgende (Ex. 13, 17): „Und es geschah, als Pharao das Volk ziehen liess, da führte sie Gott nicht den Weg in das Land der Pelischtim, der doch nahe war, denn Gott sprach: Daß nicht das Volk anderen Sinnes würde, wenn sie Krieg sehen, und zurückkehren nach Mitzrajim. Und Gott liess das Volk einen Umweg nehmen durch die Wüste des Schilfmeeres …“ Hier führte Gott das Volk umher, abseits von der Strasse, die er ursprünglich beabsichtigt hatte, da Er fürchtete, sie würden auf dem Weg auf Beschwerlichkeiten treffen, die über ihre Kräfte gingen. Er führte sie eine andere Strasse, um sein ursprüngliches Ziel zu erreichen. Auf diesselbe Weise nahm Gott davon Abstand, zu gebieten, was das Volk durch seine natürliche Veranlagung nicht befolgen konnte. Er gab ihnen die oben erwähnten Gebote als Mittel, Sein Hauptziel zu sichern: Seine Erkenntnis (unter dem Volk) zu verbreiten und sie dazu zu bringen, die Götzenverehrung zu verlassen.

Es ist der menschlichen Natur entgegengesetzt, plötzlich die verschiedenen Arten des Gottesdienstes und die verschiedenen Bräuche, in denen er erzogen wurde, und die so allgemein waren, daß sie als ganz normal betrachtet wurden, aufzugeben. Dies wäre genauso als ob jemand, der Sklavenarbeit mit Mörtel und Ziegel gewöhnt ist, plötzlich seine Arbeit unterbricht, seine Hände wäscht und sofort mit wirklichen Giganten kämpft. Es war das Resultat der göttlichen Weisheit, daß die Israeliten in die Wüste geführt wurden, bis sie Mut fassten. Denn es ist eine wohlbekannte Tatsache, daß die harten Bedingungen der Wüstenreise harte Kämpfer ausbilden, während das Gegenteil (die weichen Bedingungen) die Quelle von Furchtsamkeit ist. Ausserdem wuchs während der Wüstenwanderung eine andere Generation heran, die nicht an Degradierung und Sklaverei gewöhnt war. Die Wüstenwanderung wurde durch göttliche Gebote, die von Moses vermittelt wurden, geregelt. Vergl: „Nach dem Gebot Gottes ruhten sie und nach dem Gebot Gottes wanderten sie.“
Auf dieselbe Weise wurde der Teil der Opfergesetze in der Tora durch die göttliche Weisheit inspiriert. Den Menschen wurde erlaubt, die Art der Verehrung, an die sie gewöhnt waren, weiter zu führen, um die Wahrheit zu erreichen, was Gottes Hauptziel (seiner Gebote) ist.
Da der Opferdienst nicht das Hauptobjekt der Opfergesetze ist und Bitten, Gebete und ähnliche Arten der Verehrung dem Hauptobjekt näher sind und unentbehrlich, um es zu erlangen, wurde im Gesetz zwischen diesen beiden Arten ein grosser Unterschied gemacht. Die erste Art, das Darbringen von Opfern, ist für uns nicht im selben Ausmass verpflichtend wie früher, obwohl es im Namen Gottes dargebracht wird. Uns ist nicht geboten, überall zu opfern, oder an jedem Platz einen Tempel zu bauen oder jedem, der es möchte, zu erlauben, ein Priester zu werden und zu opfern. Im Gegenteil, all dies ist uns verboten. Nur ein Tempel wurde festgelegt, „an dem Orte, den der Ewige erwählen wird“ (Deut. 12, 26), an keinem anderen Ort ist es erlaubt, zu opfern. Vergl. Deut. 12, 13: „Hüte dich, daß du nicht darbringest deine Opfer auf jeglichem Orte.“ Nur die Mitglieder einer bestimmten Familie durften als Priester amtieren. Alle diese Beschränkungen dienten dazu, diese Art der Verehrung zu limitieren und sie innerhalb der Grenzen zu halten, wo Gott es nicht für notwendig fand, den Opferdienst überhaupt abzuschaffen. Aber Gebete und Bitten können üeberall und von jedermann gesprochen werden. Dasselbe ist der Fall mit dem Gebot der Zizit (Num. 15, 38), der Mesusa (Deut. 6,9; 11, 20), der Tefillin (Ex. 13, 9, 16) und ähnlichen Verehrungsarten.
Demgemäß rügen die Propheten oft ihre Mitmenschen für ihren Übereifer und die zu starke Konzentration auf die Opfer. Die Propheten proklamierten daher, die Opfer seien nicht wesentlich und Gott fordere sie nicht. Samuel sagte: „Hat der Ewige etwa ein solches Wohlgefallen an Brandopfern und Schlachtopfern wie am Gehorsam gegen den Befehl des Ewigen?“ (1 Sam. 15, 22). Jesaja rief aus: „Was soll mir die Menge euer Schlachtopfer, spricht der Ewige.“ (1, 11).

