In den letzten Jahren gibt es immer mehr christliche Gemeinden oder Gruppen, die „Pessach-Feiern“ veranstalten. Auch im Religionsunterricht greift diese Praxis um sich. Dabei wird mit dem „erlebnis- und handlungsorientierten Konzept“ argumentiert. Es besagt, dass ein umfassenderes Verstehen und Begreifen durch Tun möglich ist als dies durch kognitive Konzepte allein möglich wäre. Innerchristlich ist dieser Ansatz im Hinblick auf Pessach und andere jüdische Feste umstritten. Kirchenrat Dr. Hans Maaß, der während seiner Amtszeit für die Ausbildung von Religionslehrern verantwortlich war und immer noch sehr engagiert im christlich-jüdischen Dialog ist, hat mit dem Erzieherausschuss der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit in Karlsruhe eine Handreichung erarbeitet:
Pessach im christlichen Religionsunterricht
1. Was eine Klasse lernen sollte
– Pessach wird von Juden heute noch Jahr für Jahr gefeiert.
– Es ist nach Umfang und Stimmung zusammen mit dem Laubhüttenfest (Sukkost) das am längsten dauernde und fröhlichste Fest.
– Das Pessachfest ist mit dem Fest der ungesäuerten Brote (Mazzot, Mazzen) verbunden (= kurz nach dem Anrühren von Wasser und Mehl ohne weitere Zutaten gebackene, dünne Scheiben – im Aussehen ähnlich wie Knäckebrot, jedoch ohne Salz und Triebmittel).
– Pessach erinnert nicht nur an ein längst vergangenes Ereignis (ca. 3300 Jahre), sondern es bezieht die Feiernden in dieses Ereignis ein und ist bezogen auf die künftige Erlösung in der messianischen Zeit.
– Pessach ist ein Familienfest, weil es von Anfang an in Familien entstanden ist (Ex 12,3 f.); die Gestaltung ist daher ausdrücklich auf Kinder bezogen.
– Der Abend zur Eröffnung des Festes heißt „Sederabend“, weil er nach einer ganz bestimmten Ordnung (=Seder) abläuft. Dazu hat die Tischgemeinschaft dieser Sedermahlzeit, zumindest der leitende Hausvater ein Büchlein in der Hand, das die Pessach-Erzählung (=Haggada) und anderes in der richtigen Reihenfolge (Ordnung, Seder) enthält.
– Wichtig ist das Warten auf Elia als Vorboten des Messias und die Vergewisserung „nächstes Jahr in Jerusalem“.
– Wichtig ist neben dem Singen von Psalmen vor allem für Kinder eine Reihe von Liedern volkstümlichen Charakters (z.B. das Lämmchen; eins, wer weiß es? Dajenu).
– Das Fest erfordert Vorbereitungen, weil es mit dem Mazzen-Fest (ungesäuerte Brote) verbunden ist. Deshalb muß vorher alles aus dem Haus entfernt werden, was mit Sauerteig, Hefe oder vergorenem Getreide zu tun hat. Dazu gehört auch ein gründlicher Hausputz.
– Für das Essen in der Pessach-Woche gibt es besonderes Geschirr, das nur bei diesem Fest benutzt wird.
2. Teile der Pessach-Feier, die Kinder besonders ansprechen
– Der Vater hat die Pflicht, sich von der Gründlichkeit der Entfernung alles Sauerteigs Tag vor dem Sederabend zu überzeugen; zu diesem Zweck wird absichtlich ein Stück normales Brot versteckt, das er zur Freude der Kinder finden muss, um nachzuweisen, dass er gründlich überprüft hat.
– Die Feier enthält für Kinder unterhaltsame Elemente, damit sie den langen Abend durchhalten. So wird beispielsweise zu Beginn ein Teil einer Mazza (Afikoman) beiseite gelegt und vor den Kindern versteckt. Diese entdecken es und verstecken es anderswo, bis es der Vater gegen kleine Geschenke auslöst.
– Im Mittelpunkt stehen die Kinder (vor alem das jüngste) durch die Fragen, worin und warum sich diese Nacht und die Mahlzeit von allen anderen unterscheidet („ma nischtana“).
– Die Lieder gegen Ende der Feier werden schon von kleinen Kindern besonders gern gesungen. Sie machen wie viele andere Elemente die bedeutende Rolle der Kinder bei dieser Feier und in der Gemeinschaft deutlich und stellen so die Weitergabe von Generation zu Generation sicher.
3. Was man den Kindern zeigen und erklären kann
– Eine Haggada (oder mehrere Haggadot), die meist bebildert sind, oft sogar farbig (in den religionspädagogischen Medienstellen sicher vorhanden oder dringend zu beschaffen!).
– Einen Seder-Teller mit den Beschriftungen für die symbolischen Speisen (Mazza, gerösteter Knochen statt Pessachlamm, Bitterkraut – Maror = Sellerie oder Petersilie -, Charoset – geriebene Äpfel, Mandelsplitter, Zimt und Wein = Lehm und Stroh -, Ei – Vergänglichkeit -, Salzwasser – Tränen).
– Abbildungen von Feiern, Video-Film usw. betrachten und besprechen.
– Den Ablauf des Sedermahls nach der Haggada und / oder zutreffenden Beschreibungen (am besten jüdischen, damit sich keine ungewollten Fehler einschleichen) erklären; einzelne Texte daraus vorlesen:
– Bemerkenswert ist etwa die Aufzählung von vier typischen Einstellungen zu diesem Fest in Gestalt von vier Söhnen; darin wird vor allem die distanzierte (auch historisierende) Frage getadelt: Was bedeutet dies euch, als ginge es den Fragenden selbst nichts an. Der Einfältige kommt dagegen zu seinem Recht.
– Wichtig für das Verständnis des Festes (wenn auch nicht unbedingt für die Art der Feier) sind die verschiedenen Deutungen des Festes durch berühmte Gelehrte früherer Zeit.
4. Was Kinder tun können
– Mazza (aus dem Kaufhaus) essen (Hinweis, dass diese zwar nach Aussehen und Geschmack den richtigen Mazzen gleichen, nicht aber den rituellen Vorschriften für Pessach entsprechen, da nicht vorschriftsmäßig und unter Aufsicht durch einen Rabbiner hergestellt). Lerneffekt: Geschmack, nicht Feier.
– Charoset herstellen und versuchen. Lerneffekt: Tun und Geschmack.
– Pessach-Lieder lernen und singen. Lerneffekt: Freude.
– Die biblische Entstehungssituation spielen. Lerneffekt Vorstellungsvermögen.
5. Was eine Klasse vermeiden sollte
– Ein Seder-Mahl oder etwas ähnliches feiern. Dies gebietet der Respekt vor dem Glauben anderer (es wäre so, als ob eine muslimische Klasse eine Abendmahlsfeier „spielen“ würde!).
– Das „ma nischtana“ („Was unterscheidet…“) gesungen oder gesprochen in das Zeigen der Speisen einbauen.
Solche Rücksichtnahmen entsprechen religiösem Taktgefühl und dürfen nicht vordergründigen handlungsorientierten Unterrichts-Zielen geopfert werden, da sonst der Zweck der Beschäftigung mit dem Judentum verfehlt würde.