Nach Gaalyahu Cornfelds „haMikra baOlam“
1. Von den Anfängen bis zum Reich der Meder
a) Anfänge
Die ersten schriftlichen Berichte über die Völkerschaften des Hochlandes von Iran datieren erst aus dem 9. Jhdt. v. Chr. Aus anderen Zeugnissen geht jedoch eindeutig hervor, dass die Besiedlung des Gebietes zwischen dem Tigris und dem Tal des Indus in prähistorischer Zeit, und zwar schon im 5. und 4. Jahrtausend v. Chr. begonnen hatte. Im 2. Jahrtausend v. Chr. lebten im Hochland von Iran iranische (indo-europäische) Nomaden, und zwar handelte es sich um einen südlichen Zweig dieser Völkergruppe, die aus den Steppen südlich und östlich der Kaspischen See in das Land gekommen waren. Die Perser waren nicht das erste Volk, das im Hochland von Iran ein regelrechtes Reich (beziehungsweise eine eigene Kultur) geschaffen hatte. Vor ihnen lebten dort schon die Meder, ein Volk, das mit ihnen ethnisch und kulturell verwandt war.
Das Land der Meder umschloss den Nordwesten des Hochlands von Iran westlich der Kaspischen See und südlich des Zagrosgebirges (das heutige Aserbeidschan und Teile des persischen Kurdistan; s. Karte). Dies Gebiet gehörte zum Territorium eines alten westasiatischen Reiches, von dessen Geschichte aber nur sehr wenig bekannt ist. Man weiß lediglich, dass während der Regierungszeit Salmanassars III. (859-824 v. Chr.), dessen Truppen über das Land herfielen, die Meder bereits hier aufgetaucht waren. Salmanassar hatte es auf Tribut und vor allem die Vollblutpferde abgesehen, für die die Ebene nordöstlich von Assyrien berühmt war. Spätere assyrische Könige folgten Salmanassars Beispiel. Schamschi-Adad V. (824-811 v. Chr.) fegte über 1200 Städte und Ortschaften der Meder hinweg und legte dem Land schwere Tribute auf; seine Nachfolger trieben es nicht viel besser. Asarhaddon (681-669 v. Chr.) zwang seine medischen Vasallen, in einem Vertrag (s. die Keilschrifttafeln Abb. 659 aus dem Jahre 672 v. Chr.) die Thronfolge seiner Söhne in Assyrien und Babylon zu unterstützen (s. ‚Assyrien und Israel 6; »Gesetze Israels 2f). Als die assyrische Großmacht in der zweiten Hälfte des 7. Jhdts. v. Chr. allmählich zerbrach, erhoben sich die Meder wider sie.
Mit der Gründung eines unabhängigen Königreiches schüttelten sie die Oberherrschaft Assyriens endgültig ab.
b) Das Königreich der Meder
Es gelang den Medern, sich unter der Führung eines einzigen Herrschers zu einer Nation zusammenzuschließen. Herodot berichtet, die neue Dynastie habe sich gerühmt, von Dejokes, dem Gründer von Ekbatana (der Hauptstadt Mediens), abzustammen. Unter dem ersten König dieser Dynastie sagte sich Medien von der assyrischen Oberherrschaft los. Der nächste König, Phraortes, konnte sich die Perser, die damals südlich und östlich von Medien ansässig waren, unterwerfen. So entstand eine neue politische Kraft, die sich schließlich unter ihrem dritten König Kyaxares I. im Verein mit Babylon gegen die Assyrer wandte und im Jahre 612 v. Chr. Ninive zerstörte.
Mit der Zerstörung ihrer Hauptstadt war jedoch nicht zugleich die assyrische Kultur untergegangen. Ihr Einfluß machte sich in Medien, Persien, Elam (s. Elam und Israel) und anderen Grenzgebieten des ehemaligen Großreiches Assyrien geltend. Assyrien hatte längst aufgehört, im Vorderen Orient politisch noch eine Rolle zu spielen, seine Kultur lebte jedoch in Ekbatana und einer Reihe anderer medischer Städte fort.
