Parschat Chaje Sarah

Von Rabbi Menachem Leibtag
Schiurimreihe Fraenkelufer

„JI’CHUS“ [Familienabstammung] war bei der Suche nach einer Ehefrau schon immer ein wichtiger Punkt, aber weshalb besteht Awraham so darauf, daß sein ‚erwählter‘ Sohn gerade eine Frau aus der Nachkommenschaft seines Bruders NACHOR heiratet?

Um diese Frage zu beantworten, untersucht der Schiur dieser Woche die ganze Einheit der ‚Parschiot‘, in denen die Geschichte von Awraham Awinu erzählt wird, und zeigt, weshalb (und wie) diese Parschiot unter dem allgemeineren Thema von „Toldot Terach“ [Nachkommenschaft von Terach] stehen. Trotz der eher ‚technischen‘ Art dieser Erörterung werden wir auch nach thematischen Bedeutsamkeiten suchen.

EINFÜHRUNG

In unserem Schiur zu Parschat Noach haben wir gezeigt, wie jeder wichtige Schritt in Sefer Bereschit mit dem Ausdruck „eleh TOLDOT…“ [oder ähnlich] beginnt. Ganz ähnlich dienen diese „Toldot“ [Genealogien] als eine Art ‚Skelett‘ das den gesamten Sefer zusammenhält. Innerhalb dieser „Toldot“ finden wir die Erzählung von Gottes „Haschgacha“ [Vorsehung] über die Schöpfung und die Menschheitsgeschichte, als er Awraham Awinu dazu ausersieht, der Urvater seines besonderen Volkes zu werden.

[Falls Ihnen dieser Schiur entfallen sein sollte: In Kap. 11 finden wir drei Einheiten, die mit „Toldot“ beginnen; jede von ihnen zeigt Gottes Enttäuschung über das Verhalten der Menschheit: von ihrem Versagen im Garten Eden bis zur Bestrafung von Dor Ha’MABUL, wobei der Höhepunkt die Geschichte Migdal Bawel und die Zerstreuung der Menschheit in siebzig Völker ist. Kap. 11 [beginnend mit „Toldot Shem“/ siehe 11:10] dient als Übergang; hier erwählt Gott Awraham Awinu dazu, die Menschheit in die ‚richtige Richtung‘ zurückzuführen. Dieser Prozeß der „Bechira“ setzt sich in weiteren Einheiten fort, von denen jede mit „eleh Toladot…“ beginnt, bis der Prozeß schließlich mit Gottes Wahl von Jaakow Awinu und seiner GESAMTEN Nachkommenschaft endet.]

Die folgende Tabelle gibt einen Überblick über diese Gesamtstruktur von Sefer Bereschit. Studieren Sie sie sorgfältig. Die Namen in ‚Großbuchstaben‘ sind die, die auf „eleh Toldot…“ folgen, mit dem jede Einheit eingeleitet wird. Achten Sie auch auf den Prozeß der ‚Auserwählung‘ und der ‚Verwerfung‘. Achten Sie schließlich auch darauf, wie die Tabelle nach den beiden oben genannten Abschnitten unterteilt ist (und beachten Sie, daß jeder Abschnitt mit ’siebzig‘ schließt!):

SEFER BERESCHIT – EINHEITEN VON „ELEH TOLDOT…“
KAPITEL 1->11 KAPITEL 11->50
============ ==============
SCHAMAJIM WA-ARETZ (2:4)
ADAM (5:1) SCHEM (11:10)
zehn Generationen
bis: NOACH (6:9) TERACH (11:27)
Schem, Ham & Jefet Awraham, Haran, Nachor
BNEI NOACH (10:1) JITZCHAK (26:1) / JISHMAEL (25:12) [verworfen]
JAAKOW (37:1-2) / ESAU (36:1) [verworfen]
70 Völker 70 „Nefesch“ werden zu Gottes Volk
‚ZEHN GENERATIONEN‘ – ZWEI MAL!

