Sidra Chaje Sarah: Tischgespräch des Dieners des Patriarchen

Der wöchentliche Toraabschnitt. Kommentiert von Nechama Leibowitz

Eine der Studien zu dieser Parascha beschaeftigt sich mit der Bedeutung des Charaktertestes, dem der Diener Abrahams Rebekka unterzog. Wir erfahren ihre Barmherzigkeit und Guete allen Kreaturen gegenueber. Dies zeigt sich, als sie den Kamelen Wasser gibt.

Wir wollen unsere Aufmerksamkeit jedoch auf die Taten und Worte des Dieners konzentrieren und aufzeichnen, wie bewundernswert er die Aufgabe, mit der er betraut wurde, erfuellte.

Mit ueberraschender Liebe zum Detail erzaehlt uns die Tora in Kapitel 24 (bis Vers 26) alle Unternehmungen des Dieners. Seine Erfahrungen werden in der Form eines Berichtes fuer die Familie Rebekkas in den Versen 35 bis 48 desselben Kapitels rekapituliert: das Gespraech mit Abraham, sein Gebet am Brunnen, sein Treffen mit Rebekka, ihre Reaktion, die Uebergabe des Schmucks. Diese ausfuehrliche und anscheinend ueberfluessige Wiederholung hat die Kommentare vieler unserer Weisen angeregt. Angesichts der spaerlichen Verwendung von Worten in der Tora und der Vermeidung unnoetiger Wiederholungen, ist es ueberraschend, dass wir hier nicht auf auf eine kurze Anmerkung treffen, dass der Diener allen erzaehlte, was sich ereignet hatte. Dies ist tatsaechlich der Fall nach seiner Rueckkehr nach Hause.

Und der Knecht erzaehlte dem Jitzchak alle Dinge, die er ausgerichtet hatte.

Offensichtlich hatte die Tora einen speziellen Grund, die Erfahrungen des Dieners wiederholt zu berichten. Unsere Weisen beziehen sich auf diese Ausserordentlichkeit im Midrasch (Bereschit Rabbah 60,11).

Die Geschichte / Die Wiederholung
1. Und der Ewige hatte den Abraham gesegnet mit allem. / 35. Und der Ewige hat meinen Herrn sehr gesegnet, dass er gross geworden, und hat ihm gegeben Schafe und Rinder und Silber und Gold und Knechte und Maegde und Kamele und Esel.
3. Und ich werde dich schwoeren lassen beim Ewigen, Gott des Himmels und Gott der Erde. / 37. Und mein Herr liess mich schwoeren also:
3. dass du nicht nehmest ein Weib fuer meinen Sohn von den Toechtern des Kenaaniters, in dessen Mitte ich wohne. / 37. Du sollst kein nehmen fuer meinen Sohn, von den Toechtern des Kenaaniters, in dessen Lande ich wohne.
4. Sondern in mein land und nach meinem Geburtsorte sollst du gehen und ein Weib nehmen fuer meinen Sohn, fuer Jitzchak. / 38. So du nicht in das Haus meines Vaters gehest.
5. Vielleicht willigt das Weib nicht, mir zu folgen in dieses Land; soll ich dann deinen Sohn zurueckfuehren in das Land, aus welchem du gezogen bist? / 39. Vielleicht wird mir das Weib nicht folgen.
7. Der Ewige, der Gott des Himmels, der mich genommen aus dem Hause meines Vaters und aus dem Lande meiner Geburt, und der mir zugesagt und mir geschworen hat … / 40. Der Ewige, vor dem ich gewandelt bin,
7. Er wird seinen Engel senden vor dir her, dass du ein Weib nehmest fuer meinen Sohn von dort. / 40. wird seinen Engel senden mit dir und wird deinen Weg gelingen lassen, dass du nehmest ein Weib fuer meinen Sohn von meinem Geschlechte und aus dem Haus meines Vaters.
8. Nur fuehre nicht meinen Sohn dorthin zurueck. – – – – – –
12. Ewiger, Gott meines Herrn Abraham, fuege es doch vor mir heute, und erweise Huld meinem Herrn Abraham. / 42. Ewiger, Gott meines Herrn Abraham, wenn du doch willst gelingen lassen meinen Weg, auf dem ich ziehe.
14. Und es sei, das Maedchen, zu der ich sagen werde: Neige doch deinen Krug, dass ich trinke! und sie wird sagen: Trinke, und auch deine Kamele will ich traenken; fdiese habest du bestimmt deinem Knechte, dem Jitzchak, und an ihr werd‘ ich erkennen, dass du Huld erwiesen meinem Herrn. / 44. Und sie wird zu mir sagen: Sowohl du trinke, als auch deinen Kamelen will ich schoepfen; dies sei das Weib, das der Ewige bestimmt hat dem Sohne meines Herrn.
15. Und es geschah, er hatte noch nicht aufgehoert zu reden. / 45. Ich hatte noch nicht aufgehoert zu reden mit meinem Herzen.
17. Lass mich doch schluerfen ein wenig Wasser aus deinem Kruge. / 45. Gib mir doch zu trinken!
18. Und sie sprach: Trinke mein Herr. Und eilends liess sie herunter ihren Krug auf ihre Hand und gab ihm zu trinken. / 46. Da liess sie eilends hernieder ihren Krug von ihrer Schulter und sprach: Trinke
19. Und als sie ihm genug zu trinken gegeben, sprach sie: Auch fuer deine Kamele will ich schoepfen, bis dass sie genug getrunken haben. / 46. und auch deine Kamele will ich traenken;
20. Und eilends goss sie ihren Krug in die Traenkrinnen und lief noch einmal an den Born zu schoepfen, und schoepfte fuer all seine Kamele. / 46. und ich trank und auch die Kamele traenkte sie.
22. Und es geschah, als die Kamele genug getrunken hatten, da nahm der Mann einen goldenen Nasenring, ein Beka an Gewicht, und zwei Armbaender, zehn Goldstuecke an Gewicht. / 47. Da tat ich den Ring an ihre Nase und die Baender an ihre Arme.
23. Und sprach: Wessen Tochter bist du? sage mir’s doch. Ist wohl im Hause deines Vaters Platz und zu beherbergen. Und sie sprach: Die Tochter Betuels bin ich, des Sohnes Milkahs, den sie geboren dem Nachor. / 47. Und ich fragte sie und sprach: Wessen Tochter bist du? und sie sprach: Die Tochter Betuels, Sohnes Nachors, den ihm geboren hatte Milkah.