Nach dem Fall Ninives übernahmen die Babylonier die Kontrolle über das Tiefland von Mesopotamien, während sich die Meder im Hochland nördlich von Assyrien verschanzten. Ihr Einflussbereich erstreckte sich im Westen bis nach Kappadokien in Kleinasien. Kyaxares‘ Königreich grenzte im Norden an Nebukadnezars Großreich Babylon (604-562 v. Chr.). Die Beziehungen zwischen beiden Mächten blieben friedlich, und als es zum Zusammenstoß zwischen den Medern und Lydiern in Kleinasien kam (590-585 v. Chr.), riefen jene die Babylonier als Mittler an. Der Halys wurde als Grenze festgelegt und der Friedensschluss durch die Heirat des Sohnes Kyaxares‘ mit einer Tochter des lydischen Königs besiegelt. Die Macht der Meder – oder zumindest ihr Ruf – reichte so weit, dass die exilierten Juden zuversichtlich hofften, Medien würde Babylon zerschmettern (Jes. 13,17; 21,2; Jer 51,11. 28).
2. Das Reich der Perser
a) Der Aufstieg Persiens
In assyrischen Quellen aus dem 9. Jhdt. v. Chr. wird das Land Parsua erwähnt. Dieses lag offensichtlich südlich von Armenien, und obwohl manche Gelehrte glauben, es sei das Stammland der Perser gewesen, gibt es doch keinen überzeugenden Beweis für die Richtigkeit dieser Annahme. Die früheste eindeutige Erwähnung Persiens, das heißt des Landes östlich und südlich von Elam, taucht in den Annalen Assurbanipals (Mitte des 7. Jhdts. v. Chr.) auf, wo es heißt, er habe Tribut von Kurasch, dem König von Parsumasch – gemeint ist Kyros I., ein Vorfahr Kyros‘ II., des Großen, empfangen.
Von ihren eigenen Problemen in Anspruch genommen und aus Furcht vor Assyrien hielten sich die Perser vom politischen Geschehen in Westasien fern, in der Mitte des 6. Jhdts. v. Chr. begannen sie jedoch eine wichtigere Rolle in der Geschichte zu spielen.
b) Achämenidenfürsten
Zu Beginn des 7. Jhdts. v. Chr. tauchte östlich von Elam (s. Elam und Israel) eine neue Dynastie persischer Fürsten auf, die sich nach ihrem ersten Fürsten Achaimenes benannte. Nach der späteren Überlieferung folgte auf Achaimenes dessen Sohn Teispes, der die aus Keilschriftdokumenten des 3. und 2. Jhdts. v. Chr. gut bekannte Provinz Anschan (südöstlich von Susa) eroberte. Teispes wurde vom Mederkönig Phraortes unterworfen, konnte aber später die Kontrolle über die Persien genannte Landschaft erlangen. Auf Teispes folgten Kyros I. und Kambyses I.; Persien blieb jedoch weiterhin ein Vasall Mediens.
3. Kyros II. und das persische Weltreich
a) Revolte Kyros‘ II.
Kyros II. (559-530 v.Chr.) festigte zunächst seine Stellung in Persien, dann erhob er sich gegen die Vorherrschaft Mediens. Im Jahre 551 v.Chr. stürzte er Astyages, den letzten Mederkönig. Er eroberte Ekbatana, die medische Hauptstadt, brachte die Meder völlig unter seine Kontrolle und machte sich zum »König der Meder«. Mit diesem Akt begründete er eine Konförderation von Persern und Medern in seinem Reich.
Persische und medische Bräuche und Gesetze wurden miteinander verschmolzen (vgl. Dan 6,8.15), die Perser übernahmen die Kultur der Meder, deren Religion, militärische und politische Organisation, Waffentypen sowie deren Kleidung und Sitten. Im neugeschaffenen Reich saßen viele Meder auf verantwortungsvollem Posten, und Ekbatana sowie Susa (Schuschan) in Elam wurden die Hauptstädte des neuen persisch-medischen Reiches.
b) Ausbau des Reiches durch Siege über Lydien und Babylon
Kyros war es gelungen, sein Reich zu einer Weltmacht zu machen. Er wandte sich nun gegen Kroisos von Lydien, dem Amasis von Ägypten und möglicherweise auch Nabonid (oder dessen Regent Belsazar) von Babylon zu Hilfe kamen. Im Jahre 547 v. Chr. besiegte Kyros den Kroisos und nahm dessen reiche Stadt Sardes (Sepharad bei Obadja, V. 20) ein.