Für seine Ansicht findet Maimonides Unterstützung in der Tora. In der Tat stellt die Tora explizit fest, daß alle Tiere, die zu Nahrungszwecken geschlachtet wurden, vor das Stiftszelt gebracht werden musste, um als Opfer dargebracht zu werden.

„Damit die Kinder Israel ihre Schlachtopfer herbeibringen, die sie auf offenem Felde schlachten und sie bringen dem Ewigen an den Eingang des Stiftszeltes zum Priester, und diesselben opfern als Mahlopfern dem Ewigen.
(Lev. 17, 5-7)

Weitere Unterstützung findet er in den strengen und restriktiven Regeln, die Ort, Zeit und Person bestimmen, die mit dem Opferritual verbunden sind. Es wird nur im Heiligtum ausgeführt und nir von einem Priester, dem Abkömmling einer bestimmten Familie. Offensichtlich darf das Darbringen eines Opfers keine spontane Handlung sein, durch eine momentane freudige Erregung hervorgebracht und dazu angetan, in die Verehrung eines Idols zu degenerieren.

Dennoch ist Maimonides mit dieser Erklärung nicht zufrieden und erklärt bestimmte Einzelheiten des Opferdienstes. In seinem „Führer“ (Teil III, Kap. 46) stellt er fest:

… daß die Ägypter Aries verehrten und daher vom Töten von Schafen Abstand nahmen und Schafhirten gering schätzten. Vergleiche: „siehe, wir opferten das Scheusal Ägyptens vor ihren Augen, würden sie uns nicht steinigen?“ (Ex. 8, 22) und “ denn ein Greuel den Mitzrajim sind alle Schafhirten.“ (Gen. 46, 34). Die meisten Götzenverehrer weigerten sich, Vieh zu töten, da sie diese Tierart hoch schätzten. Daher schlachtet das Volk von Hodu (Indien) bis zu diesem Tag kein Vieh, sogar in jenen Ländern, in denen andere Tiere geschlachtet werden. Um diese falschen Prinzipien auszumerzen, gebietet uns die Tora, nur drei Arten zu opfern: „bringet eure Opfer dar vom Vieh, vom Rindvieh wie vom Kleinvieh“ (Lev. 1, 2). So ist die Handlung, die von den Heiden als grösstes Verbrechen betrachtet wird, das Mittel, sich Gott zu nähern und seine Verzeihung für unsere Sünden zu erhalten. So werden schlechte Grundsätze, Krankheiten der menschlichen Seele von anderen Prinzipien geheilt, die diametral entgegengesetzt sind.

Die Opfer sollen uns daher von Götzenverehrung abhalten und sie aus unserer Erinnerung ausmerzen. Nach Maimonides allgemeiner Ansicht, ist es der Zweck der Tora und ihrer Gesetze, den Menschen dazu zu bringen, sich vollständig dem Dienst Gottes zu weihen, und nur Gottes. Dies erfordert eine absolute Ablehnung des Götzendienstes und seiner Verirrungen, denn das Ziel der Tora ist es, diese Ideen aus unserem Herzen zu verbannen.

In seinem Werk über die Begründung der Mitzwot bestätigt Professor Jitzchak Heinemann, daß Maimonides von vielen missverstanden wurde, die ihm die seltsame Auszeichnung eines Vorläfers der Verwerfer aller „zeremoniellen“ Gebote verliehen. Demgemäß sei der Opferdienst von einer unzulänglichen religiösen Wahrnehmung gekennzeichnet, die mit dem Fortschritt und der Läuterung (!) der menschlichen Rasse verschwinden werde, wohingegen Maimonides ihn als Konstituierung eines Dienstes für Gott akzeptiere – wenn auch in indirekter Form.