Achten Sie darauf, wie in der obigen Liste jede ‚Hälfte‘ mit einer detaillierten Aufführung von ‚zehn Generationen‘ beginnt [siehe 5:1-32 (Adam bis Noach) & 11:10-26 (Schem bis Terach)]. Daraus ist zu ersehen, daß die Geschichte von Awrahams „Bechira“ tatsächlich mit „Toldot SCHEM“ beginnt. [Wie wir schon erklärt haben, ist das thematisch von Bedeutung, weil es später die Bestimmung von Awraham Awinu sein wird, b’SHEM HASCHEM anzurufen.]

Zu unserer Überraschung setzt sich diese strukturelle Parallele nun fort (auf recht interessante Weise), und zwar am Ende jeder Liste mit NOACH & TERACH! Erklären wir das:

* Toldot ADAM endet mit NOACH, nach dem wir auf TOLDOT NOACH stoßen, d.h. auf die Geschichte von seinen 3 Söhnen SCHEM, HAM, & JEFET. [Siehe 5:28-32; 6:9!]
* TOLDOT SCHEM endet mit TERACH, nach dem wir auf TOLDOT TERACH stoßen, d.h. auf die Geschichte seiner 3 Söhne AWRAM, NACHOR, & HARAN. [Siehe 11:24-26; 11:27!]
Zudem werden sowohl Noachs drei Söhne WIE AUCH Terachs Söhne gesegnet (oder verflucht);

Awraham wird, wie Schem, gesegnet, um Gott zu repräsentieren.

Haran = Lot = Amon & Moab werden, wie Ham, verflucht = Kenaan wird verflucht.

Nachor = Btuel = Riwka, wie Jefet, treten wieder in die Geschichte ein.

[d.h. „jaft Elokim l’Jefet v’jischkon b’ohalei Schem“] / Siehe 9:24-27!

Die volle Bedeutung dieser Parallele bedarf (wie gewöhnlich) einer Erörterung in einem eigenen Schiur, aber zum Zweck dieses Schiur verdeutlicht die Parallele allein schon, daß „Toldot Terach“ thematisch bedeutsam sein muß.

In der Tat erscheint „Toldot Terach“ genau an der Stelle, an der wir erwarten würden, auf „Toldot Awraham“ zu stoßen! Aus irgendeinem Grund beginnt Sefer Bereschit aber nie eine Einheit mit „Toldot Awraham“ [wie wir erwarten würden, auch wenn wir „Toldot Jitzchak & Jaakow“ später tatsächlich finden werden]! Statt einer Einheit, die mit „Toldot Awraham“ beginnt, finden wir eine Einheit, die mit „Toldot Terach“ anfängt.

Allein schon aus dieser Beobachtung können wir schließen, daß die in 11:27 mit der Geschichte von Terachs Alija nach Eretz Kenaan beginnende Einheit (siehe 11:27-31), die in Kap. 25 endet, nicht nur die Geschichte von Awraham ist, sondern in Wahrheit die Geschichte ALLER Kinder von Terach.

Da nun „Toldot Terach“ die Struktur für Parschiot Lech Lecha, Wa’jera und Chaje Sarah vorgibt, muß diese Einheit nicht nur die Geschichte Awrahams einschließen, sondern auch die Geschichte der Kinder Nachors und Harans (/Lots). Somit finden wir in diesen Parschiot:

Lots Entscheidung, sich von Awraham Awinu zu trennen und das ‚gute Leben‘ in Sedom zu suchen (13:1-18).
Awraham errettet Lot (14:1-24) in der Schlacht gegen die vier Könige.
Gott rettet Lot vor der Zerstörung von Sedom (19:1-24)
Die Geburt der beiden Söhne Lots – Ammon & Moab (19:30-38)
Die 12 Kinder Nachors (22:20-24). [8 Söhne von seiner Frau und 4 von seiner Pilegesh (klingt bekannt?)]
Awraham nimmt ein Weib für Jitzchak unter den Enkelinnen von Nachor.
So findet diese Einheit von „Toldot Terach“ in Parschat CHAJE Sarah Ihren angemessenen Abschluß mit der erzählenden Beschreibung der Suche nach einer Frau für Awrahams Sohn aus der Familie seines Bruders – NACHOR. Aus bestimmter Sicht scheint die gesamte Nachkommenschaft von Terach das Potential für „Bechira“ zu haben. Wenn Jitzchak also heiratet, sollte seine Frau aus der Nachkommenschaft Terachs kommen. Daher schickt Awraham seinen Diener zu Nachor, um die ‚passende‘ zu finden.

[Denken wir auch daran, daß Nachor und Awraham ihre Frauen ebenfalls ‚innerhalb der Familie‘ ausgewählt haben – die Töchter von Haran (siehe 11:29! und Raschi in bezug auf Jiskah = Sarah).]

WARUM TERACH?

Was ist an Terach so Besonderes, daß er seine eigene „Toldot“ gleichsam verdient? Das ist wirklich schwer zu sagen, da wir über so wenige biblische Details über sein Leben verfügen.

Einerseits sieht es nach Sefer Jehoschua so aus, als sei er ein entschiedener Anhänger der Götzenanbetung gewesen (siehe Jehoschua 24:2). Betrachten wir dagegen den Bericht am Ende von Parschat Noach, dann scheint Terach der erste gewesen zu sein, der die spirituelle Bedeutung von Eretz Kenaan erfaßt hat, noch BEVOR Haschem Awraham befahl, dorthin zu ziehen (siehe 11:31).

[Vgl. Sefornos Erklärung dieses Pasuk (11:31). Beachten Sie im Gegensatz dazu, wie Ramban und Radak Terachs ‚Alija‘ völlig anders erklären.]

Es mag nun ein wenig zu ‚zionistisch‘ sein, Terachs Verdienst ganz einfach in der Tatsache zu sehen, daß er der erste war, der mit seiner Familie nach Eretz Kenaan zog. Andererseits ist das das EINZIGE Detail, das wir in der Thora über Terach finden, und daher sollte es uns als thematisch bedeutsam gelten.

[Wir könnten Terach tatsächlich als den ERSTEN wirklichen ‚Zionisten‘ betrachten – er PLANT, ‚Alija zu vollbringen‘ und ermuntert seine Familie, auch wenn er selbst nie soweit kommt!]

Man könnte auch annehmen, daß Terach und seine Nachkommenschaft vielleicht für einen anderen Aspekt des „Bechira“-Prozesses stehen, d.h. für das Potential, als würdig auserwählt zu werden. Da Terach von sich aus den ‚ersten Schritt‘ tut, könnte jeder seiner Nachkommen, der sich als würdig erweist, das Potential haben, in die ‚auserwählte Familie‘ aufgenommen zu werden.

Awraham Awinu, der nicht nur in die Fußstapfen seines Vaters tritt und sich ebenfalls auf den Weg nach Eretz Kenaan macht, sondern auch treu Gottes Befehl gehorcht, wird zum Urvater des Volkes Gottes. Nachor jedoch bleibt zurück. Lot (Harans Sohn) könnte das Potential gehabt haben, bei Awraham zu bleiben, aber er schließt sich durch sein eigenes Handeln aus, indem er das ‚gute Leben‘ in Kikar Ha’Jarden wählt (siehe Schiur zu Parschat Lech L’cha). Nachors Enkelinnen jedoch, Riwka und später Rachel & Leah, erweisen sich als würdig und arbeiten sich in Awrahams Familie zurück.

Auch wenn das Geschehen der „Bechira“ manchmal wie ‚zufällig‘ erscheinen mag, so bringt der Rahmen von „Toldot Terach“ vielleicht doch die Wichtigkeit persönlichen Engagements zum Ausdruck, um dieser „Bechira“ würdig zu werden.