Schließlich zog Kyros im Jahre 539 v. Chr. gegen Babylon zu Felde. Am 29. Oktober eroberte sein General Gubaru (Gobyras) Babylon, und Kyros konnte im Triumph in die Stadt einziehen (vgl. Dan 5,28ff).
Mit diesem Sieg wurde Persien die führende Macht im Vorderen Orient. Kyros unternahm noch eine Reihe von Feldzügen und festigte durch sie Persiens Stellung in Westasien. Einer der Titel, die er sich selbst gab, lautete »König von Babylon und König der Länder«.
c) Kyros‘ Religionspolitik
(1) Der Herold des Gottes Marduk
Als Kyros in Babylon, das ohne Blutvergießen kapituliert hatte, einzog, wurde er von den Priestern der heiligen Stätten Babylons wärmstens begrüßt. Er bestätigte erneut die Privilegien, die ihnen in den Tagen Nabonids, des letzten Königs von Babylon (s. Babylon und Israel), entzogen worden waren, und machte der unpopulären Politik dieses Königs ein Ende. Einer Inschrift auf einem Zylinder zufolge nannte sich Kyros der Herold des Gottes Marduk, eine Bezeichnung, die damals als feste Formel in Gebrauch war. Er ließ die von Nabonid nach Babylon gebrachten Götterbilder wieder in den Tempeln der besiegten Völkerschaften aufstellen und bat diese um Fürbitte für ihn bei ihren nationalen Gottheiten Marduk und Nabu.
(2) Befreiung der Juden
In seinem Aufruf an die jüdischen Exilanten in Babylon (Esr 1,1-4) erscheint Kyros als Herold »des Gottes, der in Jerusalem wohnt« (V. 3) und gewährt ihnen, »das Haus des Herrn« wiederaufzubauen. Dieser Aufruf steht in Einklang mit seiner Politik einer religiösen Wiedergutmachung, wie er sie auch Babylon und anderen eroberten Ländern gegenüber verfolgte. So wurden zum Beispiel die Kultgegenstände, die aus dem Jerusalemer Tempel weggenommen worden waren, den Juden zurückerstattet. Ferner berichtet Esr 1,1-7, dass ein Dekret allen Juden, die es wünschten, die Rückkehr nach Jerusalem erlaubte. Der zweite Text über dieses Dekret (Esr 6,2-5) erwähnt jedoch nichts von einer allgemeinen Genehmigung zur Rückkehr, enthält lediglich Bestimmungen über den Wiederaufbau des Tempels aus Mitteln des königlichen Schatzes und über die Rückerstattung der heiligen Gefäße.
Es ist darum möglich, dass Sesbazar (Esr 5,14), Fürst von Israel, in Wirklichkeit gar nicht vom König zum Gouverneur der Provinz Judäa ernannt worden war, sondern dass eine königliche Kommission, der auch jüdische Führer und Fürsten angehörten, nach Jerusalem entsandt wurde, um den Wiederaufbau des Tempels zu beaufsichtigen. Kyros herrschte bis 530 v. Chr. Vorher hatte er noch in Pasargadae, nördlich von Persepolis, eine neue Metropole errichtet.
4. Darios und das persische Weltreich
a) Kambyses II. erobert Ägypten
Unter Kambyses (Kanbuzi) II. (530-522 v. Chr.) dehnte sich das persische Weltreich bis zum Mittelmeer und nach Nordafrika aus. 525 v. Chr. eroberte er Ägypten und organisierte es als persische Satrapie.
b) Darius, der Erbauer des persischen Weltreiches
Auf Kambyses II. folgte Darius I. (522-486 v.Chr.), ein Herrscher, der kein direkter Abkömmling der Achämeniden war. Sein Vater Hystaspes war unter den beiden vorangegangenen Königen Satrap von Parthien und Hyrkanien in Nordpersien gewesen. (Der Machtbereich eines Satrapen ähnelte dem eines Vasallenkönigs). Eine ganze Kette von Rebellionen und Aufständen überall im Weltreich, in deren Verlauf der männliche Nachkomme des herrschenden Zweiges der Achämeniden getötet worden war, hatte Darius‘ Thronbesteigung überhaupt erst möglich gemacht.
Die ersten Jahre seiner Regierung gingen damit hin, seine Stellung gegenüber anderen Thronanwärtern zu behaupten. In den Provinzen herrschten Aufruhr und Terror. Die Juden nahmen an keiner offenen Rebellion teil, ihre geheimen Hoffnungen und Wünsche äußerten sich jedoch in einem starken Aufschwung messianischer Erwartungen (vor allem in den Schriften der Propheten Haggai und Zephanja).
