Paraschat Vajechi

Von Eli Erich Lasch
(Auszug aus seinem Buch „Let there be Freedom – The Bible Unveiled“, Logos Publication, 1989)

Im letzten Auszug erzählten wir die Geschichte von Joseph, dem Sohn Jakobs, wie er vom Sklaven zum Vizekönig Ägyptens wurde und so seine Familie retten konnte.

Diese Parascha fängt damit an, dass Jakob 147 Jahre alt war und sein Leben zu Ende ging. Er rief darauf Joseph und beschwörte ihn, ihn nicht in dem fremden Land Ägypten zu begraben.

Schon in der vorigen Parascha wird beschrieben, dass er trotz seiner grossen Sehnsucht nach Joseph eigentlich nicht so gerne nach Ägypten auswandern wollte. Gott musste sich selbst einmischen und ihm sagen: „Fürchte dich nicht, denn dort werde ich dich zu einem grossen Volk machen. Hier kommt wieder einmal zum Ausdruck, dass das Verlassen Kanaans, des späteren Israel, als „Heruntergehen“ bezeichnet wird. Auch Gott sagte ihm: „Ich werde mit dir nach Ägypten heruntergehen.“ Diese Ausdrucksweise ist heute noch gebräuchlich. Nach Israel gehen wird als „alijah“ („heraufgehen“) bezeichnet, Israel verlassen dagegen ist „jeridah“ („absteigen“). Nach den Versprechen Gottes in Beth-El war für ihn Kanaan die Heimat. Dort, wo er geboren wurde und auch seine Vorfahren begraben waren. Für ihn war Ägypten nichts anderes als ein goldenes Exil, aber eben doch nichts anderes als ein Exil. Heimat ist letztendlich das Land, in dem man geboren wird und in dem die Vorfahren begraben sind („Ich will mit meinen Vätern liegen“).

Um das auf unsere Zeit zu beziehen, war das genau die Tragik der deutschen Juden während des Holocaust. Für sie war Deutschland die Heimat und nicht Israel. Deswegen bauten sie in Palästina wieder ein deutsches Heim auf, und viele – wie zum Beispiel mein Vater – gingen sofort nach dem Ende des Krieges zurück. Sie waren eben Deutsche und nicht Juden. Interessant ist auch die Tatsache, dass Joseph der einzige von den Brüdern war, der auch darauf bestand nicht in Ägypten begraben zu werden. Trotz seiner hohen Position und der Tatsache, dass er eine Ägypterin geheiratet hatte, sah auch er Ägypten nicht als Heimat an. Im Gegensatz zu seinen Brüdern hat er Kanaan nicht freiwillig verlassen, genau wie die deutschen Juden Deutschland. Und so begruben die Söhne Jakob in Hebron, in der Grabstätte Abrahams. Joseph hingegen musste 400 Jahre warten, bis seine Gebeine während des Exodus mitgenommen wurden. Bis heute zeigt man sein Grab in der Nähe von Nablus.

Bevor wir die Familie verlassen, lassen Sie uns kurz zu den letzten Augenblicken in Jakobs Leben gehen, als er seine Söhne versammelte, um ihnen zu sagen, was in der Zukunft mit ihnen geschehen wird. Aber bevor das geschah, wurden ihm die zwei Söhne Josephs vorgestellt, die Joseph mit einer ägyptischen Frau gezeugt hatte: Ephraim und Menasche. Jakob nahm sie in die Familie auf, als ob sie seine Söhne wären, mit allen Rechten und Pflichten. Er legte ihnen die Hände auf den Kopf, segnete sie und sagte, dass auch sie die Vorfahren von grossen Stämmen werden würden.. Bis heute segnet der Familienvater am Freitagabend die Söhne mit den folgenden Worten: „Soll Gott dich werden lassen wie Ephraim und Menasche.“ Nicht Abraham und Isaak sind die Vorbilder, sondern die beiden Söhne Josephs, des verschollenen Sohnes.

Wir kommen jetzt zu dem Segen Jakobs an seine Söhne. Dies ist kein Segen, den ein Vater vor seinem Tod seinen Söhnen gibt, sondern eine Mischung aus Tadel und fast unheimlichen Vorhersagen, ähnlich wie sie im Bund zwischen Gott und Abraham auftauchen.

Jakob überschritt Raum und Zeit und sprach: „Gesellt euch zueinander, dass ich euch melde, was euch begegnet in der Folge der Tage. Um einige Beispiele zu zitieren: Jakob sagte seinem Sohn Ruben (Reuwen), dass er nicht mehr der erste, das Oberhaupt der Familie sein wird, obwohl ihm dies als dem Ältesten nach dem Geburtsrecht zustünde: „Weil du auf deines Vaters Lager gestiegen bist; hast du mein Bett geschändet, das du bestiegst.“ (Jakob erinnert Ruben daran, dass er mit Bilha, Jakobs Nebenfrau, geschlafen hat.) Und so kam es: Der Stamm Ruben siedelte sich im südlichen Teil dessen, was heute Jordanien genannt wird, (östlich des Toten Meeres) an und verschwand von der Bühne der Geschichte.