Die folgende Passage aus Hilchot Me’ila 8, 8 klärt einige Mißverständnisse auf:

Es ist passend für den Menschen, über die Gebote der heiligen Tora nachzudenken und ihre Bedeutung im Ausmaß seiner Fähigkeiten zu erfassen. Trotzdem, ein Gesetz, wofür er keinen Grund findet und keinen Grund versteht, soll in seinen Augen nicht trivial sein. Er soll weder „durchbrechen, um hinanzusteigen zum Ewigen, daß er nicht in sie breche“ (Ex. 19, 24) noch sollten seine Gedanken bezüglich dieser Angelegenheiten profane Gedanken sein. Komm und sieh, wie streng die Tora bei Übertretungen reagiert! Stöcke, Steine, Erde und Asche können allein durch Worte geheiligt werden, sobald der Name des Herrn der Welt angerufen wird. Jeder, der sich damit wie mit einer profanen Sache beschäftigt, begeht eine Übertretung und erfordert Vergebung, selbst wenn er unfreiwillig handelte. Wieviel mehr sollte sich der Mensch davor hüten, gegen ein Gebot zu rebellieren, das der Ewige, gepriesen sei Er, für uns verfügt hat, nur weil er seinen Grund nicht versteht. Oder Worte, die nicht richtig sind, gegen den Ewigen anhäufen, oder die Gebote betrachten, als ob sie gewöhnliche Angelegenheiten wären.
Siehe, in den Schriften heißt es: „Und beobachtet all meine Satzungen und all meine Vorschriften und tuet sie“ (Lev. 20, 22). Unsere Weisen haben kommentiert, „beobachtet“ und „tuet“ beziehe sich auf „Satzungen“ ebenso wie auf „Vorschriften“. „Tuet“ ist wohlbekannt, nämlich die Satzungen ausführen. Und „beobachtet“ bedeutet, man solle sorgfältig auf sie bedacht sein und sich nicht vorstellen, sie seien weniger wichtig als die Satzungen. Nun sind „Satzungen“ Gebote, deren Grund offensichtlich ist, und die Wohltaten, die in dieser Welt durch ihre Ausführung auf uns kommen, sind wohl bekannt. Zum Beispiel das Verbot von Mord und Raub oder das Gebot, Vater und Mutter zu ehren. Die „Vorschriften: andererseits sind Gebote, deren Grund unbekannt ist. Unsere Weisen haben gesagt: Meine Vorschriften sind die Dekrete, die ich für dich verfügt habe, und es ist dir verboten, sie zu hinterfragen. Der Impuls stachelt den Menschen dazu auf, die Nichtjuden tadeln uns dafür, wie zum Beispiel für das Verbot, Schweinefleisch zu essen, das Nichtmischen von Fleisch und Milch, das Gesetz betreffend die Kuh, deren Genick gebrochen ist, die Rote Kuh oder den Sündenbock.
Wie sehr wurde König David von Häretikern und Heiden bedrückte, die die Vorschriften disputierten? Je mehr sie ihn mit falschen Fragen verfolgten, mit denen sie gemäß der Enge des menschlichen Verstandes hantierten, umso mehr wuchs seine Treue zur Tora, wie es heißt: „Die Stolzen ersinnen gegen mich Lüge, ich aber halte von Herzen deine Gebote“ (Ps. 119, 69). Dort heisst es weiter: „All deine Gebote sind Wahrheit; hilf mir wider jene, die mich mit Lüge verfolgen“ (Ps. 119, 86).
Alle Opfergesetze fallen in die Kategorie der Vorschriften. Die Weisen haben gesagt, die Welt beruhe auch auf dem Opferdienst. Denn durch die Ausführung der Vorschriften und Satzungen verdienen sich die Gerechten das Leben in der kommenden Welt. Tatsächlich stellt die Tora die Vorschriften an die erste Stelle: „Und wahret meiner Vorschriften und meiner Satzungen, die der Mensch tue, daß er lebe durch sie.“ (Lev. 18, 5)