Als Darius seinen Königsthron fest in der Hand hatte, machte er sich daran, das Weltreich neu zu organisieren, eine Tat, die ihm bei vielen Gelehrten den Ehrentitel eines »Erbauers des Weltreichs« eingebracht hat.
c) Die Organisation des persischen Weltreichs beruhte auf Prinzipien, wie sie in der Alten Welt bisher unbekannt waren.
Kyros hatte eine straffe, wirksame Zentralregierung eingeführt, gelegentlich gewährte er jedoch den Vasallenkönigen unter seiner Kontrolle weitgehende Autonomie in internen Angelegenheiten. Das Weltreich war in Satrapien und Unter-Satrapien eingeteilt.
Jeder Satrapie stand ein Satrap vor, der im allgemeinen Mitglied einer der sechs aristokratischen Familien Persiens war, von Fall zu Fall konnte es auch eine angesehene Persönlichkeit aus der einheimischen Bevölkerung sein.
Der Satrap hatte innerhalb der Grenzen seines Gebietes fast unumschränkte Gewalt, wurde jedoch von Zivil- und Militärbeamten, die unmittelbar der Zentralregierung verantwortlich waren, beaufsichtigt. Jeder Satrap wurde zu gewissen Tributleistungen aufgefordert und hatte eine vorgeschriebene Zahl von Soldaten für die Armee des Königs zu stellen.
Im allgemeinen ließen die persischen Herrscher die angestammten Religionen, die Sprache und das kulturelle Leben in den verschiedenen Satrapien unangetastet. Darius verbesserte die Verwaltung der großen Satrapien (es gab 21 oder nach Ansicht mancher Gelehrter 29 oder 31) und machte die Satrapen zu Mittlern zwischen dem König und der einheimischen Bevölkerung. Er reorganisierte die Armee, verbesserte das Rechtssystem, schuf eine königliche Post innerhalb des Weltreiches und gab Münzen heraus. Die Herrscher der Satrapien und Vizesatrapien (der nach Völkerschaften gegliederten Provinzen oder medinta) behielten ein beachtliches Maß an interner Autonomie, und vielleicht liegt hier der Grund für die relative Stabilität, derer sich das Weltreich bis zum Ausgang des 4. Jhdts. v. Chr. erfreute. Diese Organisationsform machte es einer kleinen, schwachen Gemeinschaft wie den Juden möglich, zu überleben und ein hohes Maß an innerer Unabhängigkeit zu bewahren.
Aufs Ganze gesehen, war es Darius gelungen, ein großes, festgefügtes Reich zu schaffen. Eine Niederlage brachte der Versuch, die griechischen Peloponnes zu erobern. Die persische Streitmacht wurde von einem kleinen griechischen Heer im Jahre 490 v. Chr. bei Marathon geschlagen. Persien war nie imstande, die Griechen zu unterwerfen.
5. Von Artaxerxes bis zum Untergang des Reiches
a) Artaxerxes I., Esra und Nehemia
Die Lage der Juden verbesserte sich beträchtlich in der Zeit Artaxerxes‘ I. (465-424 v. Chr.). Er ernannte Esra zum Mittelsmann für die Interessen der Juden am königlichen Hof (Esr 7,12 ff) und entsandte diesen offiziell nach Jerusalem mit dem Auftrag, den Juden in Jerusalem zu helfen, nach ihren altehrwürdigen Gesetzen zu leben und sie in allen religiösen und weltlichen Belangen zu führen.
Esra wurde vom König ermächtigt, das Leben der jüdischen Gemeinde nach den Vorschriften der Thora zu organisieren. Das königliche Edikt machte die Thora zum offiziellen, anerkannten Gesetz des Landes. Eine noch weitreichendere Verbesserung für die Juden brachte die Ernennung Nehemias, Artaxerxes‘ »Mundschenken«, zum Gouverneur von Judäa. Mit seinem Einfluß beim König erreichte er den Wiederaufbau der Jerusalemer Stadtmauern und die Neuorganisation der jüdischen Gemeinde (Neh. 2,3-8).
b) Autonome Verwaltung in Judäa
Über die Beziehungen zwischen Judäa und Persien in bezug auf die Verwaltung des Landes während des letzten Jahrhunderts persischer Herrschaft (4. Jhdt. v. Chr.) ist praktisch nichts bekannt. Nach A. Schalit sank Judäas Stellung von einer medinta zu einer untergeordneten Provinz innerhalb einer größeren Satrapie herab. Dieser Wechsel scheint sich während der letzten Jahre unter Artaxerxes und unter Darius II. vollzogen zu haben. Wie es dazu kam, weiß man jedoch nicht.
