Parschat Wa’jetze

Von Rabbi Menachem Leibtag
Schiurimreihe Fraenkelufer

Darf man ein göttliches Versprechen anzweifeln? Wenn Gott etwas verspricht, können wir erwarten, daß er es auch hält! Weshalb verpflichtet sich Jaakow Awinu dann nur, zu Gott zu beten, WENN Gott sein Versprechen erfüllt, ihn ins Gelobte Land zurückzuführen? [Siehe 28:20-22.]

Weshalb sollte Jaakow überhaupt ein „Neder“ (Gelübde) ablegen?

Schließlich haben weder Awraham noch Jitzhak je ein Gelübde unter Bedingungen abgelegt, nachdem sie ihre göttlichen Versprechen erhalten hatten. Weshalb ist das bei Jaakow anders?

Im Schiur dieser Woche befassen wir uns mit Gottes „Hitgalut“ (Offenbarung) an Jaakow in Bet-El, und dabei werden wir versuchen, diese Frage zu beantworten.

TEIL I – JAAKOWS NEDER

EINLEITUNG

Bis zu diesem Punkt in Sefer Bereschit war Gott Awraham & Jitzhak schon mehrmals erschienen. In unseren Schiurim haben wir gezeigt, wie sich mit jedem „Hitgalut“ ein anderer Aspekt (oder ein anderes Stadium) des „Bechira“-Prozesses entfaltet. Nun, zu Beginn von Parschat Wa’jetze, stoßen wir auf Gottes ERSTE „Hitgalut“ an Jaakow (siehe 28:10-17). Gottes Versprechen in dieser „Hitgalut“ entspricht zwar seinem früheren Versprechen an Awraham und Jitzhak, aber Jaakows Reaktion ist doch eine ganz andere – Jaakow schwört ein „Neder“.

Um den Grund dafür zu verstehen, müssen wir uns zunächst Jaakows Lage VOR Gottes Erscheinen in Bet-el vergegenwärtigen.

ETWAS, DAS EINEN UM DEN SCHLAF BRINGT

Erinnern wir uns aus dem Schiur der vergangenen Woche, daß die Awot selbst sich nicht ganz sicher waren, WANN und WIE der Prozeß der BECHIRA schließlich an sein Ziel kommen würde. In Parschat Toldot wurde deutlich, daß der Prozeß noch mindestens eine Generation weitergehen würde. Entweder Jaakow ODER Esaw würden auserwählt werden, aber nicht beide. Deshalb segnet Jitzhak am Ende dieser Episode Jaakow mit „Birkat Awraham“ (siehe 28:3-4), d.h. er bittet darum, daß Gott ihn als ‚auserwählten‘ Sohn annehme.

Trotz der Segnung seines Vaters hat Jaakow allen Grund, daran zu zweifeln, ob er tatsächlich ‚auserwählt‘ ist.

Erstens hatte sein Vater noch am Vortag geplant, seinem Bruder Esaw den ersten Segen zu erteilen. Zweitens hatten Jaakows Eltern ihn gerade erst von Eretz Kenaan WEGGESCHICKT- er sollte vor Esaw fliehen und sich eine Frau suchen (siehe 27:43-28:2). Ist Jaakow nun wirklich der auserwählte Sohn, dann sollte ihm eigentlich untersagt sein, Eretz Kenaan zu verlassen, genau wie das seinem Vater Jitzhak verboten worden war.

[Erinnern wir uns: während der Hungersnot erlaubte Gott Jitzhak nicht, nach Ägypten zu ziehen (siehe 26:1-3). Und ganz entsprechend zog Elieser nach Padan Aram, als Jitzhak eine Frau suchte, um dann Riwka mit sich zu bringen – Jitzhak selbst reiste nicht dorthin.]

Als schließlich Jitzhaks Brüder aus dem „Bechira“-Prozeß ausgeschlossen wurden, wurden sie nach OSTEN gesandt (siehe 25:6). Und nun wird auch Jaakow selbst nach OSTEN geschickt (siehe 29:1)!

[Auch wenn sein Vater ihn gesegnet hatte, versprach seine Mutter doch, nach ihm zu schicken, sobald die Lage wieder ‚sicher‘ wurde (siehe 27:45). Jaakow hätte das so verstehen können, daß seine Eltern ihn ‚auf nette Weise‘ loswerden wollten.]