TEIL II
„SERA W’ARETZ“
EIN VERSPRECHEN, EIN BUND UND EIN EID

Bevor er seinen Diener auf die Suche nach einer Frau für seinen Sohn schickt, sagt Awraham etwas sehr Interessantes, womit er die verschiedenen Stufen seiner

„Bechira“ noch einmal zusammenfaßt:

„Haschem Elokei ha’schamajim asher l’kachani m’BEIT AWI u’M’ERETZ MOLADATI w’ascher DIBER li, v’ascher NISCHBAH li laj’mor – l’ZARACHA E’TAJN et ha’ARETZ ha’zot…“ (24:7)

Rufen wir uns aus Parschat Lech L’cha in Erinnerung, daß Haschem drei Versprechen gemacht hatte (12:1-3, 12:7, 13:15) und zwei Bünde mit Awraham Awinu geschlossen hat (15:18, 17:8), die die Zukunft seiner Nachkommenschaft im Gelobten Land betrafen. Dabei wurde in der einen oder anderen Form immer wieder der Ausdruck „l’zaracha e’tajn et ha’Aretz ha’zot“ wiederholt.

Beachten Sie, wie Awrahams oben zitierte Aussage diese verschiedenen Versprechen widerspiegelt;

„ascher l’kachani m’BEIT AWI u’M’ERETZ MOLADATI“ antwortet auf das Anfangsversprechen:

„Lech l’cha m’artzcha, u’m’MOLADTICHA u’m’BEIT AWICHA“

Aus der Fortsetzung der Aussage „v’ascher DIBER li, v’ascher NISHBAH li laj’mor …“ ergibt sich jedoch eine naheliegende Frage, nämlich: Wann hat Gott vor Awraham einen EID (‚Nischba‘) in bezug auf das Land geschworen?

Die Kommentatoren sind sich über diese Frage nicht einig. Raschi erklärt, dieser Eid wurde an Brit bein Ha’Btarim geschworen, während Radak die Sache so versteht, daß sich der Eid auf die Akejda bezieht.

Der Grund für diese Kontroverse ist ganz einfach. In Akejda finden wir nur das Wort „Schwu’a“ in Verbindung mit Gottes Zukunftsversprechen an Awraham Awinu verwendet:

„bi nischbati n’um Haschem, ki …“ (see 22:16)

Radak beruft sich also auf die Akejda als Quelle für „Nischba li“. Raschi jedoch würde sagen, in der Akejda gibt es gar keine Erwähnung von „l’zaracha e’tajn et ha’Aretz ha’zot“, oder eines ähnlichen Ausdrucks. Daher beruft sich Raschi auf Brit bein Ha’Btarim als Quelle, weil sich hier folgender Satz findet:

„b’jom ha’hu ka’rat Haschem [siehe Schem Hawaja wie oben in 24:7] et Awram brit laj’mor: l’zaracha na’tati et ha’Aretz ha’zot…“(15:18)

Obwohl das Wort „Schwu’a“ in Brit bein Ha’Btarim nie faktisch gebraucht wird, könnte doch die bloße Tatsache, daß Gott mit Awraham einen Bund schließt, für eine „Schwuah“ [einen Eid] sprechen.

Betrachtet man jedoch diese Psukim in Akejda genauer, könnte man auch zu dem Schluß kommen, daß SOWOHL Raschi WIE Radak Recht haben.

Erklären wir das:

Wir zitieren zunächst genau Gottes Eid gegenüber Awraham Awinu gleich nach der Akejda:

„Ich selbst SCHWÖRE [„bi nischbati“], sagt der Herr: Weil du dies getan und deinen Sohn nicht gespart hast … werde ich meinen Segen über dich spenden [„ba’rech a’warech’cha“] und deine Nachkommenschaft so zahlreich machen wie die Sterne am Himmel [„k’kochvei ha’schamajim“] … und deine Nachkommen werden die Tore ihrer Feinde ERSTÜRMEN [„w’JIRASH zaracha et scha’ar oj’waw“]…(15:17)

Ziehen wir in Betracht, daß dieser Schwur gleich nach der Akejda abgegeben wurde, so bezieht er sich in erster Linie auf Awrahams Nachkommen („Sera“), die aus Jitzchak hervorgehen werden – dem Sohn, der ihn begleitet hat, und weniger auf das Land („Aretz“).