Die Ansichten, die Maimonides in seinem „Führer“ ausdrückt, die Ablehnung immanenten Wertes des Opferdienstes, der nur eine Konzession ist, die zum gewünschten Ziel führt, fand viele Gegner. In seinem Kommentar zu Leviticus 1, 9 beschäftigt sich Nachmanides mit Maimonides, nachdem er 3, 46 seines „Führers“ zitiert (und nicht die detaillierte Exposition, die wir zitieren):

Seine Darstellungen sind widersinnig. Sie „heilen die grosse Verletzung oberflächlich“ (d.h. sie geben eine seichte Antwort auf eine schwierige Frage) und erzeugen ein empörendes Bild des Tisches des Ewigen, indem sie seinen Gebrauch auf die Besänftigung der Bösen und Albernen begrenzen. Aber die Tora sagt, daß sie ein „Feueropfer des Wohlgeruchs dem Ewigen“ sind. (Daher haben sie einen immanenten Wert und spielen nicht bloß die polemische Rolle, verzerrte Konzeptionen abzuschaffen.) Weiters kuriert dies nicht das perverse ägyptische Konzept, sondern steigert es vielmehr. Die bösen Ägypter verehrten Aries und Taurus (Widder und Stier), da sie diesen Tieren bestimmte Kräfte zuschrieben und sie daher nicht assen. Wenn sie sie Gott opferten, spendete dies höchste Ehre und Auszeichnung. Und das ist es, was sie wirklich tun. … Um gegen diese verzerrte Idee zu handeln, ist es besser, diese Tiere, die sie als verboten und abscheulich betrachten, mit Genuss zu essen. (Sie nicht auf dem Altar opfern, ihr Blut nicht darauf zu verspritzen, sondern diese für sie heiligen Tiere einfach essen, um ihre Heiligkeit und göttliche Kraft zu leugnen.)

Nachmanides argumentiert weiter: Wenn die Opfer auf einen Krieg gegen die Götzenverehrung begrenzt waren, dann hätte das früheste Opfer nach dem Beginn des Götzendienstes auftauchen müssen. Dem widerspricht jedoch die Tora:

Siehe, als Noah und seine drei Söhne aus der Arche kamen – es hab weder Chaldäer noch Ägypter auf der Welt – brachten sie Opfer dar, die Gott gefielen, wie es heißt: „Und der Ewige roch den lieblichen Geruch“ (Gen. 8, 21). Und als Ergebnis sagte er zu sich: „Nicht noch einmal will ich verfluchen fortan den Erdboden um des Menschen willen.“ Und ähnlich: „Und Hebel brachte, auch er, von den Erstlingens seiner Schafe, und zwar von den fetten; da wandte sich der Ewige zu Hebel und zu seinem Geschenke.“ (Gen. 4, 4), obwohl es zu dieser Zeit keine Spur von Götzendienst auf der Welt gab. … Vielmehr werden die Opfer folgendermassen beschrieben: „Meiner Opfergabe, meiner Speise zu meinem Feueropfer meines Wohlgeruchs sollt ihr wahren.“ (Num. 28, 2) Es ist undenkbar, daß sie keinen anderen Vorteil oder keinen Zweck haben, als die Ausmerzung des Götzendienstes bei seinen albernen Anhängern.

Nachmanides schlägt nun eine Alternativerklärung vor, die – wie wir sehen werden – die Tiefen seines Geistes nicht enthüllt:

Eine akzeptablere Begründung ist folgende: Als Gott sah, daß menschliches Verhalten sich in Gedanken, Sprache und Aktion ausdrückt, führte er ein, daß ein Mensch, der eine Sünde begangen hatte und ein Opfer darbrachte, seine Hand darauf legen sollte, um die Tat zu symbolisieren und zu bekennen. Dies war eine Erinnerung an die missbracuhte Macht der Sprache. Die Eingeweide und Nieren mussten mit dem Feuer verbrannt werden. Sie sind die Organe der Gedanken und der Lust. Ebenso die Füsse – Symbole der menschlichen Gliedmassen, die Werkzeuge, die dem Menschen bei all seinen Handlungen dienen. Das Blut sollte auf den Altar gespritzt werden – es repräsentierte sein Lebens-Blut. Damit sollte er erkennen, daß er mit seinem Körper und seiner Seele gegen Gott gesündigt hatte. Er verdiente es, daß sein Blut vergossen und sein Leib verbrannt würde. Aber Gott in seiner unendlichen Gnade nimmt dieses Substitut für Wiedergutmachung, das Blut des Opfertieres an Stelle des menschlichen, dessen Hauptorgane an Stelle der seinen, die Anteile (des Opfers, die von den Priestern gegessen wurden), um die Lehrer der Tora zu unterstützen, damit sie für ihn beten mögen. Daher wird auch das tägliche Opfer für die Massen, die ständig im Netz der Sünde gefangen sind, dargebracht. Diese Erklärung ist plausibel und appelliert an den Geist. Aber im Zusammenhang mit der (mystischen) Wahrheit, enthalten die Opfer viele versteckte Geheimnisse …