Auch über diese Ängste hinaus verlangt Jaakow dennoch eine göttliche Bekräftigung des väterlichen Segens. Denken wir daran, daß es nicht in Jitzhaks Macht liegt zu bestimmen, welcher der ‚auserwählte‘ Sohn sein wird. Seine Segnung Jaakows ist also nur eine Bitte, daß GOTT ihn seinem Bruder vorziehen möge:

„…und Kel Schakai segne dich … Und er GEBE dir den Segen Awrahams…“ (28:3-4).

Die Entscheidung liegt also letztlich bei Gott selbst.

Aus diesen Gründen ist leicht verständlich, weshalb Jaakow nach ‚göttlicher Bestätigung‘ suchte, bevor er sich auf die Reise nach Padan Aram machte!

JAAKOW HAT EINEN TRAUM

Vor diesem Hintergrund können wir sowohl die Natur von Gottes erster „Hitgalut“ an Jaakow bei Bet-El wie auch Jaakows unmittelbare Reaktion besser verstehen. Als Jaakow Eretz Kenaan verlassen will, muß Gott ZUERST Jaakows „Bechira“ bekräftigen und ihm sagen, daß er wirklich der auserwählte Sohn ist:

„Ich bin der Ewige, der Gott deines Vaters Awraham und der Gott Jitzhaks; das LAND [„Aretz“], auf dem du liegst, will ich DIR und DEINEM SAMEN [„Sera“] geben… und segnen werden sich mit dir alle Geschlechter Der Erde … “ (28:13-14)

Achten wir auf die Verwendung der Schlüsselwörter – „Sera“ (Same, Nachkommenschaft) und „Aretz“ (das Land). Diese Worte sind typisch für Gottes frühere Segnungen der „Bechira“ für Awraham und Jitzhak (siehe 12:7, 13:15, 15:18, 17:8, & 26:3) und bekräftigen damit Jaakows „Bechira“ (und zwar über allen Zweifel Jaakows).

[Die Bedeutung weiterer Schlüsselausdrücke (aus früheren Segnungen) in dieser Hitgalut, wie etwa „afar ha’Aretz“, werden in TEIL II des Schiur dieser Woche erörtert.]

Die beiden ersten Psukim dieser „Hitgalut“ klingen zwar schon vertraut, aber der dritte und letzte Pasuk ist doch ziemlich ’neu‘:

„So sieh, ich bin mit dir und werde dich behüten überall, wohin du gehst und dich in dieses Land zurückführen …“ (28:15)

Dieses ‚zusätzliche‘ Versprechen hängt klar mit unserer früheren Erörterung von Jaakows gegenwärtiger Situation zusammen. Gott muß Jaakows Befürchtungen zerstreuen, indem er ihm versichert, daß er sich um ihn kümmern wird und ihn zurückführen wird, OBGLEICH er nun Eretz Kenaan verläßt – und zwar, WEIL er tatsächlich der ‚auserwählte Sohn‘ ist.

JAAKOWS REAKTION

Jaakows unmittelbare Reaktion auf diese „Hitgalut“ ist folgende: er wird sich darüber klar, daß dieser Ort etwas Besonderes an sich haben muß (siehe 28:16), und deshalb erklärt er:

„Nein, das ist ein BET ELOKIM [ein Haus Gottes], und dies die Pforte des Himmels.“ (siehe 28:17).

[Die tiefere Bedeutung dieser Einsicht wird ebenfalls in TEIL II erörtert.]

Eben dieser Einsicht wegen legt Jaakow nach dem Erwachen (nachdem er Gottes Versprechen erwogen hat) ein Gelübde [ein „Neder“] ab. Denn wenn dieser Ort wirklich eine ‚Pforte des Himmels‘ ist, dann ist er entschlossen, ihn bei seiner Rückkehr zu einem Bet Elokim zu machen!

Achten wir darauf, wie jede Handlung Jaakows mit dieser Einsicht zusammenhängt. Nach dem Erwachen bringt er zunächst ein ‚Kennzeichen‘ an, um sich später an die genaue Stelle zu erinnern:

„Und des Morgens stand Jaakow früh auf und nahm den Stein, den er sich zu Häupten gesetzt hatte, und setzte ihn zum ‚Matzejwah“ (Monument) und goß Öl auf seine Spitze.“ (28:18-19)

[Am Ende seines Gelübdes verspricht Jaakow, daß dieser Stein zum Eckstein eines Bet Elokim werden soll. Indem er Öl auf ihn gießt, widmet er ihn gleichsam diesem Zweck (ähnlich wie bei „Chanukat ha’Mischkan“ in Bamidbar 7:1).]

