Von Rabbi Menachem Leibtag
Schiurimreihe Fraenkelufer
Segnungen – in Sefer Bereschit gibt es so viele davon, besonders in Parschat Wa’jchi. Was bedeuten sie eigentlich?
Um diese Frage zu beantworten, ordnet der Schiur dieser Woche die Segnungen in Sefer Bereschit in drei Kategorien: „Bechira“, „Bechora“ und „Bracha“ – und erklärt dann ihre Bedeutung in Parschat Wa’jchi.
EINFÜHRUNG / RÜCKBLICK
In unserem Schiur zu Parschat Toldot haben wir zwei Kategorien von Segnungen definiert, um die Natur der Segnungen Jitzhaks zu erklären:
(1) „Bechira“, & (2) „Bracha“.
Mit „Bechira“ haben wir Gottes besonderen Segen für Awraham bezeichnet, dem zufolge seine Nachkommenschaft („Sera“) das ‚gelobte‘ Land („Eretz“) erben würde. Dieser Segen wurde Awraham Awinu zum ersten Mal zu Beginn von Parschat Lech L’cha (12:1-3) erteilt und dann oft wiederholt, nicht nur an Awraham, sondern auch an Jitzhak und Jaakow.
Als „Bracha“ haben wir die Segnung des persönlichen Geschicks definiert, etwa für Wohlstand oder Macht, die einem Sohn (oder den Söhnen) vom Vater erteilt wird. Ein Beispiel dafür ist der Segen für Wohlstand und Führerschaft, den Jitzhak ursprünglich Esaw erteilen wollte, der aber von Jaakow ‚gestohlen‘ wurde.
Gegen Ende von Sefer Bereschit schließt der „Bechira“-Prozeß ab, als Gott ALLE Kinder Jaakows (des letzten der Awot) auserwählt. In diesem Stadium erteilt Jaakow allen seinen Kindern „Brachot“ (siehe 49:1-28).
JOSEPHS BRACHA – BECHIRA oder BCHORA ?
Unsere Einführung erklärt zwar schon die Natur von Jaakow’s „Brachot“ an seine zwölf Söhne in Kap. 49, aber sie erklärt nicht, weshalb Joseph in Kap. 48 seine beiden Söhne Menasche und Ephraim zur Segnung zu ihrem Großvater bringt.
Um diesen Segen zu verstehen, müssen wir uns genauer ansehen, was Jaakow sagt, als Joseph mit seinen beiden Söhnen zu ihm kommt (siehe 48:1-2). [Wir zitieren diesen Pasuk in Hebräisch, um die textuellen Parallelen zu früheren Segnungen der Awot zu unterstreichen.]:
[Und Jaakow sprach zu Joseph]: „KEL SCHADDAI nirah aj’li b’Luz b’Eretz Kenaan wa’jwarech oti: „hi’nni MAFR’CHA w’HIR’BITICHA u’naticha l’khal Amim -w’natati et ha’ARETZ ha’sot, l’SAR’ACHA acharecha Achuzat olam“ (48:3-4)
Auf den ersten Blick scheint es, als erteile Jaakow hier einen besonderen Segen, ähnlich dem, den wir als „Bechira“ definiert haben, ein Segen, den Jitzhak Jaakow vor seiner Abreise aus Eretz Kenaan (auf der Flucht vor Esaw) erteilt hatte:
[Und Jitzhak sprach zu Jaakow]: „w’KEL SCHADDAI j’warech otcha w’JIF’RCHA w’HIR’BECHA w’hajitah l’khal Amim -w’jitejn lcha et Birkat Awraham lcha u’l’SAR’ACHA itach, l’rischtcha et ERETZ mgurecha… “ (28:3-4)
Dieser Segen lautet auch fast gleich wie Gottes ‚offizielle‘ „Bechira“ für Jaakow bei seiner Rückkehr nach Eretz Kenaan (bei Bet El):
[Und Gott sprach Jaakow] „ani KEL SCHADDAI, PRE u’RWEH, goj u’khal amim j’hijeh mi’meka… w’et ha’ARETZ ascher natati l’Awraham w’Jitzhak et’nena u’l’SAR’ACHA acharecha etejn et ha’ARETZ“ (35:11-12)
Könnte es sein, daß Jaakow für Joseph die „Bechira“ wünscht, wobei seine Brüder dann ausgeschlossen wären?! Ist unsere ursprüngliche Annahme falsch, wonach der „Bechira“-Prozeß mit Jaakow sein Ende erreichte?
