Parschat Lech lecha

Von Rabbi Menachem Leibtag
Schiurimreihe Fraenkelufer

Wie oft muß Gott gegenüber Awram Awinu das SELBE Versprechen wiederholen?

In Parschat Lech L’cha allein sagt Gott Awram VIER Mal, daß seine Nachkommen („Sera“) ein Volk in einem ganz besonderen Land („Aretz“) sein werden! Hätte nicht ein einziges göttliches Versprechen ausgereicht?

Im Schiur dieser Woche versuchen wir, den Grund für jedes dieser Versprechen, sowie ihre Beziehung zu den Ereignissen zu erklären, die sich zwischen den Versprechen zutragen. Dabei werden wir auch auf das Thema „Bechira“ & „Dechija“ stoßen, ein zentrales Thema in Sefer Bereschit.

EINFÜHRUNG

Wie wir im Schiur der vergangenen Woche erklärt haben, verschiebt sich in Parschat Lech L’cha der Schwerpunkt von Sefer Bereschit vom „Universalen“ zum „Besonderen“ – d.h. von der Schöpfung und der Entstehung der Menschheit hin zu Gottes Auserwählung von Awram Awinu zum Urvater eines besonderen Volkes.

Wir haben auch die thematische Bedeutung dieses „Wandels“ erklärt, denn er beleuchtet, wie Awram Awinu ZU EINEM BESTIMMTEN ZWECK auserwählt wird. Gottes tiefe Enttäuschung von der Menschheit an Migdal Babel führte zum göttlichen Entschluß, ein VOLK zu schaffen, das die Menschheit wieder auf den Weg der Konzentration auf Gott zurückführen sollte. Zu diesem Zweck muß Gott Awram nicht nur eine besondere Beziehung zu seiner Nachkommenschaft („Sera“) versprechen, sondern auch ein besonderes Land („Aretz“), in dem seine Nachfahren dieses Volk begründen können. Daher ist es kein Zufall, daß Gott jedesmal, wenn er in Parschat Lech L’cha zu Awram Awinu spricht, dieses wichtige Versprechen von „Sera w’Aretz“ wiederholt. In unserem Schiur werden wir auch auf den Lauf der Ereignisse achten, wenn wir uns nach der Bedeutung jedes einzelnen Versprechens fragen.

AWRAMS ERSTE ALIJA [das heißt ali-ja‘ und nicht a-li‘-ja].

Nach unserer Einführung sollte es nicht überraschen, daß Gott In seiner ersten „Hitgalut“ [Offenbarung] an Awram folgendes verspricht:

„Und ich will dich zu einem GROSSEN VOLK machen … und mit dir sollen sich segnen alle Geschlechter der Erde.“ (siehe 12:1-3)

Zu diesem Zweck wurde er auserwählt. In der selben „Hitgalut“ befiehlt Gott Awram auch, in das Besondere LAND zu ziehen, das er für dieses Volk ausgewählt hat.

In Gottes zweiter „Hitgalut“ gleich nach Awrams Ankunft in diesem versprochenen Land (in SCHECHEM) verspricht Gott:

„Deinem SAMEN will ich dieses LAND geben“ (siehe 12:6-7)

Als Dank für dieses Versprechen errichtet Awram einen MIZBAJACH (siehe 12:7). Danach zieht Awram nach Bet-El, das ist der thematische Höhepunkt der ersten „Alija“:

„Von dort [Schechem] zog er weiter ins Gebirge, östlich von

BET-EL… und er baute dort einen MIZBAJACH dem Ewigen und

rief b’SCHEM HaSCHEM“ – in Gottes NAMEN! (12:8).

Achten wir besonders darauf, daß Awram nicht nur einen MIZBAJACH

in Bet-El errichtet, sondern auch DEN NAMEN GOTTES ANRUFT. Im

Schiur der vergangenen Woche haben wir erklärt, wie dies mit dem Zweck seiner Auserwählung zusammenhängt. [Erinnern wir uns an den Unterschied zwischen Awram, der GOTTES NAMEN ANRUFT, und der Generation von Migdal Babel, die „sich einen NAMEN machen“ wollte (siehe 11:4)].