Das Vorkommen von Münzen mit der Aufschrift jhd (Jehud), eine symbolische Bezeichnung für die Provinz Judäa, und Inschriften mit demselben Namen oder mit jrslm (Jerusalem) aus der persischen Epoche lassen nach E. L. Sukenik und W. F. Albright den Schluss zu, dass die Provinz Judäa als eine hierokratische Gemeinschaft oder eine nationale Einheit gesehen wurde mit besonderen dem Volk und den Hohenpriestern verliehenen Vorrechten in der Verwaltung des Landes einschließlich dem Recht, eigene Münzen zu prägen. Artaxerxes I. starb bald nach Abschluß der von Nehemia und Esra in Judäa durchgeführten Reform. Auf ihn folgten Xerxes II. (424 v. Chr.), Darius II. (423-404 v. Chr.), Artaxerxes II. (404-358 v. Chr.), Artaxerxes II. Ochus (358-338 v. Chr.) und Darius III. (336-331 v. Chr.).
c) Die Juden von Elephantine
Im Gegensatz zur Dürftigkeit der historischen Zeugnisse über die palästinensischen Juden hat die Entdeckung der Papyri von Elephantine (s. Abb.) uns interessante Einblicke in das Leben der jüdischen Militärkolonie in Oberägypten verschafft.
Die Dokumente von Elephantine schließen eine Korrespondenz zwischen den Kolonisten und dem Hohenpriester in Jerusalem über die Feier des Passah ein. Sie berichten auch, dass es durch Intrigen der Ägypter zu antijüdischen Krawallen gekommen und bei diesen Tumulten der Tempel zu Elephantine zerstört worden war.
Die Juden baten daraufhin Bagoas, den persischen Gouverneur von jhud (Judäa), sowie den Gouverneur von Samaria um Vermittlung bei den ägyptischen Behörden. Ihre Bitten hatten Erfolg und man gestattete ihnen den Wiederaufbau des Tempels.
d) Untergang Persiens
Das persische Weltreich dehnte sich von Indien bis zum Süden Ägyptens aus, doch ruhte es auf sehr schwankenden Fundamenten. Die verschiedenen Nationalitäten waren den eigentlichen Persern an Zahl weit überlegen, und es fehlte die tragende Idee, die die Vielfalt zu einer einheitlichen Gemeinschaft hätte zusammenschweißen können.
Im ausgehenden 5. und im 4. Jhdt. v. Chr. gab es keine starke Zentralgewalt, und die persische Armee war keine wirksame Streitmacht mehr. Sie rekrutierte sich zum Teil aus den verschiedenen Völkerschaften des Reiches, ihr Rückgrat stellte jedoch ein hauptsächlich aus Griechen gebildetes Söldnerheer dar. Wie ein Jahrtausend später das römische Weltreich, so war auch das persische Reich zu einem überalterten, brüchigen Gebilde geworden, das jedem disziplinierten Gegner als leichte Beute zufallen musste: im Falle Persiens der makedonischen Armee unter Alexander, die klein an Zahl war, aber von erfahrenen und mutigen Männern geführt wurde.
6. Die persische Kultur
a) Die persische Sprache
Um 650 v. Chr. schrieb man die indoeuropäische Sprache der Perser in einer Art Keilschrift, die ein System von 51 einzelnen Silben benutzte. Später übernahmen die Perser für die gesamte Verwaltung ihres Reiches die aramäische Sprache und Schrift, die dann zur lingua franca für ganz Westasien wurde.
b) Die Königspaläste
Das Leben am Hof eines persischen Königs ist im Buch Esther gut skizziert, aber erst die zahlreichen archäologischen Funde in den Ruinen von Persepolis, Susa und anderen persischen Städten haben uns ein historisch getreues Bild von der Pracht und Größe persischer Paläste vermittelt.