Dennoch enthält dieser Eid mehrere Ausdrücke, die beinahe wörtliche Zitate aus Gottes vorhergehenden Versprechen an Awraham in bezug auf das „Aretz“ sind, insbesondere aus Brit bein Ha’Btarim. Die folgende Aufstellung verdeutlicht diese Verbindung:

AKEJDA (15:17) FRÜHERE VERSPRECHEN
ki ba’rech awarech’cha w’awar’rech’cha.. wheje bracha
(Erstes Versprechen – 12:2)
w’harbe arbe za’arche habet ha’shamajim – u’reah et
k’kochowei hashamajim kochawim… ko j’hijeh za’recha
(Brit bein Ha’Btarim – 15:5)
w’jirash za’racha et lo ji’rash’cha zeh, ki ijm asher jetze
shaar oj’waw m’mej’eka, hu ji’rashecha
(Brit bein Ha’Btarim – 15:4)
w’hitbarchu bzaaracha W’niwrchu b’cha, kol mishpachot
kol gojei ha’Aretz… ha’addama
(15:18) (Erstes Versprechen – 12:3)
Diese Parallele zeigt, daß Gottes Eid nach der Akejda als Bekräftigung seiner früheren Versprechen und des Bundes dient. So läßt sich Awrahams Aussage:

„w’asher nischba li laj’mor l’zar’acha etajn et ha’Aretz ha’zot“ als sein eigenes Verständnis von Gottes Versprechen SOWOHL von Brit bein Ha’Btarim (Schitat Raschi) ALS AUCH der Akejda (Schitat ha’Radak) begreifen.

Diese Auslegung erklärt auch die Wiederholungen in Awrahams Rede:

* „ascher DIBER li w’ascher NISHBA li“:

* „ascher DIBER li“ – bezieht sich sehr wahrscheinlich auf Brit bein Ha’Btarim, wie es am Anfang heißt: „haja DWAR Haschem el Awram…“ (15:1, siehe auch 15:4);

* während „ascher NISCHBA li“ sich auf den Eid gleich nach der (22:16) bezieht.

DER EID

Wozu ist ein Eid ZUSÄTZLICH zu Gottes ursprünglichem Versprechen und Bund notwendig? Und weiter: weshalb wird dieser Eid erst nach der Akejda geschworen? Um diese Fragen zu beantworten, müssen wir uns zunächst noch einmal das Wesen der ursprünglichen Versprechung und des ursprünglichen Bundes klarmachen, wie sie in den letzten drei Schiurim erklärt wurden.

Erinnern wir uns, daß Gott als Antwort auf die Ereignisse von Migdal Bawel (Entwicklung der Menschheit zu einer anthropozentrischen Gesellschaft) Awraham Awinu auserwählt hat, DAMIT seine Nachkommenschaft zu einem ganz besonderen Volk wird, das alle Völker zu einer an Gott orientierten Existenz führen soll [Noach]. Drei Versprechen und zwei Bünde gab es mit Awraham Awinu, die ein besonderes Land („Aretz“) für seine Nachkommenschaft („Sera“) betrafen, in dem dieses Volk seine Sendung erfüllen würde [Lech L’cha]. Dieses Ziel sollte dadurch erreicht werden, daß dieses ganz besondere Volk charakterisiert ist durch seine Einhaltung von „Zedek u’Mischpat“ [siehe Schiur zu Parschat Wa’jera].

Man könnte annehmen, Gott habe in Anbetracht von Awraham Awinus Beweis seines unbedingten Glaubens und seiner völligen Hingabe, wie sie in der Geschichte der Akejda zum Ausdruck kommen, sein ursprüngliches Versprechen noch einmal verstärkt und es vom Status des ursprünglichen Versprechens, „brit“ [Bund] auf die Stufe eines Eides, „Schwuah“, erhoben.