Ramban erklärt in seinem Kommentar (zu 12:8) diesen Pasuk auf ähnliche Weise:

„…und Awram rief dort vor dem Mizbajach und

verkündete der ganzen Menschheit die Existenz Gottes …“

Auch wenn dieses Ziel erst ganz klar begriffen werden kann, sobald Awrams Nachkommenschaft im Land ein Volk bildet, (siehe Dewarim 4:5-8), ist es thematisch von Bedeutung, daß Awram selbst dieses Ziel wenigstens zum Teil zu erreichen sucht, gleich nachdem er im „gelobten“ Land ankommt.

AWRAMS JERIDAH & ‚ZWEITE‘ ALIJAH

Awrams Aufenthalt in Eretz Kenaan wird durch eine Hungersnot unterbrochen, die ihn zu einer Reise nach Ägypten zwingt (siehe 12:10-13:1). Es ist wiederum kein Zufall, daß er bei seiner Rückkehr nach Eretz Kenaan genau zu diesem selben MIZBAJACH in Bet-El zurückkehrt. Erneut ruft er dort b’SCHEM HaSCHEM

(siehe 13:1-4)!

Dieses „krija b’schem Haschem“ gewinnt eine zusätzliche Bedeutung, wenn wir uns klarmachen, WOHER Awram jeweils nach Bet-El kommt. Beachten wir, daß Awrams erste „Alija“ von MESOPOTAMIEN (Ur Kasdim) herkommt und die zweite „Alijah“ von ÄGYPTEN. Diese beiden Orte sind nun genau die beiden „Wiegen“ der Zivilisation der alten Welt. Wenn wir daran denken, daß Awrams Sendung darin besteht, ALLEN VÖLKERN Gottes Namen zu bringen, wird es thematisch bedeutsam, daß er [in Bet-El] bei seiner „Alija“ von diesen beiden zentralen Orten Gottes NAMEN anruft. [Das mag auch Licht auf die Frage werfen, weshalb Gott gerade Eretz Kenaan wählte – denn Kenaan liegt am KREUZUNGSPUNKT dieser beiden alten Kulturen – „w’akmal“.]

EIN BIBLISCHES THEMA

Dieses Thema, daß Am Jisrael auserwählt wird, der Menschheit Gottes Namen zu bringen, entfaltet sich als Thema nicht nur in Sefer Bereschit, sondern bleibt in der gesamten Tanach erhalten.

Später in Sefer Bereschit (siehe 28:10-22) sehen wir, daß Gott Jaakow Awinu in Bet-El erscheint und sein Versprechen von „Sera w’Aretz“ bekräftigt. Genau an dieser Stelle, an der Awram zum ersten Mal Gottes Namen angerufen hatte, verkündet Jaakow nun, daß aus ihr ein „bet Elokim“ – ein Haus Gottes werden soll. Der Zweck dieses Hauses für Gott wird in Sefer Dewarim erklärt, wo Bnei Jisrael befohlen wird, eine religiöse Zentralstätte für das Volk – „ba’makom ascher jiwchar Haschem l’schakejn SCHMO scham“ – zu errichten, und zwar genau an der Stelle, die Gott wählen wird, damit sein NAME dort wohne (siehe Dewarim 12:5,11).

[Wie wir in unseren Schiurim zu Sefer Dewarim erklärt haben, beschreibt dieser im Sefer oft wiederholte Ausdruck das BET HA’MIKDASCH [Tempel] – aus dem ein zentraler Punkt für die Verbreitung von Gottes Ruf in der ganzen Menschheit werden soll.]