Der königliche Palast von Persepolis, von Darius erbaut, ist ein Denkmal für die Kunst und Kultur der Perser.
Zum Palast kamen die Delegationen der unterworfenen Völker, um dem Herrscher ihren Tribut zu entrichten, ein Vorgang, der in dem Apadana oder der Halle der hundert Säulen in einem Relief verewigt ist, einem Bauwerk, das für Audienzen diente und für die zeremonielle Parade des berühmten Regiments der Unsterblichen.
Der östliche Aufgang zum Apadana war mit Reihen von Skulpturen verziert, die Ränge der Soldaten und Tributträger darstellten (Abb.).
Das Apadana wurde unter Darius begonnen und unter Xerxes I. vollendet. Das Dach ruhte auf 36 Säulen, von denen vier noch erhalten sind.
Der Thron der Könige wird gewöhnlich dargestellt, wie er von den Abgesandten aller Völker des Reiches getragen wird. Auf einen Relief wird er von der Armee des Reiches getragen.
Die Stadt Persepolis wurde von Alexander dem Großen niedergebrannt, nachdem er die Macht gestürzt hatte, deren großartiges Symbol diese Stadt gewesen war.
c) Persien und Jerusalem
Von diesem politischen Hintergrund fällt auf die Ereignisse in Jerusalem kaum Licht.
Unter der Herrschaft des Kambyses kontrollierte der Satrap von Abar-Nahara (ebir-nari, die Provinz „jenseits des Flusses“ Euphrat) das Gebiet vom Euphrat bis Ägypten (s. Karte, Abar-Nahara war die 5. Satrapie).
Kambyses scheint von Kyros‘ Edikt über den Wiederaufbau des Tempels nichts gewußt zu haben und versuchte, die Ausführung des Werkes zu verhindern (Esra 4). Man richtete jedoch ein Gesuch an Darius, und dieser ordnete vermutlich eine Nachprüfung an. In Ekbatana (der alten Hauptstadt des Kyros) fand man eine Kopie des Ediktes. Darius bestätigte daraufhin die Anordnungen seines Vorgängers und wies sogar persische Beamte an, beim Wiederaufbau tatkräftige Hilfe zu leisten. Ferner genehmigte er eine Zuteilung von Salz für den Tempel und befreite die Juden von der hohen Salzsteuer, die er seinen übrigen Vasallen auferlegte.
Manche Gelehrte sehen den Hauptgrund für die weise Politik des Kyros und vor allem des Darius in ihrer Zugehörigkeit zur toleranten Religion des Zoroaster.
Unter Darius‘ Nachfolger Xerxes I. (486-465 v. Chr.) gab es in Abar-Nahara schwere Aufstände. Einige Gelehrte nehmen an, es habe sich um die Zeit gehandelt, da Judäas Feinde, seine Nachbarn (und die Samaritaner), Jerusalem angriffen und seine Mauern zerstörten.
d) Die persische Religion
Die alten Perser verehrten Naturgötter, und zwar Frucht-barkeits- und Astralgottheiten. Den Dienst versahen Priester, die alle dem Stamm der Magi (persisch magus) angehörten.
Zu Beginn des 6. Jhdts. v. Chr. gründete der Prophet Zoroaster, auch als Zarathustra und unter anderen Namen bekannt, eine neue Religion, die auf dem Prinzip »Tue das Gute und hasse das Übel« beruhte. Er führte die Idee eines einzigen Gottes, Ahuramazda, des »gerechten Meisters der Gerechtigkeit« ein, der durch das reinigende Feuer und Wasser symbolisiert wurde, und seines Gegenspielers, des Erzdämons Ahriman, der alles Böse repräsentierte.
Charakteristisch für diese Religion waren ihre ethischen Belehrungen und ihre Toleranz gegenüber anderen Göttern und Glaubensüberzeugungen. Die iranische Religion lehrte, dass es Aufgabe des Menschen sei, für Gerechtigkeit und für das Gute zu kämpfen, und zwar sowohl durch ein wahrhaftiges und rechtes Verhalten als auch durch produktive Arbeit. Auf rituelle Reinheit wurde größter Wert gelegt, dagegen forderte man keine asketische Selbstverleugnung. Die Lehre schloss auch den Glauben an ein individuelles Gericht nach dem Tod und eine endgültige Ära der Erlösung ein, in der »am Ende der Zeiten« das »Gute des Lebens, der Reinheit und der Wahrheit« siegreich sein und in Ewigkeit fortdauern werde.