Die Antwort ist ganz einfach. In diesen Psukim (48:3-5) segnet Jaakow Joseph nicht MIT der „Bechira“. Vielmehr INFORMIERT er Joseph ÜBER die „Bechira“, um ihm den nötigen Hintergrund zu geben, damit er die Segnung, die er erhalten soll, zu würdigen weiß – die Segnung, die wir nun als „BCHORA“ definieren:
„Nun denn, deine beiden Söhne, die dir im Land Ägypten geboren wurden … mein seien sie; Ephraim und Menasche sollen mein sein wie Reuwen und Schimon.“ (48:5)
Anders gesagt: obgleich alle Brüder auserwählt sind, erhält Joseph einen ganz besonderen Status: er bekommt die DOPPELTE Portion („Pi-Schna’jim“) im Vergleich zu seinen Brüdern, d.h. sowohl Ephraim wie Menasche gelten als „Schwatim“ (Stämme), nicht anders als Reuwen oder Schimon.
Daher erinnert Jaakow Joseph vor Erteilung des Segens an den „Bechira“-Prozeß (48:4). Nun, in diesem Rahmen der auserwählten Familie (von Jaakows 12 Söhnen) erhält Joseph eine doppelte Portion (48:5-6) – was nach Sefer Dewarim (21:17) „Mischpat Ha’Bchora“ genannt wird (das feststehende Recht des Erstgeborenen).
Jaakow wählt weder, noch verwirft er eines seiner Kinder. Er erteilt nur einfach Joseph die „Bchora“, bevor er alle seine anderen, älteren Kinder segnet, jedes mit seiner eigenen „Bracha“ (auf der Grundlage ihres Charakters und Potentials /siehe 49:1-28).
Gleich der nächste Pasuk stützt unsere Erklärung:
„Deine Nachkommen aber, die du nach ihnen gezeugt, sollen dein sein; nach dem Namen ihrer Brüder sollen sie genannt werden in ihrem Erbteil.“ (48:6)
Sollte Joseph also noch mehr Kinder haben, ist ihr Teil in den Teilen von Menasche und Ephraim eingeschlossen. Als Familien-„Bchor“ erhalten Joseph und die seinen eine doppelte Portion, aber auch nicht mehr, ganz gleich, wie viele Kinder noch geboren werden.
Weshalb sollte Joseph als der „Bchor“ gelten? Schließlich sprechen mehrere gute Gründe dagegen. Zunächst einmal ist Joseph NICHT Jaakows erstgeborener Sohn. In der Tat bezeichnet Jaakow später Reuwen als seinen „Bchor“ (siehe 49:3)! [War Leah Jaakow weniger wert als Rachel?] Zweitens hatte Jaakow seine eigene Beisetzung neben Leah verlangt (deren Erstgeborener Reuwen war), und zwar in Ma’arat Ha’Machpela, während Josephs Mutter Rachel an einem Straßenrand beerdigt wurde!
WESHALB WURDE RACHEL AN DER STRASSE BEERDIGT?
Offenbar befaßt sich Jaakow im folgenden Pasuk mit dieser Zweifelsfrage:
„Und ich, als ich aus Padan kam, starb mir Rachel im Land Kenaan auf dem Weg, als noch eine Strecke Landes nach Efrat hin war [und damit noch weiter von Chewron entfernt!], und ich begrub sie daselbst auf dem Weg …“ (48:7)
Jaakow erklärt Joseph, daß Rachels Beerdigung am Weg (und nicht in „Ma’arat Ha’Machpela“) auf unvorhergesehene Umstände zurückging und daher nicht so ausgelegt werden dürfe, als ob ihr ein niedrigerer Status beigemessen wurde.