Etwa vierhundert Jahre später, als die MIKDASCH schließlich errichtet wird, spiegelt sich das gleiche Thema in Schlomos Gebet zur Weihezeremonie:

„Aber auch den Fremden … wenn er aus fernem Land kommt UM DEINES NAMENS WILLEN – denn hören werden sie von deinem GROSSEN NAMEN… wenn er kommt und nach diesem Haus hin betet … tu nach allem, was der Fremde zu dir ruft, damit ALLE VÖLKER DER ERDE DEINEN NAMEN KENNEN, dich zu fürchten wie dein Volk Bnei Jisrael, und damit man weiß, daß DEIN NAME genannt ist über diesem Haus, das ich gebaut.“

(Melachim I 8:43 /siehe auch Schmuel II 7:22-27)

Tatsächlich drücken wir im zweiten Absatz des ‚Alejnu L’schabajach‘

[den Sie wahrscheinlich auswendig kennen: „w’al kein n’kaweh…] eine ganz ähnliche Hoffnung aus:

„die Welt wird durch das Königreich Gottes [schem Schakei] in Ordnung kommen, und die ganze Menschheit WIRD DEINEN NAMEN ANRUFEN, auf daß sich alle Verstockten zu Dir wenden; laß alle Bewohner der Erde wissen, daß sie sich einzig vor Dir beugen sollen …“ (vergleichen Sie mit Ihrem „Siddur“).

[Das nächste Mal werden Sie sehen, wie oft dieses Thema vom ersten Pasuk in „hodu laSCHEM – KIYRU b’SCHMO…“ – bis zur letzten Zeile von „Alejnu“ erscheint!]

DIE ERSTE TRENNUNG

Kehren wir nun zu Parschat Lech L’cha und Gottes ZWEITEM „Hitgalut“ an Awram zurück.

Die Geschichte von Awrams Rückkehr aus Mitzraim nach Bet-El

(siehe oben) erzählt nun von Awrams Streit mit Lot (siehe 13:1-14) und schließt mit einem weiteren göttlichen Versprechen von „Sera w’Aretz“:

„Und der Ewige sprach zu Awram, nachdem Lot sich von ihm

getrennt hatte: >Hebe doch deine Augen und schau von dem Ort

…. denn das ganze LAND (Aretz), das du siehst, dir will ich es geben

und deinem Samen (Sera) auf ewig …“ (13:14-18)

Dieses Versprechen, wenn auch etwas „poetischer“ als das erste, scheint mehr oder minder die gleiche Botschaft zu von „Sera w’Aretz“ zu enthalten. Weshalb wird es also wiederholt?

Logisch betrachtet würden wir annehmen, daß die Antwort mit den Ereignissen zu tun haben muß, von denen wir gerade erfahren haben. Sehen wir etwas genauer hin, um uns dies zu erklären.

Nehmen wir ein Tanach Koren, und achten wir darauf, daß dieses Versprechen (13:14-18) eine „Parschia“ [Abschnitt] abschließt, die schon in 12:10 begonnen hat! Das ist wichtig, denn eine „Parschia“ behandelt gewöhnlich nur ein einziges Thema, während diese Parschia drei verschiedene Geschichten erzählt:

1) Awrams Reise nach und Rückkehr aus Ägypten (12:10-13:4)

2) Der Streit zwischen Lot und Awram (13:5-13)

3) Gottes Versprechen des „Sera w’Aretz“ an Awram (13:14-18).

Wie hängen diese Geschichten zusammen, da sie in ein und derselben ‚Parschia‘ erzählt werden?

Die Verbindung ist zunächst eine ganz einfache. Der Grund für den Streit zwischen Lot und Awram liegt in ihrem Wohlstand (siehe 13:5-6). Awram & Lot wurden jedoch in Ägypten reich (siehe 12:16,20; & 13:1-2,5). Daher ist das Land nach ihrer Rückkehr nicht groß genug für all ihre neuen Besitztümer (13:6), woraus sich dann der Konflikt entwickelt (13:7). Schließlich soll Gottes Versprechen Awram nach dieser tragischen Trennung von seinem Neffen Lot ‚aufmuntern‘ (siehe 13:14).

