Fest vernetzt – Messianische Juden und christliche Fundamentalisten

Von Inge S.

Wie sehr die christlich-fundamentalistischen und messianischen Organisationen untereinander vernetzt sind, kann man am Beispiel der Arbeitsgemeinschaft für das messianische Zeugnis an Israel (AmZI) sehen. Sie wurde bereits 1968 in der Schweiz gegründet und seit 1985 besteht ein selbständiger Verein in Deutschland.

Die AmZI ist ein Teil des Gesamtwerks der Pilgermission St. Chrischona, Bettingen bei Basel, das ein kleines christliches Imperium mit Schulen, Hotels, Missionsabteilungen, Jugendarbeitsbereich und sogar einer elektronischen Kollekte auf der Eingangsseite der Homepage darstellt.

Als Mitglied der LCJE (Lausanne Consultation on Jewish Evangelism) ist sie mit anderen Organisationen, wie dem Caspari Center (messianische Kurse für messianische Juden), Israel College of the Bible (Messianische Bibelschule in Jerusalem), King of Kings Assembly (Messianische Gemeinde in Jerusalem) etc. weltweit verbunden, die dasselbe Anliegen vertreten: Jeschuah (Jesus) für alle Völker zu verkünden, und natürlich für Israel zuerst.

Die AmZi ist also eine christliche Organisation, entstanden in der Schweiz und ausgeweitet über ganz Europa, Israel und die Welt. Es besteht ein dichtes Netzwerk, dass sich in erster Linie der Judenmission widmet. Warum es gerade die Juden sein müssen, die zuerst zu Jeschuah (Jesus) bekehrt werden sollen, lesen Sie bitte unter Juden für das Judentum (ca. 2. Hälfte des Artikels).

Einige Strategiebeispiele für effektive Missionierung

Neben der Missionsarbeit, oder besser ausgedrückt: ideal ergänzend für die Mission, betreibt die AmZI u.a. ein Drogenrehabilitationszentrum in Haifa, wo gleichzeitig auch messianische Schulungen stattfinden. Drogenabhängige Juden werden so mit Leichtigkeit gleich in das messianisch-christliche Konzept hineingeführt und „bekehrt“.

Wo man gefestigte Menschen nicht erreichen kann, sucht man den Weg über abhängige, unselbstständige Menschen, findet so den Zugang zu deren Familien und ggf. zu deren Dankbarkeit und daraus resultierend der Bereitschaft, ebenfalls an messianisch-christlichen Schulungen teilzunehmen.

Ein weiteres Arbeitsfeld der AmZi ist die Betreuung arabischer christlicher Studenten und messianischer Juden in Israel, die dann an den Universitäten erste Laienkontakte zu jüdischen Studenten herstellen und sie so an die AmZI heranführen können. Wie diese Laienkontakter arbeiten, welches Vokabular sie Juden gegenüber verwenden bzw. meiden, zeigt auf, dass sie in aller Heimlichkeit ihre Mission betreiben. Sie wissen, dass Juden auf Begriffe wie Jesus, Christentum, Mission usw. abwehrend reagieren, deshalb ersetzen sie diese Worte durch Jeschuah, Messianisches Zeugnis und ähnliche, jüdisch klingende Begriffe.

Russische und deutsche Juden, die nach Israel kommen, werden betreut und sozial unterstützt, mit Stipendien versehen und in den messianischen Zentren geschult. Des weiteren wendet sich AmZI an alte und bedürftige Menschen und holt sie mit Hilfe sozialer und finanzieller Zuwendung in ihre Reihen.

Die Organisation „Musalaha“ (arab: Versöhnung) der arabischen Christen und messianischen Juden in Israel, führt Schulungen zum Thema „Liebet eure Feinde“ durch, druckt Lektüren von „erlebten Versöhnungserfahrungen“ durch Christen und ruft Christen und messianische Juden auf, für diese Aktivitäten auf ihr Konto großzügig zu spenden.