Dann legt Jaakow ein „Neder“ ab und gelobt, (bei seiner Rückkehr) ein Bet Elokim genau an dieser Stelle zu errichten (siehe 28:22). Bevor er jedoch dieses versprechen abgibt, stellt Jaakow einige ‚Bedingungen‘ [„WENN Gott mit mir ist …“(siehe 28:20)].

Weshalb knüpft Jaakow sein Gelöbnis an Bedingungen?

BEDINGUNG ODER VERSPRECHEN?

Um diese Frage zu beantworten, müssen wir uns zunächst die Psukim näher ansehen, die sein „Neder“ beschreiben, um dann genauer bestimmen zu können, welches sein Versprechen und welches seine Bedingungen sind.

Schauen Sie sich zuerst 28:20-22 noch einmal an und machen Sie sich klar, daß sein „Neder“ zwei Teile enthält:

1) eine BEDINGUNG – WENN… ; gefolgt von:

2) einem VERSPRECHEN (d.h. dem Gelübde) – DANN …

Es ist jedoch nicht ganz klar, wo der WENN-Satz endet und der DANN-Satz beginnt. Schauen wir genauer hin:

„Und Jaakow tat ein Gelübde und sprach:

1) WENN Gott mit mir sein

2) und mich behüten wird auf diesem Weg, den ich gehe,

3) und mir Brot zu essen und Kleidung anzuziehen gibt,

4) und wenn ich in Frieden heimkehre in das Haus meines Vaters,

5) so [oder dann?] soll HaSchem mir Gott sein.

6) Und [oder dann?] dieser Stein, den ich zum Standmahl gesetzt habe,

soll ein BET ELOKIM werden,

7) und alles, was du mir geben wirst, will ich dir verzehnten.“
(28:20-22)

Die ersten vier Teilsätze gehören klar zur BEDINGUNG, denn sie enthalten genau das, was Gott Jaakow in seinem Traum einige Psukim früher versprochen hatte. [Vgl. mit 28:15! Siehe auch Raschi.]

Ebenso klar gehören die beiden letzten Teilsätze zum Gelübde, denn sie beschreiben Jaakows Absicht, später bei seiner Rückkehr ein Bet Elokim an der Stelle zu errichten, wo er seinen Merkstein aufgerichtet hat.

Der mittlere Satz jedoch (5) – „so soll HaSchem mir Gott sein“ – läßt sich auf beiden Seiten einordnen. Dieser Satz muß entweder eine Bedingung oder ein Versprechen sein, aber er ist so oder so schwer zu verstehen.

Zunächst scheint er keine Bedingung zu sein, und zwar aus zwei Gründen:

a) Er widerspiegelt nicht, wie die anderen Sätze, Gottes Versprechen in 28:15.

b) Wenn das tatsächlich eine Bedingung ist, dann fügt sie dem, was Jaakow schon

im ersten Satz gesagt hat, nichts hinzu: „wenn Gott mit mir ist“.

Andererseits scheint er auch kein Gelübde zu sein, denn wie sollte Jaakow sagen können, er werde HaSchem als seinen Gott nur annehmen, WENN Gott seine Bedingungen erfüllt! Kann Jaakow Awinu so ‚verdorben‘ sein, daß er Gott nur annimmt, wenn Gott gut zu ihm ist?

Die meisten der klassischen Kommentatoren versuchen, diese Frage zu beantworten.

Raschi und Raschbam erklären, daß es sich in der Tat um eine BEDINGUNG handelt.

Raschi löst das erste obige Problem [(a)] glänzend, indem er erklärt, Jaakow beziehe sich auf Gottes früheres Versprechen gegenüber Awraham an Brit Milah – „l’hijot l’cha l’Elokim“ (siehe 17:7-8).

Raschbam löst das zweite Problem [(b)], indem er diesen Satz ganz einfach als Zusammenfassung (oder Verallgemeinerung) der drei ersten Sätze erklärt.