Die Worte „eine akzeptablere Erklärung“ implizieren, daß diese Ansicht der des Maimonides vorzuziehen ist, während die wahre Erklärung in den mystischen Lehren der Kabbala enthalten ist. Dies liegt jedoch jenseits unseres gegenwärtigen Wirkungskreises.

Aber wie kann die Bezugnahme der Schrift auf einen „Wohlgeruch“ mit den Ausrufen des Psalmisten „All die Opfer erfreuen dich nicht, wollte ich Brandopfer bringen, du nimmst sie nicht an“ (Ps. 51, 18) oder „Schlachtopfer und Speiseopfer forderst du nicht, aufgetan aber hast du mein Ohr. Brandopfer willst du nicht noch Opfer der Sühne“ (Ps. 40, 7) in Einklang gebracht werden? Andererseits lesen wir: „Dann werden dir rechte Opfer gefallen – Brandopfer und Ganzopfer, dann wird man Opfertiere legen auf deinen Altar“ (Ps. 51, 21).

Im Traktat Menachot 110a stellen unsere Weisen fest:

Denke nicht, Er braucht die Nahrung, denn es heisst: „Hätte ich Hunger, ich müsste es dir nicht sagen; mein ist der Erdkreis mit all seiner Fülle“ (Ps. 50, 12). Und (ebda 10-11): „Denn alles Getier im Walde ist mein, zu Tausenden mein ist das Wild meiner Berge. Ich kenne alle Vögel des Himmels; was sich regt auf den Fluren, es ist mir bekannt.“ Ich habe dir nicht befohlen, zu opfern, damit du sagen kannst: Ich gehorche seinen Wünschen, damit er meine erfüllt. (Raschi erklärt: Ich tue Gottes Willen, ihm ein Opfer darzubringen, denn er bedarf seiner. Ich besteche ihn und Er wird meine Wünsche erfüllen). Es ist nicht für meine Genugtuung, daß du opferst (Raschi: Es ist nicht meine Absicht, dir Opfer aufzuerlegen), denn es heisst: „du sollst opfern, damit du angenommen bist (li’retzonhem – durch deinen Willen, d.h. für deinen Bedarf) (Raschi: um deine Bedürfnisse zu erfüllen, d.h. um meine Gebote zu erfüllen, damit du Versöhnung erlangst).

Die Ansicht des Sefer HaChinuch über die Rolle der praktischen Mitzwot erklärt auch die Verpflichtung, Opfer darzubringen, wie sie in der menschlichen Natur und der psychologischen Beschaffenheit wurzeln. Gemäß Maimonides kann weder der biblische noch der moderne Mensch Gott „nur in Gedanken verehren, ohne die Tat.“ Diese Idee wird auch vom Sefer HaChinuch, Abschnitt Trumah – Gebot 95 über den Bau des Tempels – im Kommentar zum Sündopfer vorgeschlagen:

Wie bereits festgestellt, wird der Geist hauptsächlich durch Taten beeinflusst. Daher ist es für den Sünder nicht genug, seinen Geist zu reinigen und sich die Verpflichtung aufzuerlegen, von weitern Sünden durch das Wort Abstand zu nehmen. Zu diesem Zweck muss ein bedeutender Akt ausgeführt werden, d. h. der Sünder muss einen Bock aus seiner Herde nehmen und zum Priester im Tempel gehen, wo das Ritual des Sündopfers ausgeführt wird, wie in der Tora beschrieben. Dieser gewichtige Akt wird dem Sünder die Schwere seiner Übertretung vor Augen führen, damit sie in Zukunft vermieden wird.