Man könnte aber auch eine tiefere Verbindung annehmen, denn in bezug auf das vorherrschende Thema von Sefer Bereschit erklärt diese ganze ‚Parschia‘ Lots „Dechija“ – seine ‚Trennung‘ von der Familie Awrams. Erklären wir die Bedeutung dieses Details.

Erinnern wir uns, daß Awram keine Kinder hat und daß sein Neffe Lot keinen Vater hat. Daher folgt Lot Awram Awinu schon von dem Moment an treu (schon in Parschat Noah),da wir Awram zum ersten Mal begegnen, und er verhält sich wie Awrams eigener Sohn. [Siehe 11:27-28, 12:4-5, 13:1-2,5!]

Man könnte sogar vermuten, daß Awram verstanden hat, daß sich durch Lot Gottes Versprechen von „Sera“ erfüllen würde! Und selbst wenn Gott ihn mit einem eigenen Sohn segnen würde, würde Awram Lot sicherlich in seine ‚auserwählte‘ Familie aufnehmen wollen. Daher ist Lots Weggang eine persönliche Tragödie für Awram.

AWRAHAM ODER GOTT VERLASSEN?

Vor diesem Hintergrund können wir die Geschichte von Lot und Awram als erstes Beispiel einer „Dechija“ betrachten, d.h. als ersten Fall des ‚Ausschlusses‘ eines Angehörigen von Awrams Familie. Wie wir noch sehen werden, erklären viele Geschichten in Sefer Bereschit, wie sich dieser Prozeß der „Dechija“

Entfaltet, und diese Geschichten, so können wir erwarten, werden auch das WARUM erklären! Der Vorfall mit Lot ist hier ein ganz klassisches Beispiel.

Erinnern wir uns aus unserem Schiur über Parschat Ekew, daß Lots Entscheidung, nach Sdom zu ziehen, KEIN von Awram vorgeschlagener Kompromiß ist. Tirgum Unkelos erklärt, Awram habe Lot angeboten, entweder nach NORDEN (links) oder nach SÜDEN (rechts/ siehe 13:9) zu ziehen, d.h. zwischen den Bergen von JEHUDA oder SCHOMRON zu wählen – was aber keine vollständige Trennung voneinander bedeutet hätte, vielmehr nur eine ausreichende räumliche Trennung, um Konflikte zu vermeiden.

Lot entschloß sich hingegen, die Berglandschaft von Eretz Kenaan ganz zu verlassen und zog das Jordan-Tal vor (siehe 13:10-11). Der gleichsam ‚technische Grund‘ war der, daß das Jordan-Tal einen Fluß hat, eine konstante Versorgung mit Wasser gewährleistet, während das Gebirge für die Wasserversorgung auf Regen angewiesen ist.

Lots Wahl hat jedoch auch eine geistliche Dimension. Wie Parschat Ekew erklärt:

„Denn das Land, dahin du kommst, um es in Besitz zu nehmen [d.h. Eretz Kenaan], ist NICHT wie das Eretz Mitzraim [mit dem Nil als ständiger Wasserquelle]…, [es ist] ein Land mit Bergen und Tälern, vom REGEN des Himmels trinkt es Wasser, [daher ist es] ein Land, für das der Ewige, dein Gott, sorgt …“ (Dewarim 11:10-12)

Symbolisch widerspiegelt Lots Wahl seine Vorliebe für eine andere Lebensform. Awram nimmt die Herausforderung von Eretz Kenaan an – ein von MATAR (Regen) abhängiges Leben und damit ein von Gott abhängiges Leben (siehe Dewarim 11:13-16!). Lot zieht das ‚leichte Leben‘ in Sdom vor. Der Midrasch (zitiert von Raschi über 13:11) stammt genau aus dieser Deutung:

„wa’jisa Lot m’KEDEM“ – Midrash Agada – „hi’si’ah atzmo m’KADMONO schel olam – Lot hob sich HINWEG von Gott und sagte, Ich kann nicht länger bei Awram bleiben – auch nicht bei seinem Gott. “ (siehe Raschi on 13:11)

[Sodom liegt in Wahrheit im Osten, weshalb der Pasuk eigentlich „l’kedem“ und nicht „m’kedem“ sagen sollte. Der Midrasch nimmt diesen Punkt auf, um seine tiefere Bedeutung vorzuführen. [Vgl. auch die Verwendung von „m’kedem“, um eine Richtung weg von Gott anzugeben, wie 3:24 (Auszug aus dem Garten Eden) und 11:2 (Migdal Babel).]