Ganz im Gegenteil, trotz der Art ihres Begräbnisses ist Rachel für Jaakow auch jetzt noch die ‚erste‘ Frau. Das ist auch aus Jaakows Zögern herauszuhören, Benjamin nach Ägypten zu schicken; Jehuda führt die Worte Jaakows in Parschat Wajigasch an:
„Da sprach dein Knecht, mein Vater, zu uns: Ihr wißt, daß MEIN WEIB mir zwei geboren hat; der eine ist von mir gegangen …“ (44:27)
Obgleich also Reuwen Leahs Erstgeborener ist, erhält Joseph die FAMILIEN-„Bchora“, denn er ist der Erstgeborene von Jaakow’s erster Frau, der „Ischah“, die er ursprünglich hatte heiraten wollen.
„HA’MALACH HA’GOEL“
Nach Erteilung der „Bchora“ an Joseph versieht Jaakow Ephraim und Menasche mit einem besonderen Segen. In Anbetracht von deren neuer Stellung als aufrechter „Schwatim“ und in Anbetracht der Tatsache, daß sie ohne ihre Onkel und Vettern aufgewachsen sind, fügt Jaakow noch einen speziellen Segen hinzu (siehe 48:8-20), der ihre Aufnahme in die ‚auserwählte Familie‘ erleichtern soll:
„ha’Malach ha’goel oti“ [der Jaakow errettete] „m’kol Ra’ah“ [von allem Bösen], „j’warech et ha’na’rim“ [d.h. Er soll diese Kinder segnen, um ihre Aufnahme in die auserwählte Familie zu erleichtern, so daß:] „w’ji’karej ba’hem Schmi w’schem Awotai Awraham w’Jitzhak…“ (siehe 48:15)
Anders gesagt: damit die beiden Söhne Josephs den Familiennamen Jaakows tragen können – d.h. den Namen der Vorväter Awraham und Jitzhak -, segnet Jaakow sie, auf daß sie einer besonderen göttlichen Vorsehung unterstehen, der gleichen Vorsehung, die Jaakow die Konfrontation mit Esaw und Lawan überstehen half.
EINE ZEIT WIRD KOMMEN …
Jaakow beschließt seine Segnung Josephs, indem er ihn gemahnt, daß eine Zeit kommen wird, da die ‚auserwählte Familie‘ wirklich zurückkehren wird:
„Dann sprach Jisrael zu Joseph: Sieh, ich sterbe, aber Gott wird mit euch sein und euch in das Land eurer Väter zurückführen …“ (48:21)
Joseph ist zum „Bchor“ der Familie ernannt worden, und damit muß er dieses göttliche Versprechen an künftige Generationen weitergeben. Jaakow ist sich nicht sicher, wann Gott sie nach Eretz Kenaan zurückführen wird. Aber ihre Kinder müssen diese Überlieferung an IHRE Kinder weitergeben, so daß sie auf ihr Geschick vorbereitet sind, wenn die Zeit kommt.
Genau diese Botschaft schärft Joseph auf seinem Sterbebett noch einmal seinen Brüdern und seiner Familie ein, wie wir am Ende von Sefer Bereschit lesen:
„Dann sprach Joseph zu seinen Brüdern: Ich sterbe, aber „w’Elokim pakod jifkod etchem“ [Gott wird euch einst wieder bedenken] und euch hinaufführen aus diesem Land in das Land, das er Awraham, Jitzhak und Jaakow zugeschworen hat.“ (50:24) [Vgl. 48:21 & 46:3-4, & Schemot 13:13-22]
Wie im Schiur vergangener Woche erklärt, stellen diese Psukim die Verbindung zwischen den Themen von Sefer Bereschit und Sefer Schemot her.
DIE SEGNUNGEN DES PERSÖNLICHEN GESCHICKS
Nun, da Joseph die „Bchora“ der Familie erhalten hat, ruft Jaakow alle seine Söhne zusammen (49:1), um jedem seinen einzelnen Segen zu erteilen. Zwar erhält jeder Sohn, was die Thora eine „Bracha“ nennt (siehe 49:28 / „Isch ascher k’Birchato baj’rach otam“), aber nicht alle diese „Brachot“ scheinen im strengen Sinn ‚Segnungen‘ zu sein.