Da neigte sich der Mann und bueckte sich vor dem Ewigen. Und sprach: Gepriesen sei der Ewige, Gott meines Herrn Abraham, der nicht fahren laesst seine Huld und seine Treue gegen seinen Herrn; mich hat der Ewige auf diesem Wege gefuehrt in das Haus der Brueder meines Herrn. / Und neigte mich und bueckte mich vor dem Ewigen, den Gott meines Herrn Abraham, der mich geleitet auf den rechten Weg, zu nehmen die Tochter des Bruders meines Herrn fuer seinen Sohn.

Seit den Zeiten des Talmud, ueber die grossen mittelalterlichen Exegeten Raschi und Ramban, bis zum Malbim und dem „Netziv“ in „HaAmek Dawar“ beschaeftigten sich unsere klassischen Kommentatoren mit der Bedeutung der kleinen und grossen Unterschiede zwischen diesen beiden Berichten. Zu Beginn seines Berichtes an Rebekkas Familie betont der Diener Details, um Abrahams Reichtum zu betonen. Die Beschoenigung des religioesen Unterschiedes zwischen Abraham und seiner Familie in Haran reflektiert in der Auslassung der Phrase „…beim Ewigen, dem Gott des Himmels und Gott der Erde“, die in Labans Kreisen unangebracht gewesen waere (Vers 3 und 37). Wir bemerken die Betonung von Abrahams Anweisung, fuer seinen Sohn eine Frau aus den Mitgliedern seines „Vaterhauses“ zu waehlen. Dieses Gefuehl wurde von Abraham ueberhaupt nicht ausgesprochen (Verse 4 und 37; 7 und 40). In seinem Bericht erwaehnt der Diener auch nicht, dass er Abraham vorgeschlagen hatte, Jitzchak zum Haus des Maedchens zu bringen (Verse 39 und 5). Schliesslich wird fuer zwei Handlungen die Reihenfolge geaendert: Die Frage nach dem Namen des Maedchens und die Uebergabe der Geschenke. Raschi bezieht sich auf diese Aenderung in seinem Kommentar zu Vers 47:

„Und ich fragte sie und ich tat“ – In Wirklichkeit gab er zuerst die Geschenke und danach fragte er. Er aenderte die Reihenfolge, damit sie ihn nicht ertappen und sagen: Wie konntest du ihr geben, bevor du wusstest, wer sie war?

Isaak Arama geht in seinem Werk „Akedat Jitzchak“ mehr ins Detail:

Zuerst hatte der Diener betont, dass er in einer besonderen Mission zu Abrahams Familie kam, da er sie vor allen anderen fuer seinen Sohn ausersehen hatte. Sagte er, dass er den Ring uebergab sogar noch bevor er wusste, zu welcher Familie sie gehoerte, widerspraeche dies seiner frueheren Behauptung, denn ein Mann gibt seine Kostbarkeiten nicht ohne Zweck her. Vermutlich, da er sie irgendeiner Frau gab, muessen sie als Hochzeitsgeschenke ueberreicht worden sein. Darauf bezog sich Raschi, als er feststellte, dass Eliezer fuerchtete, sie koennten ihn ertappen.