Ramban, Radak, und Seforno andererseits erklären diesen Satz alle als das GELÜBDE. Sie alle lösen das oben aufgeworfene Problem (daß Jaakow Gott nur unter Bedingungen anzunehmen scheint), indem sie erklären, Jaakow gelobe in Wahrheit, seine Beziehung zu Gott zu INTENSIVIEREN, falls (oder WENN) Gott sein Versprechen tatsächlich erfüllt. Sicher wird HaSchem immer Jaakows Gott bleiben, ganz gleich, was geschieht, aber wenn er ‚nach Hause‘ zurückkehrt, so verspricht Jaakow jetzt, dann wird er sein ganzes Leben Gott widmen.

[Ich empfehle, sich diese „Parschanim“ von innen anzuschauen. Ij“h wird es einen eigenen Schiur zu diesem Thema geben. Übrigens fügt Ramban einen zusätzlichen Pirusch ein, den er als „Sod“ bezeichnet und der den fraglichen Satz weder als Bedingung noch als Gelübde erklärt, sondern vielmehr als eine TATSACHENAUSSAGE. Jaakow sagt ganz einfach: WENN er nach Eretz Kenaan heimkehrt, dann (tatsächlich) wird es möglich sein, daß ‚HaSchem sein Gott wird‘, denn Außerhalb des Landes Israel ist es unmöglich, eine wirklich Volle Beziehung zu Gott zu entwickeln. (Ich habe Rambans Aussage im Ton etwas abgemildert – siehe (28:21) – damit sie weniger schockierend klingt.)]

Auf der Grundlage der obigen Erklärungen wird Jaakows Absicht nun klar. Jaakows „Neder“ widerspiegelt auf keine Weise seinen ‚ZWEIFEL‘ daran, ob Gott sein Versprechen erfüllen wird. Vielmehr drückt sie seine Bereitschaft aus, den göttlichen Zweck für seine „Bechira“ zu erfüllen, die nunmehr bekräftigt ist! Statt Gott bloß für dieses Versprechen zu danken, beginnt Jaakow eine Beziehung der Wechselseitigkeit! Nun, da er erkennt, daß er tatsächlich der ‚auserwählte Sohn‘ ist, will Jaakow von sich aus ein Gotteshaus errichten – einen Ort, an dem der göttliche Zweck seiner „Bechira“ verwirklicht werden kann.

In Teil II erklären wir, welcher Aspekt seines Traums Jaakow zu genau dieser Konsequenz geführt hat.

TEIL II – HA’MAKOM, BET EL, & DER BET HA’MIKDASCH

EINLEITUNG

In unserer Einführung zu Teil I haben wir erklärt, wie Gottes erste „Hitgalut“ an Jaakow sowohl das Ursprungsthema „Sera w’Aretz“ wie auch zusätzliche Elemente aus früheren Versprechen an Awraham Awinu enthält.

Lesen wir nun aufmerksam den zweiten Pasuk dieser „Hitgalut:

„Und dein Same soll werden wie AFAR HA’ARETZ, du wirst dich ausbreiten nach WESTEN und nach OSTEN, nach NORDEN und nach SÜDEN (‚ja’ma w’kajd’ma, tzafona, w’negba); und segnen werden sich mit dir alle Geschlechter der Erde und mit deinem Samen.“ (28:14)

Achten wir auf die beiden ersten Ausdrücke (a) „Afar ha’Aretz“ und (b) „Osten, Westen, Norden und Süden“. Diese beiden Ausdrücke sind bisher erst EINMAL erschienen, nämlich als Gott die BECHIRA gegenüber Awraham bei BET-EL bekräftigte (nach Lots Auszug nach Sedom):

„Und der Ewige sprach zu Awram, nachdem Lot sich von ihm getrennt hatte, >Hebe doch deine Augen und schau von dem Ort … nach NORDEN und SÜDEN, nach OSTEN und WESTEN, denn das ganze LAND, das du siehst, dir will ich es geben und deinem Samen auf ewig. Und ich will deinen Samen machen wie AFAR HA’ARETZ…“ (13:14-16)

[Machen Sie sich klar (indem Sie sorgfältig 13:1-13 lesen), daß auch diese Bekräftigung in Bet El abgegeben wurde!]

Erinnern wir uns nun aus unserem Schiur zu Parschat Lech L’cha, daß Bet-El der Mittelpunkt von Awrahams „Alija“ sowohl aus Mesopotamien wie aus Ägypten ist. Zwei Mal errichtet Awraham in Bet El ein Mizbajach und ‚ruft Gottes Namen an“ (12:8, 13:4). Wie wir erklärt haben, symbolisiert diese Handlung die letzte Sendung von Gottes auserwähltem Volk – Gottes Namen aller Menschheit bekannt zu machen (siehe Ramban 12:8). Daher unterstreicht die Wiederholung dieser beiden Schlüsselausdrücke in Gottes erster „Hitgalut“ an Jaakow nicht nur dessen „Bechira“, sondern auch seinen ZWECK.

