Parashath VaJikra – Ein Pfand der Verantwortung

Chabad Lubawitsch

Am Ende von Wajikra, dem neuen Wochenabschnitt, geht es um ein Gebot für die Inhaber einer Sicherheit oder eines Pfandes.

Der Talmud erzählt, der große Rabbi Jehuda HaNassi, der selbst sehr reich war, habe reiche Leute sehr respektvoll behandelt, denn er wusste, dass Reichtum eine kostbare Gabe ist. Letztlich ist jeder Besitz ein Pfand, das G-tt uns während unseres kurzen Lebens anvertraut. Je größer der Besitz ist, desto vertrauenswürdiger und verlässlicher muss der Beschenkte sein. Wenn G-tt also einem Menschen Reichtum oder Macht gebe, sagte Rabbi Jehuda, so sei dies ein Zeichen dafür, dass dieser Mensch in den Augen des Ewigen zuverlässig sei, das heißt, dass er sein Geld oder seine Macht für gute Zwecke nutzen werde. Darum habe er Respekt verdient.

Die folgende Geschichte illustriert diesen Gedanken: dass uns Besitz und Macht von G-tt anvertraut werden – aber nicht nur, um unsere eigenen Bedürfnisse zu decken, so edel diese auch sein mögen, sondern auch, um anderen zu helfen, sei es durch Wohltätigkeit, sei es durch Arbeitsplätze.

Ein Anhänger eines Chabad-Rebbe war ein reicher Geschäftsmann, der sein anstrengendes weltliches Leben satt hatte. Er wollte mehr Zeit für das Gebet und das Studium haben. Also beschloss er, seine Fabrik zu schließen und sich künftig ganz einem religiösen Leben zu widmen. Er konnte es kaum erwarten, dem Rebbe von seinem frommen Plan zu berichten. Endlich empfing der Rebbe ihn zu einem Gespräch und erfuhr die Neuigkeit. Nach einigen Augenblicken des Schweigens sagte der Rabbi ernst: „Hast du auch nur einen Moment an die vielen Arbeiter in deinem Betrieb gedacht? Ist dir nicht klar, warum G-tt dir deinen Reichtum gegeben hat? Er hat es nicht nur zu deinem Nutzen getan, sondern auch für die Menschen, denen du einen Arbeitsplatz gibst!“ Der Gedanke, dass uns Reichtum und Macht von G-tt anvertraut worden sind, ist sehr wichtig. Wir alle müssen uns darüber im Klaren sein, dass Wohlstand und Macht auch große Verantwortung mit sich bringen.

DER STANDPUNKT DES REBBE

GEDANKEN UND EINSICHTEN DES LUBAWITSCHER REBBE
Wer verantwortungsbewusst ist, lässt sich nicht davon beeindrucken, dass er eine gute Ausrede hat. Wenn er sein Ziel nicht erreicht hat, ist er gescheitert, trotz aller guten Gründe.

Leitgedanken

„Und er rief Mosche“ (1:1).
Frage: Warum ist es üblich, dass Kinder, die mit dem Chumasch anfangen, nicht mit Bereschit beginnen, sondern mit Wajikra?
Antwort: Kleine Kinder sind unschuldig und rein (tahor), und in Chumasch Wajikra geht es um karbanot (Opfer), die ebenfalls rein sind und den Menschen spirituelle Reinheit (tahara) schenken. Darum ist es sinnvoll, dass Kinder zu Beginn ihrer Erziehung etwas über Reinheit lernen.
Außerdem werden in Chumasch Wajikra vor allem die karbanot erörtert, die das jüdische Volk G-tt darbrachte. Daraus können sowohl die Kinder als auch ihre Eltern etwas lernen.
Jüdische Eltern müssen Opfer bringen, damit ihre Kinder die Torah studieren können. Ihr Lebensstil darf den Lehren der Torah, die ihre Kinder erlernen, nicht widersprechen. Es kann sogar sein, dass die Eltern unnötigen Besitz verkaufen müssen, um die Schulgebühren bezahlen zu können.
Jüdische Kinder müssen von Anfang an wissen, dass Opfer und Hingabe notwendig sind, damit ihr Torahstudium Erfolg hat. Man darf sich nicht bequem zurücklehnen und auf Einsichten warten. Ein Torahschüler muss immer daran denken, was unsere Weisen gesagt haben (Megilla 6b): „Wenn jemand sagt: Ich habe mich angestrengt und es geschafft, dann glaube ihm. Denn nur eifriges Lernen bringt Erfolg.“