Reuwen wird gesagt: „Wie Wasser, ausgeleert, wahrst du den Mehrteil nicht …“ (49:4).
Schimon und Lewi werden zurechtgewiesen: „In ihren Kreis komm‘ meine Seele nicht In ihrem Zorn erschlugen sie den Mann, aus eigenen Willen schnitten sie des Stieres Sehnen. Verflucht ihr Zorn …“ (49:6-7)
Jehuda und Joseph wiederum werden reich mit Wohlstand und Führerschaft gesegnet. Andere Brüder erhalten etwas weniger vielversprechende Segnungen als Joseph und Jehuda, aber keine so negativen wie Schimon und Lewi. Was haben diese „Brachot“ zu bedeuten? Legen die einzelnen Züge der Brüder das Schicksal ihrer Nachkommen fest? Sollen wir aus Jaakows Segnungen das Prinzip des Determinismus entnehmen und die Vorstellung von „Bchira Chofschit“ (freier Wille) fallenlassen?
Mit seinen Segnungen handelt Jaakow mehr als Vater denn als Prophet. Als Vater und letzter Ahne von Gottes besonderem Volk muß er die Geschicke seiner Familie mit den Realitäten seiner Lebenserfahrung verbinden. Deshalb widerspiegeln seine Segnungen das Potential, das er in jedem seiner Kinder sieht.
Um ein Ziel zu erreichen, muß man sein Potential kennen, seine guten, aber auch seine schlechten Züge. Jaakow erkennt die Charaktere seiner Kinder und segnet sie nach ihren Fähigkeiten. Dieser Segen garantiert kein bestimmtes Ergebnis. Vielmehr leitet er jeden der Söhne in die richtige Richtung.
Reuwen, Schimon und Lewi werden gewarnt, aber NICHT, damit diese Warnung sich bewahrheiten soll. Im Gegenteil sollen sie ihre Schwächen und ihren Charakter erkennen und verbessern. Wie im Falle Lewis kann diese Zurechtweisung sich später als Segen erweisen, wenn dieser Schewet auf den rechten Pfad zurückkehrt (siehe Dewarim 33:8-12!). Ganz ähnlich besitzen Jehuda und Joseph ein Potential zur Führerschaft, das von ihren Nachkommen anerkannt werden sollte, damit es angemessen genutzt werden kann. Aber selbst das Haus David muß sich ständig Rechenschaft über sein Tun ablegen, um ihrer Führungsrolle gerecht zu werden (siehe Jirmejahu 22:1-5!).
[Auf diese Art lassen sich die meisten Segnungen verstehen (selbst Birkat Kohanim!). Eine „Bracha“ soll einen Menschen an sein Potential gemahnen, damit es in die richtige Richtung gelenkt werden kann.]
Zweifellos enthalten Jaakows „Brachot“ auch noch zusätzliche prophetische und metaphysische Bedeutungen. Aber sie brechen nicht mit dem grundlegenden Prinzip der „Bechira Chofschit“ [Freiheit der Entscheidung].
EINHEIT ODER HARMONIE
Weshalb muß Am Jisrael aus zwölf verschiedenen „Schwatim“ bestehen? Wäre nicht eine einzige homogene Gesellschaft besser? Wäre das kein angemessenerer Rahmen, in dem sich der EINE Gott darstellen könnte? Weshalb muß der Bruch zwischen Joseph und Jehuda durch die ganze Tanach hindurch anhalten?