[Es ist also kein Zufall, daß Jaakow beim Erwachen sofort weiß, daß er in BET-EL geschlafen hat (siehe 28:17).]

Ganz ähnlich ist auch der dritte Ausdruck in diesem Pasuk – „und segnen werden sich mit dir alle Völker der Erde“ [„w’niwrchu bcha kol misch’pchot ha’adama“] – eine ‚Wiederholung‘ aus früheren Segnungen. In der Tat kommt er in der ERSTEN „Hitgalut“ sowohl an Awraham (12:3) WIE an Jitzhak (26:4) vor, und nun auch in der ersten „Hitgalut“ an Jaakow!

[Beachten Sie, daß dieser Ausdruck auch wiederholt wird, als Gott sich mit Awraham bespricht, bevor er Sedom zerstört (18:18), und noch einmal, als Gott gegenüber Awraham nach der Akejda einen Schwur ablegt (22:18).]

Aus thematischer Sicht ist es ganz gut verständlich, weshalb dieser Ausdruck gegenüber jedem der Awot bekräftigt werden muß. Das Ziel – „w’niwrchu bcha kol misch’pchot ha’adama“ – widerspiegelt den letzten ZWECK von Gottes auserwähltem Volk: durch Am Jisrael werden alle Völker der Welt gesegnet werden, d.h. durch die Führerschaft und Leitung von Am Jisrael wird jedes Volk in die Lage kommen, zu Gott eine besondere Beziehung zu entwickeln.

Somit dient der zweite Pasuk in dieser „Hitgalut“ als Erinnerung für Jaakow, SOWOHL an seine Mission WIE an den Zweck seiner BECHIRA.

Fassen wir zusammen: Der erste Pasuk von Gottes erster „Hitgalut“ an Jaakow bekräftigt seine BECHIRA (28:13); der zweite Pasuk bekräftigt seine Mission und seinen Zweck (28:14); im dritten Pasuk gibt Gott Jaakow die Gewißheit, daß er auch im Exil bei ihm sein wird und daß er ihn nach Eretz Kenaan zurückführen wird (28:15).

JAAKOWS EINSICHT

Mit diesem Hintergrund können wir nun Jaakows Gelübde besser verstehen, bei seiner Rückkehr an diesem Ort ein Bet Elokim zu errichten.

Erinnern wir uns: Als Jaakow erwacht, erkennt er sofort, daß dieser Ort etwas Einzigartiges hat:

„Da erwachte Jaakow aus seinem Schlaf … und sprach: >… Wie schaurig ist diese Stätte! (ha’Makom) Nein, das ist ein Haus Gottes [BET ELOKIM] und dies die Pforte des Himmels.< [SCHAAR HA’SCHAMAJIM].“ (28:16)

Ganz offensichtlich schließt Jaakow aus der Vision der Engel, die die Leiter hinab- und hinaufsteigen (siehe 28:11-12), daß dieser Ort „Schaar ha’Schamajim“ ist – die Pforte des Himmels. Wie kommt Jaakow aber zu dem Ausruf, daß dies auch ein „Bet Elokim“ sei?

Die einfachste Antwort bestünde in einer Verbindung der beiden Punkte von Jaakows Aussage: d.h. die Tatsache, daß dieser Ort eine ‚Pforte des Himmels‘ ist, macht ihn zum rechten Ort für ein ‚Haus Gottes‘. Die Folgerung in bezug auf das „Bet Elokim“ wird jedoch ausgesprochen, BEVOR noch von „Schaar ha’Schamajim“ die Rede ist. Zudem werden beide Folgerungen getrennt vorgebracht, womit wir annehmen dürfen, daß jede Aussage ihren eigenen Grund besitzt.

BET-EL & BET ELOKIM

Eine tiefere Deutung läßt sich an dieser Stelle vorschlagen, eine Deutung, die auf unserem obigen Vergleich zwischen dieser „Hitgalut“ an Jaakow (28:14) und Gottes früherer „Hitgalut“ an Awraham in BET EL (13:14-16) gründet.