Als nächste kommen Simeon und Levi an die Reihe. Sie werden für das Massaker von Sichem getadelt: „Denn in ihrem Zorn erschlugen sie einen Mann und in ihrem Eigensinn kastrierten sie einen Stier. Verflucht sei ihr Zorn, denn er war böse; und ihre Wut, denn sie war grausam: Ich will sie teilen in Jakob und zerstreuen in Israel.“

Das Ergebnis war, dass keiner dieser zwei Stämme ein eigenes Gebiet hatte, um sich anzusiedeln. Simeon ging in Judah auf und aus dem Stamm Levi wurden die Priester und ihre Helfer, verstreut über die ganze Nation. Judah (Jehudah) wird das neue Oberhaupt werden: „Das Szepter soll nicht von Judah weichen und kein Gesetzgeber von zwischen seinen Füssen, bis dass Shiloh (der Herrscher) kommt, dem alles zusteht und der alle Völker lehren wird, eine Lehre, die sie auch annehmen werden.“

Tatsächlich entstammten die Könige dem Stamm Judah, alle, die als die einzigen legitimen Regenten Israels angesehen wurden – selbst Jesu Anspruch auf das Königtum gründete sich auf seine Abstammung aus der davidischen Linie.

Diese Prophezeiung wurde von vielen Kommentatoren sogar als Voraussage des Messianischen Zeitalters angesehen – bis Shiloh kommt, (dem alles gehört), und alle Völker versammelt. Shiloh war der Ort, an dem sich die Stiftshütte mit der Bundeslade befand, bevor Jerusalem durch König David zum Zentrum des Kultes wurde und der erste Tempel gebaut wurde. Seitdem ist der Tempelberg das Zentrum der messianischen Erwartungen geworden. Wie sagte der Prophet Jesaja (Kap.2, 2-5)?

„Geschehen wird es in den späteren, den anderen Tagen, fest gegründet ist der Berg Seines Hauses zu Häupten der Berge, über die Hügel erhaben … Strömen werden zu ihm alle Völker und viele Nationen werden hingehen und sagen: Lasst uns gehen und aufsteigen zu Seinem Berg, zum Haus des Gottes Jakobs, dass Er uns weise in Seinen Wegen, dass auf Seinem Pfade wir gehen werden; denn von Zion wird die Weisung ausgehen und von Jerusalem SEINE Rede. Und Er wird Recht sprechen zwischen den Völkern und Weisung geben vielen Nationen. Und sie werden ihre Schwerter zu Pflugscharen umschmieden und ihre Speere zu Rebmessern. KEIN VOLK WIRD GEGEN DAS ANDERE DAS SCHWERT ERHEBEN UND SIE WERDEN DEN KRIEG NICHT MEHR LERNEN. Haus Jakobs, lasst nun uns gehen, wandeln in Seinem Licht. Das Haus Gottes als das Haus des Friedens, dort wo ER Recht sprechen und den Krieg abschaffen wird.“

Das ist das wahre Kommen von Shiloh. Vielleicht wird zu der Zeit auch die verschollene Bundeslade wieder auftauchen.

Und schliesslich Zebulon (Swulon): „Zebulon wird am Gestade des Meeres wohnen und er wird ein Hafen für Schiffe sein; und seine Grenze wird bis Sidon reichen.“

Sidon wird gewöhnlich den Phöniziern zugeschrieben, aber es gibt heute Beweise, dass die Phönizier nichts anderes als der Stamm Zebulon waren. Diese waren es, welche die phonetische Schrift und das Alphabet nach Griechenland brachten. Dieses phonetische Alphabet ist aber nach modernen Forschungen nichts anderes als eine mnemotechnische Methode, um die Glaubensgrundssätze des Judentums in der Erinnerung zu behalten. So bedeuten z.B. die zwei ersten Buchstaben alpha, beta auf Hebräisch: „Lehre dein Haus“; die weiteren Buchstaben gamma, delta „auch auf deiner Tür“ und epsilon, zeta und theta bedeuten „die Götzen sind die Sünde, die zu reinigen ist“. (Ganor, Wer waren die Phönizier?, 1974) Was die phönizische Religion anbelangt, so war sie der Götzendienerei, die laut der Bibel zur Zeit des ersten Tempels in Israel weit verbreitet war, sehr ähnlich. (Slouschz, La Civilization Hebraique et Phenicienne, Extrait de la «Revue Tunisienne», Tunis, 1911)

Der Segen oder die Voraussage für Zebulon passt genau zur phönizischen Zivilisation.

Diese Vorhersage Jakobs ist so exakt, dass sie moderne Gelehrte vor ein Dilemma gestellt hat. Während Gott die Zukunft vorhersehen kann, kann der Mensch nach ihrer Auffassung nur Tendenzen erkennen. Und so versuchen sie, die Prophezeiung zu ‚erklären‘, indem sie behaupten, dass sie nachträglich geschrieben wurde, als alles schon geschehen war, und dann in die Bibel eingefügt wurde. Was sie nicht wussten: Prof. Jehuda Radai von der Universität Heidelberg hat durch Computeranalyse bewiesen, dass die Genesis von einem Autor geschrieben wurde und keine Sammlung von Material aus verschiedenen Quellen ist, wie es in protestantischen Kreisen angenommen wird.

In der letzten Parascha sprach ich über die Verwandlung von Joseph, die ihn dazu gebracht hat, dass er seinen Brüdern vergeben konnte. Am Ende dieses Abschnitts geht die Bibel noch einmal auf diese Thematik ein. Nach dem Tod von Jakob fürchten die Brüder, dass ihnen nun, da Jakob nicht mehr da war, um sie zu beschützen, Joseph ihnen das Böse, das sie ihm angetan hatten, vergelten würde. Joseph aber sprach: „Fürchtet euch nimmer. Bin ich denn an Gottes Statt, das Böse, das ihr wider mich geplant habt, hat Gott umgeplant zum Guten, um zu tun, wie es heute an Tag ist: ein großes Volk am Leben zu halten. Wie ich schon in der vorausgehenden Parascha gesagt habe, war das die größte Wandlung Josephs.

Damit endet das Buch Genesis.

Übersetzung: der Verfasser und Cornelia Fuchs
Alle Bibelzitate sind der Übersetzung von Buber/Rosenzweig entnommen.