Weiterführende Fragen

In seinem Sefer HaZikaron antwortet Ritba auf den Kommentar des Nachmanides:
Unser Meister (Nachmanides), sein Andenken sei gepriesen, verwirft die Erklärung zu den Opfern, wie sie im „Führer der Verirrten“ angeboten wird. Wir müssen hier seine Worte nicht wiederholen. Meiner Meinung nach veranlassten die echte (kabbalistische) Tradition bezüglich der Opfer und Maimonides‘ offensichtlich schwache Begründung den Meister (Nachmanides), ihn (Maimonides) zu kritisieren um der Heiligkeit der Tora und um Gottes heiligen Namens willen. Maimonides wählte seinen Namen und viele andere Erklärungen der Gebote aus, um sie mit einiger Bedeutung zu versehen und um die Massen mit einigen rationalen Argumenten gegen die Häretiker auszustatten. Er glaubte nicht so sehr, sie seien prinzipielle Gründe …
Mit all dem gebotenen Respekt gegenüber unserem grossen Meister (Nachmanides) und seinen göttlich inspirierten Worten, verwirrte ihn sein Eifer und hielt ihn davon ab, die Erklärung des Maimonides genau zu studieren. Meiner Meinung nach gibt es keinen Zweifel, daß Maimonides‘ Interpretationen einige Elemente enthalten, die nicht mit denen der Kabbalisten oder anderer Gelehrter übereinstimmen. Trotzdem gibt es in seiner Methode weder Irrtum noch Widerspruch, denn seine sorgfältig vorgelegten Argumente sind voll Weisheit und Logik.
Ich möchte bescheiden auf einige Ansichten hinweisen, die Nachmanides fälschlich dem Maimonides zuschreibt, indem er Argumente benutzt, die mit der Interpretationsmethode des Maimonides nichts zu tun haben. Und möge uns der Ewige auf den Pfad der Wahrheit leiten.
Unser Meister, dessen Verzeihung ich erbitte, schreibt: „das ist seine (Maimonides) langwierige Auslegung.“ Aber es scheint, daß die Länge seiner Auslegung sein Verständnis nicht erleichterte, da unser Meister (Nachmanides) daraus schloss, nach Maimonides Meinung seien die Opfer eingesetzt worden, um die Ansichten der Bösen und Albernen (die Ägypter und Chaldäer) zu verwerfen. Ich aber, mit meinem begrenzten Intellekt, leite das aus diesen Worten nicht ab. Die allgemeine Ansicht des Maimonides über die Opfer wird im dritten Teil, Kapitel 32, seines Werkes dargelegt. Das folgende ist ein Auszug (zitiert ab: „Nun sandte Gott Moses, um aus den Israeliten ein Königreich von Priestern und ein heiliges Volk zu machen …“).
Dies zeigt klar, daß nach Maimonides die Opfer beabsichtigt waren, um die irrigen Konzeptionen aus den Köpfen des eigenen Volkes zu entfernen, das sich ebenfalls dem Götzendienst hingab. Unglücklicherweise läuterten sich unsere Vorfahren nicht von diesen Greueln, auch nachdem sie ein Königreich von Priestern und ein Heiliges Volk geworden waren. Daher erklärte Moses: “ Denn ich weiss, nach meinem Tode, wenn ihr ausartet und weichet von dem Wege“ (Deut. 31, 29). So handelten sie viele Generationen hindurch bis sie über sich die Zerstreuung brachten. Das ist allgemein bekannt.
Der Kommentar des Maimonides, den Nachmanides zitiert kommt tatsächlich im „Führer“ 3, 46 vor, bezieht sich jedoch auf die besonderen Tiere, die die Tora als Opfertiere erklärt, und nicht auf die Begründung für die Opfer. Davon handelt Kapitel 32, das ich zitiert habe. Als Opfertiere wurden Ochsen, Schafe und Ziegen gewählt. Dies wird am Beginn des besagten Kapitels (46) behandelt: „Die Vorschriften für die elfte Klasse werden in der Abteilung über den Gottesdienst (Sefer Awodah) und in jener über die Opfer (Sefer haKorbanot) von Maimonides Codex („Hajad HaChasaka“) aufgezählt. Wir haben ihre Unterscheidung allgemein beschrieben. Jetzt werde ich, wie ich es verstehe, Gründe für jede einzelne Vorschrift anbieten.“
Aus dem obigen Text geht hervor, daß Maimonides die allgemeinen und besonderen Gründe der Opfer nicht in Kapitel 46, sondern vielmehr in Kapitel 32 darlegt. Es ist erstaunlich, daß dies von unserem Meister übersehen wurde. Dies geschah sicherlich wegen seiner Eifersucht, wie ich schon erwähnt habe.