Wie wir oben erklärt haben, zeigen die beiden Ausdrücke „Afar ha’Aretz“ und „Jama w’Kejdma…“ Jaakow, daß er sich am selben Ort befindet, wo Awraham Awinu ein MIZBAJACH errichtet und ‚den Namen Gottes angerufen‘ hat. Daraus schließt Jaakow, daß dieser Ort ein BET ELOKIM ist – zu genau dem Zweck eines Bet Elokim: Korbanot darzubringen und Gottes Namen auszurufen -, und daß er sich folglich in Bet-El befindet.

[Siehe Rambans Kommentar zu Bereschit 12:8 zur Erklärung der Bedeutung, die es hat, „den Namen Gottes“ in Bet El anzurufen. Schauen Sie sich auch noch einmal Dewarim 12:5-12 an und achten Sie darauf, wie dieser bestimmte Ausdruck in Sefer Dewarim häufig Zur Beschreibung des Mikdasch verwendet wird – „ha’MAKOM ascher jiwchar HASCHEM l’schakein SCHMO scham“.]

Wenn unsere Annahmen bis hierher zutreffen, dann wäre es für Jaakow bei seinem Erwachen sinnvoller gewesen, in Awrahams ‚Fußstapfen‘ zu treten, ein Mizbajach zu errichten und ‚den Namen Gottes anzurufen‘. Weshalb errichtet er also ein „Matzejwah“ und legt statt dessen ein „Neder“ ab?

Um diese Frage zu beantworten, müssen wir uns noch einmal Jaakows Lage vor Augen führen. Jaakow ist ‚auf der Flucht‘; er flieht vor seinem Bruder Esaw und ist auf dem Weg nach Padan Aram. Zu diesem Zeitpunkt ist er nicht in der Lage, ‚Gottes Namen anzurufen‘. Niemand ist da, ihn zu hören, und Esaw könnte ihm auf den Fersen sein! Anders als Awraham, den die örtliche Bevölkerung für einen ‚Gottesfürsten in unserer Mitte‘ hielt (siehe 23:6), ist Jaakow ganz offensichtlich viel weniger ‚populär‘.

Auch wenn dies der selbe Ort ist, an dem Awraham ein Mizbajach errichtet hatte, wird Jaakow doch klar, daß er nicht in der Position ist, das gleiche zu tun. Dennoch, und trotz seiner derzeitigen Lage hofft Jaakow, daß er eines Tages zurückkehren und das selbe Ziel verwirklichen wird. Daher kennzeichnet er den Ort durch Errichtung eines „Matzejwah“ und durch Begießung mit Öl (28:18), womit er diesen Stein zum Eckstein seines künftigen Bet-Elokim bestimmt. Dann legt er sein „Neder“ ab: WENN er zurückkehrt, wird er ein Bet-Elokim an dieser Stelle errichten, um hier ein Mizbajach errichten und den Namen Gottes anrufen zu können.

Somit widerspiegelt Jaakows „Neder“ nicht nur sein Verständnis des ZWECKS seiner „Bechira“, sondern auch seine Hoffnung, eines Tages in der Lage zu sein, sein Geschick zu erfüllen. Wie wir in früheren Schiurim erklärt haben, wurde Awraham auserwählt, UM ein Volk zu begründen, das allen Völkern Gottes Botschaft bringen soll. Ein „Haus Gottes“ – das Bet Ha’Mikdasch – dient diesem Zweck. Deshalb legt Jaakow das Gelübde ab, daß er selbst im Fall, daß Gott sein Versprechen der BECHIRA erfüllt und ihn ins Gelobte Land zurückführt, den Zweck dieser BECHIRA durch die Errichtung eines „Bet Elokim“ erfüllen wird.

BET-EL / EIN SPIRITUELLER SCHNITTPUNKT

Im Parscha dieser Woche finden wir die erste biblische Erwähnung des „Bet Elokim“, eines Hauses Gottes. Diese Vorstellung erscheint zwar nur ein einziges Mal in Sefer Bereschit, aber sie ist dennoch grundlegend, denn die Vorstellung von einem ‚Haus Gottes‘ setzt voraus, daß der Mensch dieses Haus besuchen und damit seine Beziehung zu Gott verbessern kann.