Die hier zitierten Variationen und viele andere enthuellen die wunderbare Urteilsfaehigkeit, Diskretion und Ergebenheit von Abrahams Diener bei der Ausfuehrung seiner Mission bis zum erfolgreichen Ende. Fuer seinen Erfolg gibt es keinen besseren Beweis als die Worte seiner Zuhoerer, nachdem sie seine ueberzeugende Rede vernommen haben:

Vom Ewigen ist die Sache ausgegangen; wir koennen zu Dir nichts sagen, weder Boeses noch Gutes.
Siehe, Rebekka ist vor dir, nimm sie und gehe und sie sei ein Weib dem Sohne deines Herrn, so wie der Ewige geredet.

Bezoege sich die Tora nur in einem kurzen Satz auf die Erzaehlung des Dieners ueber alle seine Erlebnisse, haetten wir keine Informationen ueber die hingebungsvollen und tuechtigen Massnahmen, die er ausfuehrte, um die Verfuegungen seines Herrn zu erfuellen. Darauf bezogen sich unsere Weisen wenn sie sagten: das Tischgespraech der Diener im Patriarchenhaushalt ist bemerkenswerter …“

Weiterfuehrende Fragen:

1. Eliezer berichtete die Ereignisse, wie sie sich ereigneten. Aber wir koennen den Grund fuer die Zusaetze und Auslassungen in seinem Bericht nicht erklaeren; denn sie sind Legion. Er erzaehlt ihnen alles, was sein Herr mit ihm besprach, seine Abmachungen mit Rebekka und dass Gott die Dinge in Voraussicht arrangierte, so wie es Abraham versprochen hatte. Er betont diesen Punkt, um ihnen klar zu machen, dass es keine Alternative fuer sie gab. Sie konnten ein Maedchen nicht davon abhalten, das Heiratsangebot zu akzeptieren, denn Gott hatte die Sache beschlossen. Die Wiederholung bedient sich einer Variante in der Wortwahl, aber der Sinn bleibt gleich. Dies ist in der indirekten Rede unvermeidbar – sie erhaelt den Sinn, jedoch nicht die exakte Formulierung. (Der letzte Satz ist ein Zitat von Ibn Ezra, der dies insitierend wiederholt.
(Radak ueber 24,39)
a) Wie unterscheiden sich die Annaeherungen Radaks und Ibn Ezras von denen der Kommentatoren, denen wir folgten?
b) Erstelle eine Liste der Fuer und Wider beider Annaeherungen.
2. „Der Ewige, der Gott des Himmels, der mich genommen aus dem Hause meines Vaters und aus dem Lande meiner Geburt…“(24,7)
Aber er sagte nicht „der Gott der Erde.“ Denn oben hiess es: „Und ich werde dich schwoeren lassen beim Ewigen, Gott des Himmels und Gott der Erde.“ Abraham meinte: Jetzt ist er der Gott des Himmels und der Gott der Erde, denn ich habe die Menschen daran gewoehnt, von ihm zu sprechen. Aber, als er mich aus dem Hause meines Vaters nahm, war er der Gott des Himmels und nicht der Gott der Erde, denn die Menschen dieser Welt anerkannten ihn nicht, und sein Name war auf Erden nicht vertraut.
(Raschi)
„Der Gott des Himmels und der Gott der Erde.“ Die Tatsache, dass der Text danach nicht nur sagt „der Gott des Himmels“ praesentiert keine Schwierigkeit. Denn – wie ich Euch bereits darlegte – Erklaerung ist ein Akt der Gnade und ihre Vermeidung ist kein Verbrechen.
(Ibn Kaspi: Mischneh Kesef)
a) Was meint Ibn Kaspi mit „Erklaerung ist ein Akt der Gnade und ihre Vermeidung ist kein Verbrechen?“
b) Welchen grundsaetzlichen Unterschied gibt es zwischen den beiden Interpretationsmethoden, die hier von den beiden Kommentatoren vertreten werden.
c) Vergleiche die Worte Malki-Zedeks (14, 19-22) und jene Abrahams. Welcher der beiden Kommentatoren findet in diesen Versen Unterstuetzung fuer seine Annaeherung?
3) „Akedat Jitzchak“ fragt nach dem grund fuer die vier Wiederholungen in Eliezers Geschichte: „Sicher haette er sich kuerzer fassen koennen?“
a) Auf welche vier Wiederholungen bezieht er sich?
b) Gib Beispiele fuer Stellen, wo sich der Text „kurz fasst.“
c) Versuche seine Frage zu beantworten, warum die Tora nicht einfach feststellt:
„Dann erzaehlte der Diener dem Betuel und dem Laban alles, was er getan hatte“, wie wir es am Ende des Kapitels vorfinden, als er zu Jitzchak zurueckkehrt.
4) Warum fasst sich die Tora in Vers 66 kurz? „Und der Knecht erzaehlte dem Jitzchak alle Dinge, die er ausgerichtet hatte.“, statt die ganze Geschichte hier zu erzaehlen und nicht vorher, in den Versen 35 bis 48?

Haftara zur Parascha Chaje Sarah: I Koenige, 1-31.