Lots vollständige Trennung von Awram ist tatsächlich tragisch, denn Awram verliert damit nicht nur einen ‚Sohn‘, sondern auch einen Schüler. Gott muß daher Awram nicht nur trösten, sondern ihm auch die Gewißheit geben, daß sein Versprechen von „Sera w’Aretz“ trotz Lots Weggang (13:14/ „acharei hi’pared Lot“) Bestand hat. Und tatsächlich wird er noch ein Kind haben – einen Sohn, der in seine Fußstapfen treten wird.

Diese Erklärung für Lots Entscheidung zugunsten von Sodom bietet das thematische Bindeglied zwischen allen drei Geschichten in dieser „Parschia“. Erinnern wir uns, daß Lot mit Awram nach Mitzraim gezogen ist. Es war vielleicht Lots eigene Erfahrung in Ägypten, die ihn dazu brachte, sich für ein ‚leichtes Leben‘ zu entscheiden, Awrams Angebot auszuschlagen und das Jordan-Tal zu wählen:

„Da hob Lot seine Augen und sah das ganze Rund des Jordans, daß es überall bewässert war … wie DAS LAND MIZRAIM, bis nach ZOAR hin.“ (siehe 13:10)

Awram, der ‚auserwählt‘ („niwchar“) bleibt, reagiert ganz anders auf seine Erfahrung in Mitzraim. Awram sah nach dem Vorfall mit dem Pharaoh und Sarah die Verderbtheit in Ägypten. Er kehrt nach Eretz Kenaan zurück, beseelt von dem Wunsch, dieser Verderbnis ein Ende zu machen und moralisches Verhalten zu lehren. Bei seiner Rückkehr zieht Awram gleich nach Bet-El, und ruft wieder den Namen Gottes an. [Siehe Ramban 12:8 und Rambam Hilchot Awodah Sara I:2-3!]

DER ERSTE BUND

Das nächste Mal spricht Gott in Kapitel 15 zu Awram, bekannt auch als Brit bein Ha’Btarim. Auch hier verspricht Gott „Sera w’Aretz“ (siehe 15:18), jedoch ist in diesem Versprechen zum ersten Mal die Rede von einem „Brit“ – einem Bund. Um dieses Versprechen besser zu verstehen, müssen wir einmal mehr das Geschehen in Betracht ziehen, das ihm vorausging, d.h. den Krieg der fünf Könige gegen die vier Könige in Kapitel 14. In dieser Schlacht begegnet uns Awram Awinu zum ersten Mal als Mann des Krieges, als Eroberer. Aber es ist zugleich sein militärischer Sieg, der Awram begreifen läßt, wie wichtig es für ihn ist, einen Nachfolger zu besitzen. Beachten wir, wie Kapitel 15 als direkte Fortsetzung des Sieges beginnt:

„achar ha’dwarim ha’ejleh – Nach DIESEN Begebenheiten erging das Wort des Ewigen an Awram im Gesicht, besagend: >Fürchte nicht, Awram! Ich bin dein Schild; dein Lohn ist sehr reich!<“ (siehe 15:1-2) Die Kommentatoren erklären auf unterschiedlichste Weise, weshalb Awram furchtsam war (nicht alle diese Erklärungen schließen sich wechselseitig aus). Auf einen Punkt jedoch kommt Awram im folgenden Dialog immer wieder zu sprechen, der mit Sicherheit mit seinem militärischen Erfolg und zugleich mit dem Fehlen eines Sohnes zu tun hat. „Und Awram sprach: >Sieh, du hast mir keinen Samen gegeben … –

w’hinei ben beiti JORASH oti – so wird ja mein Haussasse [d.h. Elieser] mich beerben …“ (siehe 15:3)