Das Ei vor Gericht

Einige Heiden beschuldigten einst die Juden einer Stadt in Osteuropa, ein christliches Kind ermordet zu haben, um mit seinem Blut Matzes zu backen.

Die Sache kam vor ein Gericht. Der Rabbi der Gemeinde verteidigte die Juden, die verleumdet worden waren. Während des Prozesses fragte der Rabbi den Richter, ob er jemanden vorladen dürfe. Der Richter war einverstanden. Der Rabbi bat die Wache, eine jüdische Frau von der Straße zu holen – irgendeine. Bald kehrte die Wache mit einer einfachen jüdischen Hausfrau zurück, die einen Korb in der Hand trug. Sie sah überrascht aus.

Der Rabbi gab ihr ein Ei und fragte: „Würdest du für mich ein Ei braten?“

Die Frau schlug das Ei auf, aber bevor sie es in die Pfanne leerte, untersuchte sie es sorgfältig auf Blutspuren.

„Erkläre bitte dem Gericht, warum du das Ei so genau untersuchst“, sagte der Rabbi.

„Oh, das mache ich immer. Zuerst schaue ich, ob es Blutspuren hat, und erst dann tue ich es in die Pfanne“, sagte die Frau.

Der Rabbi lächelte zufrieden. „Euer Ehren! Selbst eine einfache jüdische Frau nimmt kein Ei, das Blut enthält. Glaubt Ihr wirklich, wir Juden seien fähig, Matzen mit Blut zu backen?“

Richtiges Opfern

Der neue Wochenabschnitt, Wajikra, beschreibt, wie am Altar geopfert wurde. Hat das irgendeine Bedeutung für Sie? Vielleicht schmeckt Ihnen Tante Sarahs Rostbraten, aber Sie waren wahrscheinlich nicht am Schlachten des Tieres beteiligt. Und in der Synagoge werden keine rituellen Opfer dargebracht. Was also können Sie aus diesen Versen lernen?

Sie können daraus lernen, daß das Opfer eine Metapher und im Gegensatz zu Tante Sarahs Rostbraten transzendenter Natur ist:
1. Hole deine Seele. Die Torah will „ein Opfer von dir“ haben. Hier geht es um eine innere Handlung: Sie greifen in Ihre Seele und machen sie anderen zugänglich – „opfern“ heißt auf hebräisch auch „näherkommen“.
2. Füge Fleisch hinzu. Der Umgang mit der Seele ist einfach, denn sie ist „ein Teil G-ttes“. Der aufsässige Teil von Ihnen ist der animalische Teil, die körperlichen Wünsche und Instinkte. Aber auch diese müssen Sie opfern.
3. Prüfe die Zutaten. Wenn ein Tier auf dem Altar geopfert werden sollte, mußte es ohne Fehler sein. Auch wir müssen prüfen, ob wir Fehler haben, und diese Fehler korrigieren.
4. Schneide das Fett weg. Einen Fehler einzuräumen ist der erste Schritt zu Besserung. Danach müssen wir G-tt dienen, um unsere Sünden auszulöschen.
5. Lege es ins Feuer. Wenn Sie „näherkommen“, tötet das Feuer der Seele Ihre animalischen Triebe. Ein Wissenschaftler würde sagen: Materie wird in Energie umgewandelt: die Materie der animalischen Instinkte in die Energie der g-ttlichen Liebe.
6. Genieße es. Schließlich verschmelzen die einzelnen Zutaten, das heißt, Ihr Feuer vereinigt sich mit dem Feuer des Himmels. „Und du wirst den H-rrn, deinen G-tt, von ganzem Herzen lieben.“
Ist das ein Opfer? Nicht in dem Sinne, daß Sie leiden oder ärmer werden müßten. Sie geben nur Ihren Widerstand gegen den Ruf der Torah auf und entdecken Ihre wahre, g-ttliche Natur. Dann können Sie von ihrer Fülle essen und trinken.