Die Lehre des „christlichen Judentums“

In Deutschland und der Schweiz befasst sich die AmZI mit Vorträgen über das Judentum, natürlich aus christlicher Sicht und mit christologischen Interpretationen der jüdischen Lehren, Seminaren für russische Juden, die ihnen „Jeschuah, den Messias“ nahebringen sollen, Literatur über Israel, Judentum und Islam und Vieles mehr.

Besonders „interessant“ erscheint mir die „Information über Gebetsanliegen aus Israel durch unsere regelmässigen Publikationen („Messianisches Zeugnis“, Gebetskarte) und durch Besuche in Gemeinden“, da sie zeigt, dass offensichtlich die Gebete Israels für zukünftige messianische Juden oder Christen zunächst durch die AmZI erklärt werden müssen, da jüdische Aussagen offensichtlich den Erfolg der Missionsarbeit behindern würden.

Warum muss gerade Israel errettet werden?

Aus christlich-fundamentalistischer Sicht wird die Notwendigkeit für die Errettung Israels mit der Aufhebung des Tempelopfers begründet. Nach der Zerstörung des Tempels sei das Tempelopfer durch das „Bundesopfer im Blut Jesu“ abgelöst worden. Da Israel aber Jesus nicht als den Messias und sein „Bundesopfer“ nicht als Erlösung von den Sünden anerkennt, seien die Juden nun in einer „großen, geistlichen Not“, da sie ohne Vergebung durch G-tt seien. Die „alttestamentlichen Opfer“ hätten zu dem „jüdisch-neutestamentlichen Opfer im Blut Jesu“ hingeführt und dieses somit „erfüllt und abgelöst“. Nur durch Jesus sei also die g-ttliche Rettung Israels und dann der ganzen Welt möglich. (Siegfried Schneider: Israel in großer Not, 1997)

Woher Siegfried Schneider und die christlichen und messianischen Aktivisten diese Interpretation des Zustandes des jüdischen Volkes nehmen, bleibt im Dunkeln. Warum sie ein Tieropfer des Tempels mit einem Menschenopfer des sog. Neuen Testaments gleichsetzen, wird nicht näher erläutert. Es genügt wohl die Assoziation Blut hier = Blut dort, um einem ganzen Volk nachzuweisen, dass es nicht der „Gnade G-ttes“ teilhaftig werden wird.

Handelt es sich bei diesen Missionsbewegungen um christliche Nächstenliebe oder um schlichten, religiös bedingten Antijudaismus?

Das Volk Israel wird als uneinsichtig vor G-tt dargestellt, es wird ihm vorgeworfen, es habe den Messias nicht erkannt bzw. anerkannt, es verleugne den „Sohn G-ttes“, es entziehe sich willentlich der „Gnade G-ttes“, es nehme das „Geschenk G-ttes“, nämlich den „Opfertod Jesu“ nicht an, werde so nicht von der „Erbsünde“ – die es im Judentum überhaupt nicht gibt – reingewaschen und lebe somit im ständigen Zustand von Sünde und Schuld. Natürlich wird als Motiv für die Judenmission die Nächstenliebe angeführt, aber wenn man die Angelegenheit mal genauer hinterfragt, geht es den Missionaren nur um ihr eigenes „Seelenheil“, denn laut ihren eigenen Aussagen ist die „Wiederkehr Jesu“ und der Beginn des messianischen Zeitalters erst dann möglich, wenn ganz Israel sich zu Jesus bekennt. Es geht also keineswegs darum, ein „verirrtes Völkchen“ zu erretten, es geht um die eigene, nachzeitliche, jenseitige Haut, die gerettet werden soll. Die Juden sind nur ein Vehikel zum eigenen Seelenheil. Erst wenn das Judentum vernichtet ist, wird sich das fundamentalistische Christentum zufrieden geben. Wie lange wird diese Mission noch in „geschwisterlicher Liebe“ stattfinden, bevor wieder „Feuer und Schwert“ zum Einsatz kommen?