Erinnern wir uns an die Erklärung von Gottes Absicht bei der Wahl eines besonderen Volkes im Zusammenhang mit den Ereignissen von Migdal Bawel. Gott hoffte, dieses besondere Volk könnte in jenem Prozeß dienen, in dessen Verlauf alle Siebzig Völker zu einem an Gott ausgerichteten Dasein geführt werden. Zu diesem Zweck wurde Awraham Awinu ausgewählt, und zu diesem Zweck ist auch die Existenz von „Schwatim“ entscheidend. Erklären wir das:
Von seiner Natur her neigt der Mensch dazu, sich in verschiedene Gemeinschaften aufzuspalten, jede mit ihrem eigenen ‚Banner‘, ihrem eigenen Charakter, ihrer Persönlichkeit, ihren Zielen und Hoffnungen. Diese Gesellschaften werden schließlich zu Nationen, die sich manchmal um verschiedener Ziele willen bekämpfen, manchmal auch zusammenarbeiten, um gemeinsame Ziele zu erreichen. Gott hofft, daß alle Völker durch seinen Beauftragten Am Jisrael, auch wenn sie verschiedene Völker bleiben, den gemeinsamen Zweck der Schöpfung des Menschen erkennen und bei der Erfüllung dieses Zwecks zusammenarbeiten mögen. An Jaakows „Brachot“ für seine Söhne können wir sehen, daß jeder „Schewet“ seinen ganz eigenen Charakter besitzt, dessen Züge einem gemeinsamen Gut dienen können. Das Zusammenwirken der ‚Zwölf Stämme Israels‘ zur Erfüllung ihrer Göttlichen und nationalen Ziele kann nach Gottes Modell archetypisch dafür sein, daß die Siebzig Völker dem nachfolgen können. Durch die Harmonie des Zusammenwirkens und die Einheit eines gemeinsamen Zwecks wird das Volk Awrahams zu einem ‚Segen‘ für alle Völker (siehe 12:1-3). Die Menschheit erkennt ihr Potential, und Am Jisrael erfüllt sein Göttliches Geschick.
FÜR WEITERE IJUN
A. In seinem Segen für Ephraim und Menasche, „ha’Malach ha’goel…“, erwähnt Jaakow, daß es einen „Malach Elokim“ gab, der ihn immer von allen „Ra’ah“ (Übeln) errettet hat.
1. Vergleichen Sie dies mit 31:7,24,29!, (achten Sie auf die Verwendung des Wortes „Ra’ah“), um den Sinn von Jaakows Aussage zu erklären.
2. Weshalb halten Sie diese Segnung gerade für Ephraim und Menasche für angemessen (auf der Grundlage des obigen Schiur)?
B. HA’TACHAT ELOKIM ANOCHI?
Nach Jaakows Tod bitten die Brüder Joseph um Vergebung für ihre Sünde. Joseph beruhigt sie, denn, so sagt er, er ist nicht Gott; daher steht es ihm nicht zu, sie zu belohnen oder zu bestrafen. [Das ist die einfachste und verbreitetste Erklärung]. Betrachten wir diese Psukim jedoch aufmerksamer, dann erkennen wir in Josephs Wortwahl noch einen weiteren Sinn, wenn er antwortet: „ha’tachat Elokim anochi?“. Erklären wir das:
Als die Brüder um Josephs Vergebung bitten, erklären sie, daß ihr Vater ihnen auftrug, folgendes zu sagen (50:17):
„Ach, vergib doch die Missetat deiner Brüder … vergib doch die Missetat der KNECHTE DES GOTTES deines Vaters … “
Gleich nachdem sie dies gesagt haben, bieten sich die Brüder, statt eine Strafe zu empfangen, Joseph als KNECHTE an. Joseph weist ihr Angebot zurück, indem er erklärt: „Fürchtet nicht, bin ich denn AN GOTTES STATT?“
Josephs Antwort gilt direkt dem, was die Brüder gesagt haben. Die Brüder nennen sich zuerst KNECHTE GOTTES, weshalb ihnen vergeben werden sollte. Dann bieten sie sich als KNECHTE JOSEPHS an. Entsprechend fällt Josephs Erwiderung aus: durch ihr Angebot, seine Knechte zu werden, sind sie nicht länger Knechte Gottes. Daher sagt Joseph seinen Brüdern: „ha’tachat Elokim anochi?“ – sollte er sich denn als ‚Ersatz‘ für Gott betrachten? Die Brüder müssen Gottes Knechte bleiben, sie können nicht Josephs Knechte werden!