Awram erkennt, daß alles, was er erworben hat, an seinen Knecht Elieser fallen wird, wenn er keinen eigenen Sohn hat. Aber achten wir hier und in den folgenden Psukim auf die Verwendung des Verbs „jorash“ [das gewöhnlich einfach als „erben“ oder „beerben“ verstanden wird].

„Sieh, da erging das Wort des Ewigen an ihn, besagend: >Nicht wird dieser [Elieser] dich JO’RASH! Sondern, der aus deinem Leib kommt [und noch nicht geboren ist], der wird dich JO’RASH!<… Und er sprach zu ihm: >Ich bin der Ewige, der dich aus Ur der Kasdäer herausgeführt, um dir dieses Land l’RISCHTAH<… Da sprach er [Awram] zu ihm: b’mah ejdah ki i’RASCHENAH…“ (siehe 15:4-8) Zweifellos lautet das Schlüsselwort in diesem Gespräch „jerusha“, aber was bedeutet es? Im ganzen Chumash ist „JERUSHA“ beinahe immer mit militärischen Eroberungen verbunden, gewöhnlich mit Eroberungen durch ein souveränes Volk oder durch ein Volk, das auf dem Weg ist, seine Eigenständigkeit zu gewinnen. (Siehe z.B. Bemidbar 33:50-54!). Auch hier will Awram nach seinem militärischen Sieg wissen, WIE seine Nachkommenschaft eines Tages zur Herrschaft über das Land kommen wird. Brit bein Ha’Btarim ist die Antwort auf Awrams Frage: Gott teilt Awram Awinu mit, daß seine Nachfahren das Land eines Tages EROBERN („jerusha“) werden. Diese Eroberung wird aber erst stattfinden, NACHDEM mehrere Generationen in der Fremde in Sklaverei verbracht haben; dann werden sie ihre Unabhängigkeit gewinnen, und ihr Unterdrücker wird bestraft werden. [Siehe 15:13-16.] Daher muß nach dem Krieg der Könige ein zusätzliches Versprechen von „Sera w’Aretz“ gegeben werden, eines, das erklärt, WIE Awrams Nachfahren zu einem selbständigen Volk werden. LAND ZU EINEM ZWECK Diese Abfolge der Ereignisse in Brit bein Ha’Btarim ist nicht bedeutungslos, denn sie beleuchtet uns schlaglichtartig das Wesen unserer Beziehung zum Land Jisrael. Anders als mit den meisten anderen Völkern, die sich ganz natürlich mit gemeinsamen Interessen gemeinsam in einem Land ansiedeln, um erst dann ein Volk zu werden, steht es mit Am Jisrael – denn unsere gemeinsame Bindung geht auf ein gemeinsames Gelöbnis in einem FREMDEN Land zurück, Gottes Volk werden zu WOLLEN. Erst, wenn wir ein Volk GEWORDEN SIND, und erst nachdem wir an Har Sinai die Thora empfangen haben (die Gesetze, die uns lehren, wie wir unser Ziel erreichen können), erst dann erobern wir das Land für unser Volk. Anders gesagt sind wir kein Volk, weil wir ein Land gemeinsam haben, sondern ein Volk sind wir, weil wir ein gemeinsames Ziel haben, und damit wir dieses Ziel erreichen können, verspricht uns Gott ein eigenes Land. [Weshalb gerade dieser Aspekt von Gottes Versprechen einen Bund [„Brit bein Ha’Btarim“] verlangt, ist eine wichtige Frage, erfordert allerdings einen eigenen Schiur. Quellenmaterial zur Natur eines göttlichen „Brit“ finden Sie z.B. bei Ramban über 6:18, sowie