Parschat Schoftim: Der König und Sie

Chabad Lubawitsch

Was erwarten Sie von den führenden Politikern Ihres Landes? Das hängt davon ab, in welchem Land Sie leben. In der alten Zeit wurden viele Staaten von Monarchen regiert, die ihre Weisheit und ihre Macht angeblich von einer Gottheit bekommen hatten.

Heute wählen die meisten Nationen Politiker, von denen sie annehmen, dass sie gut verhandeln und entscheiden können, aber nicht unbedingt mit G–tt verbunden sind. Vielleicht reden diese Politiker öffentlich über Religion; aber nur wenige Menschen glauben, dass Politiker zuerst mit G–tt reden und dann handeln. In manchen Ländern gilt es sogar als unfein, Religion und Politik zu verbinden.

Doch in der biblischen Zeit galt das Gegenteil. In Schoftim wird dem jüdischen Volk gesagt: „Wenn ihr in das Land kommt, das G–tt, euer H-rr, euch geben wird … werdet ihr bitten: ,Wir möchten einen König haben.’ Dann müsst ihr einen König unter euren Brüdern wählen.“

Dieses Gebot liegt zwischen den oben genannten Auffassungen. Anders als in den traditionellen Monarchien darf der König die Krone nicht vererben, denn er wird ja gewählt. Andererseits ist der König nicht nur das Staatsoberhaupt wie in unseren Demokratien, sondern der irdische Vertreter G–ttes.

Warum brauchten wir ihn? Weil wir Menschen sind, die vom rechten Weg abweichen. Wir vergessen die Gebote, und wir brauchen jemanden, der uns regelmäßig an sie erinnert. Die Weisen sagten: „Betet für das Wohl der Herrscher, denn würden die Menschen sich nicht vor ihnen fürchten, würden sie sich gegenseitig auffressen.“

Und heute? Unsere Politiker entpuppen sich immer öfter als Machtmenschen, nicht als moralische Vorbilder. Wir betrachten sie kaum noch als religiöse Leitfiguren. Wir fürchten sie nicht, und oft respektieren wir sie nicht einmal.

Wer also ersetzt den König in unserem Leben? Die Weisen sagen: „Wer sind die Könige? Die Rabbis“, und sie raten uns, einen Lehrer zu suchen.

Letztlich sind wir selbst für unser Handeln verantwortlich. Aber jeder Mensch, auch ein Rabbi, braucht einen Lehrer als moralischen Kompass. Suchen Sie also Ihren Lehrer — und seien Sie ein Lehrer und ein König für andere.

Der Standpunkt des Rebbe
Gedanken und Einsichten des Lubawitscher Rebbe

Der Mensch ist G–ttes Nadel, die aus den vielen Stücken der Schöpfung Ihm zu Ehren ein Gewand näht.
An einem Ende muss die Nadel hart und spitz sein, damit sie harte Dinge durchdringt. Das andere Ende hat dagegen eine Öse, die nichts enthält, damit sie einen Faden aufnehmen kann.
In der Welt sind wir hart. Aber im Inneren wissen wir, dass wir vor dem Unendlichen nichts sind.

Leitgedanken:
„Ihr sollt keinen Baum pflanzen, der Götzen dient“ (Dew. 16:21)

Frage: Dieses Verbot ist dem Gebot, Richter zu ernennen, gegenüber gestellt. Warum gleicht ein unfähiger Richter einem Götzenbaum?“

Antwort: Es ist leicht, ein Götzenbild zu erkennen, wenn es aus Holz geschnitzt oder in Stein gehauen wurde. Aber ein Götzenbaum sieht aus wie jeder andere Baum.

Ein schlechter Richter wird mit einem solchen Baum verglichen, weil er äußerlich wie alle anderen Richter ist. Alle haben einen Bart und peijot; sie tragen rabbinische Gewänder und sehen vornehm aus. Aber sie können innerlich korrupt sein.

Ein ehrlicher Richter hat seinen eigenen Willen. Er lässt sich von niemandem beeinflussen und weicht kein Jota von der Torah ab. Ein schlechter Richter lässt sich leicht von anderen Leuten beeinflussen. Er wird mit einem Baum verglichen, weil er sich nach dem Wind der öffentlichen Meinung nach allen Seiten biegt und die Gruppe bevorzugt, von der er sich Vorteile verspricht.

Brot ist zum Essen da

Raw Jehuda ging über den Marktplatz. Auf einmal bemerkte er zwei Männer, die mit einem Brotlaib Ball spielten. Er war entsetzt. „Offenbar gibt es soviel zu essen, dass die Leute das Verbot, Nahrung zu vernichten, bal taschchis, vergessen haben, und mit ihrer Nahrung respektlos umgehen.“ Kaum hatte er diese Worte gesprochen, brach im Land eine Hungersnot aus.

Raw Jehuda merkte nichts davon, weil er nur selten aus dem Haus ging. Die anderen Weisen wussten jedoch, dass nur Raw Jehuda die Menschen vor dem Verhungern retten konnte. Also gingen sie zu Raw Kahana, der Raw Jehuda nahe stand, und baten ihn, seinen Freund dazu zu bringen, dass er das Haus verließ. „Wenn Raw Jehuda sieht, wie hungrig die Menschen sind und wie wenig es zu essen gibt, wird er gewiss für sie beten.“

Raw Kahana war einverstanden. Er ging zu Raw Jehuda und überredete den Weisen, mit ihm einen Spaziergang zu machen. Die beiden gingen zum Marktplatz, wo sich ihnen ein trauriger Anblick bot. Vor dem einzigen Geschäft, das geöffnet war, drängte sich eine wilde Menschenmenge, und die Leute kämpften verzweifelt darum, etwas zu kaufen.

„Dieser Mann muss ja etwas sehr Wertvolles verkaufen“, meinte Raw Jehuda. „Nur Dattelschalen“, sagte Raw Kahana, „aber alle wollen sie haben.“

Raw Jehuda verstand sofort. „Das bedeutet, dass im Land Hunger herrscht“, sagte er. „Wir müssen zum Fasten aufrufen und den Leuten sagen, dass sie für Regen beten sollen, damit es wieder Nahrung gibt.“

Dann wandte er sich an seinen Schammasch und befahl ihm: „Zieh mir die Schuhe aus.“ Es war nämlich Sitte, während des Fastens barfuß zu gehen (wie an Tischa B’Aw und Jom Kippur).

Der Diener hatte erst einen Schuh ausgezogen, als es schon zu regnen begann. Raw Jehuda hatte noch nicht einmal gebetet! Aber Haschem erfüllt selbst die unausgesprochene Bitte eines Zadik.

Und die Leute brauchten auch nicht auf die neue Ernte zu warten, denn am folgenden Tag kamen Schiffe in Bawel an, die mit Weizen und Reis voll beladen waren.

Jetzt war die Hungersnot zu Ende, und die Menschen hatten etwas Wichtiges gelernt: Nahrung ist zum essen da. Wir dürfen sie nicht mutwillig vernichten oder respektlos behandeln.