C. „PAKOD JIFKOD“ UND SEFER SCHEMOT
Aus dem Studium von Parschat Wa’jchi ergibt sich eine offensichtliche Frage: weshalb ist Jaakows Familie nicht nach Eretz Kenaan zurückgekehrt, nachdem die Hungersnot vorüber war? Man könnte folgendes annehmen: die Familie hätte zwar zurückkehren können und sollen, aber sie entschied sich für das ‚gute Leben‘ in Eretz Mitzrajim (siehe die Geschichte von Awraham und Lot, 13:4-14). Man könnte sogar annehmen, daß ihre Versklavung in Ägypten eine Strafe für dieses ‚unzionistische‘ Verhalten war.
Dennoch scheint es, als habe Bnei Jisrael das Gefühl gehabt, es sei ihr von Gott bestimmtes Geschick, in Ägypten zu bleiben. Wahrscheinlich geht das auf Gottes Äußerung gegenüber Jaakow vor dessen Abreise nach Ägypten zurück: „Fürchte nicht, nach Ägypten hinabzuziehen, denn zu einem großen Volk werde ich dich dort machen. Ich werde mit dir nach Ägypten hinabziehen und dich auch wieder von dort heraufführen …“ (46:3-4).
1. Vergleichen Sie diese Psukim, zusammen mit 48:21 und 50:24 und den Psukim von Brit Bein Ha’Btarim (15:13-19) mit dem Inhalt von Gottes Offenbarung an Mosche Rabeinu am „Sneh“ in Schemot Perek Gimmel.
2. Beachten Sie Gottes Namen in den verschiedenen Psukim aus Sefer Bereschit und beziehen Sie dies auf Schemot 3:13-22.
3. Zu welchem Zeitpunkt wurde es für Bnei Jisrael unrealistisch, Ägypten zu verlassen und nach Eretz Kenaan zurückzukehren? Wären sie zurückgekehrt, in welches Gebiet wären sie gegangen? Wer besaß das Land etc.?
SEFER BEREISCHIT – VERTIEFUNGSFRAGEN
1. In unseren Schiurim haben wir darüber gesprochen, daß Sefer Bereschit sich in ZWEI unterschiedliche Teile zerlegen läßt. Geben Sie diese beiden Teile an und erklären Sie die thematische Bedeutung dieser Teilung.
2. Fassen Sie kurz die beiden ‚Schöpfungsgeschichten‘ zusammen. Erklären Sie, WELCHER Aspekt jeweils betont wird. Achten Sie auf die Schlüsselausdrücke und auf die innere Struktur jedes Berichts. Welche thematische Bedeutung hat es, daß die Thora die Schöpfung auf diese Art darstellt? Inwiefern verstehen wir dadurch besser, WARUM wir den Schabbat einhalten? Inwiefern verstehen wir dadurch besser, warum ARON & KERUWIM im Mittelpunkt von MISCHKAN stehen?
3. Die Geschichte des Mabul schließt ähnlich wie die Schöpfungsgeschichte. Finden Sie diese Parallele und erklären Sie ihre Bedeutung.
4. In welcher Beziehung steht die Geschichte von Migdal Bawel zum Anfang der Erzählung über Gottes Auserwählung von Awraham Awinu? Erklären Sie sowohl die textliche wie die thematische Parallele. Setzen Sie dies in Beziehung zu Wort und Name „SCHEM“.
5. Erklären Sie (kurz) den Verlauf von Gottes verschiedenen Versprechen und Bünden mit Awraham Awinu, was das Schicksal seiner Nachkommenschaft angeht. Welches ist dieses Geschick?
Welches sind diese beiden Bünde oder Eide? Erklären Sie deren Natur und die Unterschiede zwischen ihnen. Ergänzen oder widersprechen diese beiden Bünde oder Eide sich Ihrer Ansicht nach?
Wann und wo finden wir einen ‚Eid‘ in bezug auf diese Versprechen und Bünde?
6. Wie, wann und von wem werden diese Versprechen später an Jitzhak und Jaakow weitergegeben? Zitieren Sie die Psukim und ihren Kontext.