bei Ramban zu 15:6.] DIE GEBURT JISCHMAELS Die nächste ‚Parschia‘ in Parschat Lech L’cha beschreibt die Ereignisse, die zur Geburt Jischmaels führen (siehe 16:1-16). Gott verspricht, daß auch aus ihm ein mächtiges Volk werden soll, aber ein wildes (siehe 16:12). Aus göttlichem Ratschluß soll Awrams einziger auserwählter Sohn Sarai erst nach lebenslanger Unfruchtbarkeit geboren werden. Bevor Awram und Sarai jedoch dieses ganz besondere Kind empfangen können, muß Gott ihre Namen in Awraham und Sara ändern und einen neuen Bund schließen – „Brit Milah“. BRIT MILAH Die nächste ‚Parschia‘, die den Bund von BRIT MILAH beschreibt (siehe 17:1-11), enthält das vierte und letzte Versprechen von „Sera w’Aretz“ in Parschat Lech L’cha. Dieser Bund schließt nun die ERSTE MITZWA ein, die Awraham einhalten und an seine Kinder weitergeben muß. Die Einzelheiten dieser Mitzwa sind sehr wichtig; sie sind in der Tat so wichtig, daß ihre thematische Bedeutung schon in drei früheren Schiurim zur Sprache kam: 1) Die Bedeutung von „Brit Milah“ am ‚achten Tag‘ wurde ausführlich in unserem Schiur für SChmini Atzeret erörtert (vor einigen Wochen/ siehe TSC-Archiv (www.tanach.org) für Parschat Tazria). 2) Die thematische Verbindung zwischen „Brit Milah“ und „Brit bein Ha’Btarim“ wurde in unserem Schiur für Chag ha’MATZOT und zu Parschat Bo erörtert. 3) Die Bedeutung der Grenzen des Landes Jisrael, wie in „Brit Milah“ (und „Brit bein Ha’Btarim“) angegeben, haben wir in unserem Schiur zu Parschat Masei (siehe Archiv) diskutiert. Wir wollen deshalb „Brit Milah“ im Schiur dieser Woche nicht noch einmal im Detail besprechen. Statt dessen weisen wir nur darauf hin, wie dieser „Brit“ die Geburt Jizhaks und die Voraussetzung für seine Empfängnis einleitet. Die folgende (und letzte) ‚Parschia‘ (17:15-27) berichtet, wie Awraham dem Befehl gehorcht, während Gott ihm zugleich sagt, daß der Prozeß der „Bechira“ NUR DURCH Jizhak weitergehen kann, der bald geboren werden soll (siehe 17:15-21), aber NICHT mit Jischmael, obgleich auch er die Mitzwa von „Brit Milah“ erfüllt hat (siehe 17:20-24). [Achten Sie auf die textliche Parallele zwischen 17:7-8,19 und Gottes Bund mit Noah in 6:18 und 9:8-17; „w’akmal“.] Ij“h, wir werden uns auch im Schiur der kommenden Woche mit diesem Thema von Awrahams „Bechira“ befassen. Nur noch ein letzter Punkt [unser wöchentlicher ‚musar‘] – Wir haben gezeigt, daß Gottes ursprüngliche Auserwählung von Awram Awinu KEINE Belohnung für seine Verdienste war, sondern vielmehr DEN ZWECK hatte, ihn Gottes Auftrag erfüllen zu lassen, nämlich Sein Volk zu werden. Da diese Mission eine ewige ist, ist auch Gottes Wahl des Jüdischen Volkes ewig. Dieses biblische Thema unterstreicht die Notwendigkeit, uns mehr auf unsere VERANTWORTUNG zu besinnen, als Gottes auserwähltes Volk zu handeln und weniger auf die VORTEILE, die diese Auserwählung mit sich bringt.