(Ritba bietet noch weitere Argumente zugunsten Maimonides.)

Erkläre, worin – nach Ritbas Ansicht – liegt Nachmanides Missverständnis von Maimonides.
Wie können wir beweisen, daß Nachmanides seine Kritik auf Teil 3, Kapitel 46 des „Führers“ bezieht und Kapitel 32 vollständig ignoriert?
Welche beiden Faktoren berichten nach Ritbas Ansicht die radikale und ungerechtfertigte Kritik des Nachmanides?
„Schlachtopfer und Speiseopfer forderst du nicht, aufgetan aber hast du mein Ohr. Brandopfer willst du nicht, noch Opfer der Sühne“ (Ps. 40, 7). Radak kommentiert:
Zevach – Opfer – bezieht sich auf das Friedensopfer während Mincha – Speiseopfer – von feinem Mehl, das mit Öl gemischt wird, gekennzeichnet ist. (Siehe Lev. 3, 1 und 2, 1-16). Das Brandopfer büsst für Sünden der Unterlassung (Nichtausführung positiver Gebote). Chatat (Sünde) kennzeichnet das Sühnopfer (siehe Lev. 4, 24). Der obige Vers erklärt: „Forderst du nicht … willst du nicht.“ Ähnlich sagt Jeremias: „Denn ich habe euren Vätern, als ich sie aus dem Ägypterlande hinausführte, nichts gesagt und nichts befohlen über Brand- und Schlachtopfer“ (7, 22). Aber die Tora gebietet uns (Num. 28) täglich ein Brandopfer darzubringen! Die Antwort auf diese Frage ist, daß Gott den Kindern Israel zuerst nur gebot, auf seine Stimme zu hören, wie er in Mara sagte: „Wenn du hörst auf die Stimme des Ewigen, deines Gottes, und, was recht ist in seinen Augen, tust …“ (Ex. 15, 26)
Erst als sie zu sündigen begannen, gebot ihnen Gott die Opfer – private Opfer von jenen, die gefehlt hatten und tägliche Opfer der ganzen Gemeinde, denn es gibt immer Sünder, welche die Riten der Buße nicht kennen. Dies bewirken die gemeinsamen Opfer, wenn der Sünder bereut. Sündigte Israel nicht in der Wüste, hätte uns Gott nicht die Vorschriften für die Opfer gegeben, denn zuerst gebot er ihnen: Höret meine Stimme.“ Auch die Zehn Gebote, welche die gesamte Tora repräsentieren, erwähnen die Opfer nicht. Wer nicht sündigt, muss keine Opfer darbringen, und werden Gott denen vorgezogen, die sündigen und dafür mit Opfern büßen. Daher stellt Samuel fest: „Hat der Ewige etwa ein solches Wohlgefallen an Brandopfern und Schlachtopfern wie am Gehorsam gegen den Befehl des Ewigen? Siehe, Gehorsam ist mehr wert als Opfer, Folgsamkeit ist besser als das Fett von Widdern.“ (I Sam. 15, 26) Der zitierte Psalm enthält diesselbe Idee: „Schlachtopfer und Speiseopfer forderst du nicht, aufgetan aber hast du mein Ohr.“ D. h.: öffne es, damit ich deiner Stimme gehorchen möge.

Tendiert Radak dazu, Maimonides hinsichtlich der Bedeutung der Opfer zuzustimmen oder unterscheidet er sich von ihm?
Worauf basiert Radak seine Meinung, daß die Opfer erst eingesetzt wurden, nachdem Israel begonnen hatte, zu sündigen? Das tägliche Opfer wird in Tetzaweh erwähnt, der Parascha, die Ki Tissa vorangeht, wo die Sünde des Goldenen Kalbes erzählt wird.
Beide, Maimonides und Radak zitieren Samuels Bemerkung „Hat der Ewige …“. Was möchten sie damit beweisen?

Haftara zu Wajikra: Jesaja XLIII, 21 – XLIV, 23