Von Rabbi Arthur Waskow
Es präsentiert sich dem modernen Leser wie ein Kochbuch: die Parascha Sch’mini (Lev. 9:1-4) beginnt mit der Forderung, dass wir Ochsen – und Schafsfleisch sowie Pfannkuchen zum heiligen Altar im transzendenten Moment seiner Weihung bringen sollen, sie endet damit (Lev. 11), uns zu versichern, dass wir an jedem gewöhnlichen Tag weder Wale, Haie, Kamele noch Meerefrüchte essen dürfen. Selbst in unserem alltäglichen Leben bleibt einiges an Nahrung heilig.
Und zwischen diesen beiden Feiern zur Heiligung der Nahrung werden wir Zeugen des Sterbens von denjenigen, die „fremdes Feuer“ dem Heiligen dargebracht hatten (Lev 10:1-3).
Wie kamen die biblischen Israeliten in Kontakt mit G’tt? Durch das Essen und durch die Wahl der Speisen. Nicht durch murmelndes Gebet, als Channah dies tat (1 Samuel 1:13) dachte der Priester Eli, dass sie betrunken war.
Warum durch essen? – Weil es die tiefsten Wurzeln im jüdischen Leben berührt, denn die heiligste Beziehung war die Beziehung zur Erde. Für die Schäfer, die Bauern und Obstbauern war die Nahrung die Verbindung zwischen adamah, der Erde, und ihrem nächsten Verwandten – adam, dem Menschen.
Juden der Antike kamen in Kontakt mit G’tt indem sie Speisen zum Tempel brachten. Mit unseren Körpern versicherten wir feierlich:
„Diese Nahrung kommt von einer Ganzheit, deren wir selbst ein Teil sind: der Erde, des Regens, der Sonne, der Samen und der Arbeit unserer eigenen Hände. Sie kommt von der Einheit des Lebens, und wir geben dieser Einheit einen Teil davon zurück.“
In unseren irdischsten Momenten, versichern wir durch die Regeln der Kaschrut, dass dasjenige, was wir an Nahrung und die Form, in der wir es zu uns nehmen, heilig ist. Und in unseren wildesten dichterischen Fantasien über die Geschichte der Menschheit stellten wir Katastrophen in Beziehung zu Fehlern im Umgang mit Nahrung her, Fehler, die eine Erde heraufbeschworen, die als Resultat dessen nur noch Disteln und Dornen hervorbringen würde, die wir ihr im Schweisse unseres Angesichtes abringen müssten.
Mit dem Moment, in dem sich die Geschichte für uns wendete, lernten wir zu ruhen.
Wir lernten Schabbat. Wir lernten dies nicht vom Donnergetöse am Sinai, sondern durch das Essen, vom Manna, der süssen und fliessenden, nicht endenden Muttermilch von El Schaddai, dem G’tt der Brüste, dem Alles-Nährenden.
Heute haben die meisten von uns das nahe-bringen von heiliger Nahrung abgelegt, die heilige Wahl, gewisse Speisen nicht zu essen, und die heilige Unterbrechung, so dass wir ein siebtel der Zeit keine Nahrungsmittel anbauen. Wir glauben, eine Pause zu machen, wäre Verschwendung, und die Zeit könnte sinnvoller genutzt werden, um zu erfinden, zu erschaffen, zu arbeiten und hervorzubringen.
In den letzten hundert Jahren hat die Menschheit allerdings die grossartigste Tat vollbracht in seiner gesamten Geschichte: sie hat den Planeten in Mitleidenschaft gezogen – seine Bioligie und seine Chemie – in einer Art und Weise, wie es vorher noch nie geschehen ist. Und wir haben den Holocaust „erfunden“, die H-Bombe und die globale Erwärmung eingeführt.
Fremde Feuer alle miteinander.
Feuer, mit denen Einzelne nun Billionen auf einmal töten und Tausende von Arten vernichten können.
Was können wir aus einem erneuernden Lesen der alten Texte lernen?
Für Schäfer und Bauern war Nahrung, was sie aus der Erde zum Verzehr hervorbrachten. Für uns ist Nahrung auch Kohle, Öl, Elektrizität, Papier und Plastik, ebenso der Erde entnommen. Für Schäfer und Bauern war die Kaschrut eine Weg, ihre Nahrungsaufnahme zur Heiligung zu führen.
Für uns sollte eine „Öko-Kaschrut“ dasselbe bedeuten.
Wir sollten fragen: Ist es okö-koscher, Gemüse und Früchte zu essen, die angabaut wurden, indem der Ackerboden mit Insektiziden getränkt wurde?
Ist es öko-koscher, den Wein für den Kiddusch am Schabbat aus nicht recyclebaren Plastikbecher zu trinken? Ist es öko-koscher, hundertprozentig unrecyclebares Papier in unseren zu benutzen, um unsere Gemeindenachrichten darauf zu drucken oder es in unseren Haushalten und Synagogen zu verwenden?
Könnte es eine Möglichkeit zu mehr Öko-Kaschrut sein, indem wir den Verbrauch von Recyclepapier heute 10%, in zwei Jahren 30% und in fünf Jahren 80% erhöhen?
Ist es öko-koscher, grosse Wälder der Zerstörung anheim fallen zu lassen, unsere Häuser, Synagogen und Pflegeheime zu isolieren, und so immer mehr abhängig von Autos zu werden – so dass wir trunken Kohlendioxid in die Atmossphäre blasen, die die Erwärmung unseres Globus beschleunigen?
Fremde Feuer, in der Tat!
Wir können ein Feuer entfachen, welches die Erde zerstören wird.
Aber wir können auch aus unserem Leben einen heiligen Altar machen – und den g‘ttlichen Funken entfachen, der in jedem Menschen und in jedem Lebewesen schlummert.
Rabbi Arthur Waskow ist Direktor der Shalom Center und Autor der Bücher „Down-to-Earth-Judaim“ und Godwrestling – Round 2“.