Jesaja trat diesem Glauben entgegen (45,6ff), doch steht außer Frage, dass der Einfluß persischen Glaubensgutes in der Folgezeit auch im Judentum spürbar wurde, vor allem in der Lehre über Engel und Dämonen. Persischen Einfluß verraten auch die Bücher Daniel, Tobias und die apokalyptischen Apokryphen (s. Deuterokanonische Bücher). Er wird ferner erkennbar in der dualistischen Theologie der Qumran-Schriften (dem Kampf zwischen dem Guten und dem Bösen), in ihrer Lehre von der Kosmischen Ausweitung der Macht Satans und vom Königtum des ‚J ‚H ‚V ‚H ‚, aber auch im Neuen Testament. Die Frage, wieweit dieser Einfluß reichte, wird von den gelehrten verschieden beantwortet. Einige halten ihn nur für sehr oberflächlich; er habe sich hauptsächlich im Bereich der Vorstellung und der Bildersprache ausgewirkt. Wenn es aber tiefere theologische Einwirkungen gegeben habe, dann seien die meisten Spuren vom gesetzestreuen Judentum später wieder getilgt worden.
Allerdings hatte sich die ursprüngliche Religion Zoroasters zur Zeit der Achämenidenkönige längst in eine Vielfalt von synkretistischen Kulten aufgelöst, die mehr den Dualismus zwischen dem Guten und dem Bösen betonten als die ursprüngliche Vorstellung von einem universalen göttlichen Herrscher. Ein positiver Kern dieses Glaubens wird jedoch in der wohlwollenden Religionspolitik des Kyros und Darius I. deutlich.
e) Die Juden in Persien
Das Leben der Juden in Judäa war während der zwei Jahrhunderte (538-333 v.Chr.), da ihr Land von einem Satrapen regiert wurde, sowohl in politischer als auch in kultureller Hinsicht mit dem Geschick des persischen Weltreichs verknüpft. Im eigentlichen Persien war eine starke Kolonie von Juden entstanden.
Das Buch Esther spricht von ihnen als von einer einflußreichen Gruppe innerhalb der Bevölkerung von Susa, aber auch in allen 127 Provinzen des Reiches (1,1).
Diese Angabe steht in Widerspruch zu den 31 Satrapien, deren damaliges Bestehen als historisch einigermaßen gesichert anzusehen ist (unter Xerxes wurde ihre Zahl auf 20 reduziert). Die Zahl 127 kehrt bei Dan 6,2 wieder, wo aber vermutlich dieselbe Tradition weitergegeben wird.
f) Die Juden im Partherreich
Über ihre Geschichte ist nur wenig bekannt, doch lebte wohl bereits im 4. Jhdt. v. Chr. eine größere Anzahl von Juden in Parthien. Sie blieben dort auch in der Folgezeit, als die Parther Mesopotamien, das ehemalige Babylon und Medien zwischen 250 und 225 v. Chr. überrannten. Dieses Gebiet hatten sie den Seleukiden entrissen und behaupteten sich während der ganzen hellenistischen und römischen Epoche auf dem ehemals persischen Territorium.
Um die Vorherrschaft im Nahen Osten führten die Parther beständig Krieg mit Rom. Sie fanden es mitunter politisch klug, sich mit jüdischen Fürsten zu verbünden. Im Jahre 40 v. Chr. setzten sie Antigonus Mattathias (s. Hasmonäer) wieder auf den Thron von Judäa, und die Juden des römischen Weltreichs sahen die Parther irrtümlich als ihre möglichen Befreier an.
Die Parther gewährten ihren jüdischen Kolonien ein beträchtliches Maß an Autonomie, und unter ihrer Herrschaft begann die Blütezeit der berühmten rabbinischen Schulen in Mesopotamien.
Unter der Dynastie der Sassaniden erlangte Persien seine Unabhängigkeit wieder, und von 225 n. Chr. an waren auch die alten jüdischen Niederlassungen in Babylon und Persien der Sassanidenherrschaft unterworfen. In dieser Epoche wurde der babylonische Talmud kompiliert – ein klarer Beweis, dass jüdisches Leben in Persien weiterbestand und sich kraftvoll entfaltet hatte.