Purim ist ein Fest, das reich an symbolischer Nahrung ist. Denken Sie in dieser Zeit daran, daß die ganze Torah ein unsagbar herrliches Mahl ist, von dem Sie auch in mageren Zeiten kosten dürfen.

Bon appetit! wie die Franzosen sagen, oder auf hebräisch: l’chajim!

DER STANDPUNKT DES REBBE

GEDANKEN UND EINSICHTEN DES LUBAWITSCHER REBBE

Wir können den Menschen mit einem Schrein vergleichen. Der Körper, der aus Gewebe, Knochen usw. besteht, ist materiell, aber in ihm wohnt die Seele, die spirituell, heilig und rein ist. Darum müssen wir auch den Körper heiligen wie einen Schrein, in dem wir ein Sefer Torah aufbewahren.

Leitgedanken

Sie werden das Blut auf den ganzen Altar gießen … und das Fett (Lev. 1:5,8).
Sowohl das Blut als auch das Fett werden auf dem Altar geopfert. Das lehrt uns, wie wir die Mizwot korrekt einhalten müssen. Blut symbolisiert Erregung, Tempo und Aktivität; Fett steht für Faulheit und Untätigkeit. Wir sollen also eine Mizwa schnell und mit Begeisterung ausführen. Wenn wir aber, was G-tt verhüten möge, in Versuchung geraten zu sündigen, sollen wir darauf langsam und inaktiv reagieren. (Scha’ar Bait Rabim)

Wenn der Herrscher eines Stammes sündigt (Lev. 4:22).
Der vorige Vers endet mit den Worten „Es ist ein Sündopfer der Gemeinschaft.“ Aus dem Zusammenhang der beiden Verse folgt, daß ein Mann, der andere führt, beispielhaft handeln und Sünder ermahnen muß. Er ist ein Vorbild, und wenn er sündigt, tun die anderen es ebenfalls. Darum muß er nicht nur für seine eigenen Sünden Buße tun, sondern auch für die Sünden der Menschen, die er führen soll. (Chida)

Kontakt mit dem inneren Wunder

Ist es nicht überraschend, daß die Eltern in vielen Ländern für ihre Kinder nicht nur „moderne“ Namen aussuchen, sondern auch Namen wählen, die wir aus der Bibel kennen – zum Beispiel Sarah, David, Jonathan, Rachel und Daniel?

Einerlei, ob das bewußt geschieht oder nicht, diese Namen folgen einer Tradition, die besonders für die jüdische Gemeinschaft und vielleicht auch für andere wichtig ist. Wir haben ein spirituelles Erbe übernommen, eine goldene Kette, die Tausende von Jahren zurück reicht. So wie unsere Seele „ein wahrer Teil G-ttes“ sind, so haben wir eine Art metaphysische DNS von Abraham, Sarah, Isaak, Rebekka, Jakob, Leah und Rachel geerbt.

Was geschieht, wenn Sie ein vertrautes Gesicht sehen? Denken Sie an die letzte Beleidigung, an unangenehme Eigenschaften? „Sie zahlt nie ihren Anteil am Essen“, oder: „Er raucht wie ein Schornstein.“ Oder sehen Sie das Gute, das Potential, den Abraham oder die Sahah in diesem Menschen?