FÜR WEITERE IYUN

Beachten Sie Jescha‘jahu 42:6 und seinen Kontext. Setzen Sie diesen Pasuk zu unseren Schiurim über Sefer Bereschit bis hierher in Beziehung. [Denken Sie daran, daß dies der erste Pasuk der Haftara für Parschat Bereschit ist (und zwar nicht zufällig!)] 2. Schiur vergangener Woche über Migdal Babel. Beachten Sie, ausgehend von unserer Erklärung der Ereignisse an Migdal Babel (im Schiur der vergangenen Woche),wie diese Geschichte den natürlichen Geschichtsverlauf der Völker darstellen könnte. Menschen mit einem gemeinsamen Ziel finden sich zu einem gemeinsamen Zweck zusammen und errichten eine Gesellschaft. Früher oder später bilden sich Splittergruppen mit anderen Idealen und anderen Zielen, die oftmals die Autorität der ersten Gruppe in Frage stellen oder sich von dieser ersten Gruppe trennen und ein eigenes Volk bilden. Wenn die Menschen sich über ein Ziel nicht einig sind, können sie oft nicht mehr miteinander reden, selbst wenn sie die gleiche Sprache sprechen. [Die Knesset ist ein klassisches Beispiel dafür.] Man könnte nun annehmen: Als Gott beschloß, dieses Bauvorhaben zu beenden, tat er das, indem er die Einheit des Volkes zerstörte, d.h. indem er Kämpfe um die Ziele ausbrechen ließ. Die Unfähigkeit der Menschen, sich zu verständigen, die Sprache der anderen zu verstehen, geht auf ein fehlendes gemeinsames Ziel zurück. Erklären Sie mit Hilfe dieser Annahme die mögliche Bedeutung der Sprache in der Erzählung von Migdal Babel. Vgl. Ibn Ezra (11:1 – „dwarim achadim“) und, wenn Sie die Zeit haben, den Awrabanel zu diesem Sugja. Setzen Sie das zum Obigen in Beziehung … 3. Setzen Sie dies zum Schiur der vergangenen Woche in Beziehung. Denken Sie daran, daß Haschems Name in der gesamten Erzählung von Migdal Babel ausschließlich Schem Hawaja lautet. 1. Setzen Sie dies zum Schiur über Parschat Bereschit in Beziehung. Die berühmte messianische Prophezeiung von Jescha’jahu führt zu einer faszinierenden Parallele mit Migdal Babel: „Und es wird sein in späten Tagen, da wird gegründet stehn der BERG von BET HA’SCHEM (der Tempelberg) obenan vor den Bergen … Da ziehen VIELE STÄMME hin und sprechen: >Kommt, steigen Wir hinan zum Berg des Ewigen, zum Haus von Jaakows Gott, daß er uns seine Wege weise und wir in seinen Pfaden wandeln. Denn von Zijon geht TORAH (Weisung) aus und von Jeruschalaim Wort des Ewigen … „(2:1-4)

Genau wie in der Geschichte von Migdal Babel finden wir hier die EINHEIT aller Völker, wenn auch ganz anders. Nun versammeln sie sich an einem BERG (der Mensch schaut nach oben), nicht mehr in einem TAL (der Mensch schaut nach unten), zur STADT Jeruschalaim und ihrem TURM – dem Bet HaMikdasch. Nun ist die Menschheit in einem gemeinsamen Ziel vereint, dem Wort Gottes zu lauschen, wie es von Seinem Volk gelehrt wird. Anders als bei Migdal Babel wird die Mikdasch zum Symbol einer theozentrischen Gesellschaft, des letzten Ziels der ganzen Menschheit.

Die folgende Übersicht zeigt Parallele und Gegensatz:

MIGDAL BABEL – BET HA’MIKDASCH
Einheit für den Menschen – Einheit für Gott
Tal – Berg
Eine Stadt – Die Stadt Jerusalem
Ein Turm – Der Tempel
Der Ruf des Menschen – Gottes Ruf („Schem Haschem“)

Schabbat Schalom,
Menachem

Ein Projekt der Synagoge Fraenkelufer-Berlin