Wo liegt der Unterschied zwischen beiden?

Im Bund liegt die Idee, daß er gebrochen werden kann, wenn sich die andere Seite nicht daran hält. Schon das Wort „Brit“ sagt ja, daß hier ZWEI Seiten beteiligt sind. Bei der Akejda erhöht Gott seine eigene Verpflichtung um eine weitere Stufe. Ein Eid ist eine einseitige Verpflichtung – er ist bindend, ganz gleich, was die andere Seite tut. Selbst wenn Am Jisrael seinen Teil des Bundes brechen sollte, schwört Gott nun einen Eid, daß er selbst sein ursprüngliches Versprechen niemals brechen wird: ganz gleich, was Am Jisrael auch tun mag. Sein Volk mag zwar sündigen und kann auf verschiedene Weise bestraft werden, aber es wird dennoch für immer sein Volk bleiben.

Hier liegt die überragende Bedeutung der Akejda in bezug auf das Thema, das sich in Sefer Bereschit entwickelt. Am Ende der Geschichte von Awraham Awinu erhebt Gott die Beziehung zwischen sich selbst und Bnei Jisrael auf eine Ebene, auf der er uns niemals verlassen wird.

Die Akejda, das größte Beispiel für „M’sirut Nefesch“, symbolisiert einen wichtigen Zug, der Voraussetzung dafür ist, daß Am Jisrael zu Gottes auserwähltem Volk werden kann – den Willen nämlich, sein ganzes Leben dem Dienst an Gott zu widmen. Der Ort der Akejda, Har Ha’Morija, wird später zum Ort des Bet Ha’Mikdasch (siehe II Chroniken 3:1), des Symbols dieser Beziehung.

FÜR WEITERE IJUN

A. Achten wir auf Gottes Botschaft an Jitzchak, als ihm befohlen wird, im Land zu bleiben und nicht nach Ägypten zu ziehen (26:1-5).

1. Achten Sie auf jeden Satz und setzen Sie alles in Beziehung zu den früheren Versprechen.

2. Bringen Sie dies mit dem obigen Schiur und mit dem Gebrauch von „Shwuah“ in Verbindung.

B. AKEJDAT JITZCHAK

Die Akejda bringt den Konflikt zwischen göttlichem Gebot („Tzi’wui Eloki“) und natürlichem moralischen Instinkt („Musar Tiwi“) auf den Punkt. Die Tötung eines anderen Menschen, insbesondere des eigenen Sohnes, widerspricht allen Grundprinzipien der menschlichen Ethik. Nur ein direkter göttlicher Befehl, wie in der

Akejda, kann dieses fundamentale Prinzip außer Kraft setzen. Beachten Sie, daß das göttliche Gebot in der Akejda, sowie die gesamte Erzählung bis Pasuk 22:10 b’Schem Elokim geschrieben ist. Genau an dem Punkt, da Awraham dabei ist, seinen Sohn zu opfern, ändert Gott, b’Schem Hawajah, sein Gebot (22:11).

1. Versuchen Sie, den Sinn dieser Änderung zu erklären.

2. Setzen Sie dies zu Haschems Namen in Bezug, wie er beim ursprünglichen Versprechen von Lech L’cha und an Brit bein Ha’Btarim, sowie im obigen Schiur gebraucht wird.

3. Was bedeutet es, daß Awraham einen „Ajil“ als korban anstelle Jitzchaks opfert? Wie hängt das mit dem Grund für Korbanot im allgemeinen zusammen?

Fragen Sie sich ausgehend von ihrer Antwort, weshalb gerade dieser Ort für Bet

Ha’Mikdasch ausgewählt wird.