Welche Kinder erhalten diese Segnungen NICHT? Gibt es einen bestimmten Grund dafür? Wenn ja, erläutern Sie ihn.
7. Worin liegt die thematische Bedeutung der Unterredung Gottes mit Awraham Awinu, bevor er Sedom zerstört?
Setzen Sie dies in Beziehung zum biblischen Thema „Tzedek u’Miscphat“.
8. Erklären Sie den „BECHIRA“-Prozeß (siehe Frage 5).
Ist in Sefer Bereschit klar, wann dieser Prozeß abgeschlossen sein soll? Erklären Sie, wie diese Zweideutigkeit uns helfen kann, den Streit zwischen Jitzhak & Riwka darüber zu verstehen, welcher der Söhne gesegnet werden sollte, und wie sie uns die Rivalität zwischen Joseph und sein Brüdern verstehen hilft.
9. Wo liegen die Ähnlichkeiten zwischen Awrahams und Jitzhaks Begegnung mit Awimelech? [Beziehen Sie sich auf die Natur der Bünde mit ihm bei Beer Schewa.]
Welches ist die thematische Bedeutung dieser Begegnungen?
Stellen Sie einen Bezug zu Awrahams Bestimmung als Ahne eines Volkes her, das Gott allen Völkern nahebringen soll, und stellen Sie auch eine Beziehung zum Namen Awimelechs her.
10. Erklären Sie genau, was Jaakows „Neder“ bei Bet-El war.
[Beziehen Sie sich auf die Machloket zwischen Raschi/Ramban].
Was hat zu diesem „Neder“ geführt?
Erfüllt Jaakow je diesen Neder?
Wenn ja, wann? Wenn nein, warum nicht?
Wie unterscheidet sich Jaakow’s MATZEJVA von Awrahams MIZBAJACH?
Wie verhält sich all dies zu Beit Ha’Mikdasch?
11. Welches ist die Bedeutung von Jaakows Namensänderung in Jisrael? Vergleichen Sie (Ähnlichkeiten und Unterschiede) mit Awrams Namenänderung in Awraham.
12. Haben die Brüder Joseph wirklich verkauft? Erklären Sie den Machloket zwischen Chizkuni/Raschbam und Raschi/(& allen anderen Rischonim).
Welchen Einfluß auf diesen Machloket hat die Annahme, ‚wie weit von der Grube entfernt sich die Brüder zum Mahl niederlassen‘?
13. Gehen Sie noch einmal kurz die verschiedenen Erklärungen für Josephs Verhalten (und Strategie) gegenüber seinen Brüdern durch (nachdem sie in Ägypten angekommen sind).
Welche Erklärung hat Ihrer Ansicht nach am meisten Sinn?
14. Äußern Sie sich über unsere Antworten auf das Obige in bezug auf das Prinzip von „maase Awot Siman la’Banim“. Beziehen Sie Ihre Antwort auf Ramban zum Anfang von Sefer Schemot, wo er sich um eine Bestimmung des Zentralthemas von Sefer Bereschit bemüht! Beziehen Sie sich auch auf die Schlußbemerkungen von Sefornos Einführung zu Sefer Bereschit.
EXTRAPUNKTE:
1. Lesen Sie Diwrei Ha’jamim 16:1-19. Klingen einige von diesen Psukim vertraut? [Wann sprechen Sie sie im Alltag?]
Versuchen Sie, die ersten zehn Psukim dieses „Mismor“ zu erklären (d.h. 16:8-18), und zwar auf der Basis unseres Studiums von Sefer Bereschit.
Können Sie erklären, weshalb wir in unserer täglichen Tefilah nur einen Teil dieses „Mismor“ zitieren?
2. Geben Sie Beispiele für die thematische Bedeutung, die sich in einer einzelnen „Parschia“ finden läßt, die ‚in mehrere „Parschia“ aufgeteilt sein sollte‘? [z.B. 12:8->13:18]
Schabbat Schalom,
Menachem
Ein Projekt der Synagoge Fraenkelufer-Berlin