Wir können nicht alle ein Mosche sein, wenn es um Nächstenliebe geht. Aber wir sollten den Beginn dieses Wochenabschnittes im Auge behalten. In Wa-jiqra, dem Anfang von Levitikus, heißt es: „Und der H-rr rief Mosche und redete mit ihm.“ Zuerst rief er ihn, dann sprach er mit ihm. Das soll nicht heißen, daß Mosche sich der Gegenwart G-ttes nicht stets bewußt gewesen wäre – sie ist schwer zu übersehen! Aber G-tt rief ihn und zeigte damit seine Liebe nicht nur für ihn, sondern für das ganze Volk, deren Oberhaupt Mosche war. G-tt rief Mosches Seele.

Diese einfache Gewohnheit – das Spirituelle in einem Menschen zu sehen, dem Sie begegnen – hat enorme Folgen. Betrachten wir es einmal anders: Jeder Jude ist ein lebendes Wunder. Von Haman über Hitler bis Hamas sind alle Versuche gescheitert, unser kleines Volk auszulöschen, und sie werden immer scheitern. Wissen Sie warum? Sie wissen es. In einem größeren Sinne ist jeder Mensch ein Wunder. Die ungeheure Leere und Unwirtlichkeit des Universums sprechen dagegen, daß Geschöpfe wie wir ständig geschaffen werden. Dennoch sind wir da.

Aber wir brauchen keine kosmischen Maßstäbe anzulegen, um uns zu wundern. Wissenschaftler werden von Ehrfurcht ergriffen, wenn sie über unsere Existenz nachdenken, und obwohl sie intelligentes Leben anderswo im Weltraum für möglich halten, werden sie sehr erstaunt sein, wenn sie eines Tages mit diesen „anderen“ sprechen.

Wenn Sie also wieder einen Menschen auf sich zukommen sehen, denken Sie nicht an den Nudnik, Schlemeil oder Schmegegge in ihm. Blicken Sie in das Erbe, das er symbolisiert – dann reden Sie auf einmal mit einem Menschen, der ein Wunder ist.

DER STANDPUNKT DES REBBE

GEDANKEN UND EINSICHTEN DES LUBAWITSCHER REBBE
Wer sich bemüht, sein Wissen über das Judentum zu erweitern und die Kostbarkeit der Torah und der Mizwot immer mehr begreift, wird feststellen, daß seine Sehnsucht zunimmt und er immer mehr wissen will. Darum wird er mit sich selbst unzufrieden und ungeduldig. Das sind natürliche „Wachstumsschmerzen“ bei der spirituellen Entwicklung, und das erklärt auch die Worte unserer Weisen: „Mehr Wissen heißt mehr Schmerzen“.

Leitgedanken

Und G-tt rief Mosche und redete mit ihm aus dem Zelt der Begegnung und sprach … (Lev. 1:1)
Raschi erläutert, daß G-tt den Mosche vor jedem Gespräch rief. Das war ein Zeichen seiner großen Liebe. Die Liebe zwischen G-tt und Mosche ist ein Symbol der liebevollen Beziehung, der das jüdische Volk sich erfreute, während der heilige Tempel stand und die Gegenwart G-ttes im Allerheiligsten wohnte. Diese Liebe ist während es Exils nicht kleiner geworden; sie ist nur weniger offenkundig.
Wir können der Beziehung zu G-tt ihren einstigen Glanz wiedergeben, wenn wir unsere jüdischen Mitmenschen bedingungslos lieben. Wenn das jüdische Volk brüderlich vereint ist, wird G-ttes Liebe zu Mosche wieder offenbar werden: Die Toten werden auferstehen, und der dritte heilige Tempel wird errichtet werden. (Likutei Sichot, Bd. 27)

Wenn einer von euch ein Opfer bringen will … (Lev. 1:2)
Das Tun des ganzen jüdischen Volkes sorgt dafür, daß heilige und rechtschaffene Zaddikim einen so hohen spirituellen Rang haben. Es ist das Verdienst des Volkes, daß der herausragende Vertreter einer Generation G-tt immer näher kommt. (Alschich)