C. WESHALB WIRD RIWKA ERWÄHNT?

Benei Nachor (22:20-24) werden gewöhnlich so verstanden, daß sie der Einführung Riwkas dienen sollen (siehe Raschi). Wäre dies jedoch der Fall, dann bräuchte nur ihr Vater Erwähnung zu finden – weshalb schließlich sämtliche Kinder Nachors aufführen? Auf der Grundlage des obigen Schiur ist die Antwort jetzt ganz einfach: wir befinden uns noch immer unter Toldot Terach, und deshalb ist es notwendig, die Abstammungslinie von Nachor, Terachs Kind, zu kennen.

Riwka ist der einzige Name auf dieser Liste, der nicht erwähnt werden muß, da sie der nächsten Generation angehört. Sie wird aber dennoch genannt, weil wir von ihr wissen müssen, um die folgende Geschichte und ihre Heirat mit Jitzchak verstehen zu können.

D. TOLDOT AWRAHAM

Wir haben oben gesehen, daß jeder auserwählte Einzelne in Sefer Bereschit sein eigenes ‚eleh Toldot‘ erhält, AUSGENOMMEN Awraham! Wenn Toladot Bechira widerspiegelt, dann verdient Awraham mehr als jeder andere ein eleh Toldot. Aus irgendeinem Grund wird die Geschichte von Awrahams „Bechira“ jedoch unter der Rubrik Toldot Terach erzählt. Das Fehlen eines ‚eleh Toldot‘ für Awraham deutet darauf hin, daß es entweder mit seiner ‚Bechira‘ oder mit seiner Fähigkeit, Kinder zu haben (oder mit beidem) etwas ganz Besonderes auf sich hat.

Man könnte annehmen, daß Awrahams Mangel an Toladot [erinnern wir uns: buchstäblich: Nachkommenschaft] in Bezug zu den Schwierigkeiten steht, die er mit der Erzeugung von Nachkommenschaft hat. Der Prozeß ist lang und schmerzhaft: er erfordert, daß er und Sarah ihre Namen ändern, und er erfordert ein kleines Wunder, nur, damit das Kind geboren werden kann. Und selbst dann ist die Arbeit noch nicht beendet, weil das Kind bei der Akejda zu Haschem zurückkehren muß. Das Fehlen jeder Erwähnung eines ‚Toldot Awraham‘ könnte somit auf die schwere Zeit hinweisen, die Awraham durchmachen muß, um Vater zu werden und sein Kind großzuziehen. [Das mag auch erklären, warum „Awraham HOLID et Jitzchak“ hinzugefügt wird zu [Eleh Toldot Jitzchak“.]

Die Frage bleibt aber trotz allem stärker als ihre Antwort.

E. – Ein Mini-Schiur / AWRAHAM AWINU & der ‚WIRKLICHE‘ LANDBESITZ

Der Anfang des Parscha dieser Woche ist bekannt für seine detaillierte Beschreibung des Handels zwischen Awraham und Efron. Manche behaupten, Efron habe immer schon die Absicht verfolgt, den höchsten Preis zu erzielen (siehe 23:16) und erklären, daß sein großzügiges Angebot zu Beginn (siehe 23:5-6) nichts als eine List gewesen ist. Aber selbst wenn diese Annahme richtig ist – weshalb sollte Sefer Bereschit es nötig finden, dieses Ereignis so ausführlich zu erörtern?

Nach unserer Grundannahme, wonach die Erzählungen von Sefer Bereschit das Thema „Bechira“ entfalten helfen, wäre es sinnvoller, diese Erzählung eher aus der Perspektive dieses Themas zu betrachten. Versuchen wir’s.