Jaakows Beschreibung dieses Ortes sowohl als „Schaar ha’Schamajim“ wie als „Bet Elokim“ kann uns Natur und Zweck des Bet ha’Mikdasch verstehen helfen, und sie kann uns verdeutlichen, inwiefern hier ein Potential unserer Beziehung zu Gott liegt.

Dieser Aspekt des „Schaar ha’Schamajim“ – die Engel, die vom Himmel herab- und zum Himmel hinaufsteigen – deutet die Möglichkeit einer ‚vertikalen‘ Beziehung an, d.h. die Möglichkeit, daß es einen Punkt gibt, der Himmel und Erde verbindet. Trotz der Transzendenz Gottes ist eine Verbindung und damit eine Beziehung möglich.

Im Gegensatz dazu beinhaltet der Aspekt des ‚Bet Elokim‘ als eines HAUSES auf der Erde, in dem der Mensch Gott begegnen kann, eine potentielle ‚laterale‘ Beziehung; damit stellt dieser Ort zugleich ein Zentrum der Versammlung und einen Ausgangspunkt der Ausbreitung dar. Von diesem Ort aus kann Gottes Wort und Gottes Ruhm die ganze Menschheit erreichen.

[Siehe Jescha‘jahu 2:1-5! / Diese Mittelpunktstellung mag sich in dem einzigartigen Ausdruck in Bet El widerspiegeln: „Jama w’Kajdme, Tzfona, w’Negba“, der diese ‚Zerstreuung die vier Enden der Erde‘ symbolisieren mag.]

Aus der Sicht Gottes steigt die „Schchina“ über den „Schaar ha’Schamajim“ auf die Erde hernieder und strahlt durch den „Bet Elokim“ aus (in der Form seiner Thora), und zwar auf die gesamte Menschheit. Aus der Sicht des Menschen versammeln wir uns im „Bet Elokim“ im Dienst an Gott, und über die „Schaar ha’Schamajim“ können wir die ‚Leiter‘ der Heiligkeit hinaufsteigen.

FÜR WEITERE IJUN

A. Achten Sie auf Betonung und Wiederholung des Wortes „ha’Makom“ in diesem Parscha – 28:11,16,17,19. Beachten Sie auch Parschat Lech L’cha, 13:14, die Akejda 22:4 und Sefer Dewarim 12:5,11,14,18.

1. Versuchen Sie, den Grund für diese Betonung und Wiederholung zu erklären, insbesondere in diesen Parschiot.

2. Erklären Sie hiermit Chazals Auffassung, wonach dieser Ort der selbe war wie die

Akejda an Har Ha’Moriah, und schließlich der Ort des Bet HaMikdasch in Jeruschalajim.

3. Lesen Sie Ramban zu 28:17 (einschließlich Raschi, den er zitiert). Setzen Sie Ramban und seine Machloket mit Raschi zum obigen Schiur in Beziehung.

B. Lesen Sie Raschi zu Bereschit 2:7. Achten Sie auf seine beiden Erklärungen aus dem Midrasch zu diesem Pasuk „wajitzer HaSchem Elokim et ha’adam afar min hadama“:

a) „afar“ aus Har Ha’Moriah

b) „afar“ aus den vier Ecken der Erde.

Setzen Sie dies in Bezug zu den beiden Auffassungen auf der Grundlage der Analyse im Schiur dieser Woche.

C. Setzen Sie diesen letzten Abschnitt dieses Schiur in Beziehung zu zwei bekannten Midraschim:

1. Gegenüber „Jeruschalajim schel matah“ gibt es auch ein „Jeruschalajim schel maaleh“. Verbinden Sie das mit „Schaar ha’Schamajim“]/ Taanit 5a.

2. Jeruschalajim ist im Midrasch bekannt als Tanchuma, als „taburo (Nabel) schel olam“- Nabel der Welt. [Setzen Sie das in Beziehung zu Bet Elokim und ‚vier Richtungen‘.]

D. Verwandte Fragen zum Nachdenken, die sich auch auf den Parscha der kommenden Woche beziehen.

1. Erfüllt Jaakow sein „Neder“ tatsächlich bei seiner Rückkehr?

2. Wird dieser „Neder“ durch Am Jisrael erfüllt, und wenn ja, wann?

3. Setzen Sie Jaakows „Galut“ und sein „Neder“ in Beziehung zum Prinzip des „maase Awot siman l’banim“ und zur jüdischen Geschichte.

Schabbat Schalom,
Menachem

Ein Projekt der Synagoge Fraenkelufer-Berlin