ZWEI WAHRNEHMUNGEN

Um besser zu verstehen, was hier eigentlich vor sich geht, müssen wir dieses Ereignis aus zwei Perspektiven betrachten, d.h. wir müssen uns einmal fragen, wie Bnei Chet es sieht, und dann, wie Awraham es sieht:

1) Bnei Chets Wahrnehmung:

Efron und sein Volk [Bnei Chet] herrschen allein in Chewron und den umliegenden Ländereien. Ihre Familien hatten schon seit Generationen in diesen Bergen gelebt und nahmen mit gutem Grund an, daß sie auch weiterhin dort leben würden. In ihren Augen stellte Awraham keinerlei Bedrohung für ihre Herrschaft dar. Er ist einfach bloß ein ‚wandernder Jude‘, der die erste Hälfte seines Lebens in Mesopotamien verbracht hat. Nach seiner ‚Alija‘ im Alter von 75 Jahren hatte er nomadisch gelebt, er bereiste Städte wie Schchem, Bet-el, Chewron und Beer Schewa.

Wo immer er unterwegs war, rief er zudem ‚den Namen Gottes an‘. Dafür wurde er berühmt. Bnei Chet sprechen von ihm als „nasi Elokim ata b’tocheinu“ – du bist ein Fürst, ein Gott in unserer Mitte (siehe 23:6). Seiner Lehren wegen muß Awraham jedoch ständig ‚unterwegs‘ sein, und daher bezweifeln sie, ob er je zurückkehren wird.

Es besteht also kein Grund zum Zweifel an der Ernsthaftigkeit ihres ursprünglichen Angebots, Awraham (kostenlos) eine Grabstelle nach seinem Wunsch zur Verfügung zu stellen (siehe 23:5-7). Auch heute noch ist es nicht ungewöhnlich, daß eine Gemeinschaft Einzelne schätzt und achtet, die Moral predigen und ihr Leben Gott widmen (der ‚Bonus der Geistlichen‘, wie wir sagen).

Ihr großzügiges Angebot widerspiegelt ganz einfach ihre Wahrnehmung von Awrahams Lage: ein wandernder ‚Gottesmann‘, der einen Ort sucht, seine Frau zu begraben. Ihrer Meinung nach würden sie diese Familie wahrscheinlich nie wiedersehen. Schließlich war Awrahams einziger Sohn von Sarah noch nicht einmal verheiratet. Für Bnei Chet bedeutete diese ganze Episode nichts, da Awraham keine Bedrohung für ihre Zukunft darstellte, und auch nicht für ihr Verbleiben im Land.

2) Awraham Awinus Wahrnehmung:

Awraham Awinu dagegen sah seine Lage ganz anders. Seine Frau war gerade verschieden, er brauchte eine Grabstelle für sie, und da wurde ihm plötzlich klar, daß er nichts als ein göttliches Versprechen besaß und keinerlei Handhabe über das Land. Für Awraham war der Kauf einer Familiengrabstätte der erste Schritt einer dauerhaften Bindung an das Land. Er will sicherstellen, daß seine Kinder und Enkel an diesen Ort zurückkehren werden, um ein Gefühl für die Verbundenheit mit diesem Land zu entwickeln.

Daher besteht Awraham auf der Zahlung des vollen Preises. Geschenke interessieren ihn jetzt gar nicht. Er will, daß alle wissen: diese Grabstätte und die umliegenden Felder gehören seiner Familie. Zu diesem Zweck will er den vollen Kaufpreis zahlen, und zwar vor den Führern der Gemeinschaft („l’chol ba’ej schaar iro“ / lesen Sie 23:16-20 sorgfältig). Nach Awraham Awinus Ansicht ist dieser Kauf von großer Tragweite; er hat seine erste „Achusa“ in „Eretz Kenaan“ erworben (vgl. 23:19-20!).

[Beachten Sie: Um die ganze Bedeutung dieses Handels zu verstehen, sind die oben angeführten Psukim bis 17:7-8 zu vergleichen. Setzen Sie diesen Vergleich in Bezug zum vorhergehenden Schiur über Brit Milah. Beachten Sie auch die Betonung von „Achusa“ und „Eretz Kenaan“ in der Wiederholung dieser Psukim in 25:9-10, 49:29-30 & 50:13!]

Schabbat Schalom,
Menachem

Ein Projekt der Synagoge Fraenkelufer-Berlin