„Meinetwegen ist die Welt erschaffen worden!“

Warum wurde die Menschheit aus nur einem Menschen erschaffen?

In der ausführlichen Warnung des rabbinischen Gerichts an die Zeugen bei Kapitalverbrechen finden wir etliche der eindrucksvollen Stellungnahmen zur Heiligkeit und Einmaligkeit jedes menschlichen Lebens. Keiner ist dem anderen gleich und vor G’tt ist jeder so bedeutungsvoll, als hätte G’tt die ganze Welt nur für ihn erschaffen.

Die Mischnah fragt im Talmud Bawli – Nesikin / Sanhedrin – Kapitel 4.5 (Daf 37a): „Wie bringen wir den Zeugen die bedrohliche Situation bei Verhandlungen um Menschenleben nahe?“

Sie antwortet: „Wir erschüttern ihre Seele, indem wir sie hereinbringen (in den Gerichtssaal) und sie warnen: Sollte eure Aussage nur auf Vermutung und Hörensagen beruhen, oder sich auf Aussagen stützen, die ihr selbst nur von Dritten habt, mögt ihr diese auch für noch so glaubwürdig halten, so sollt ihr euch darüber im Klaren sein, dass wir euch ausforschen und einem Kreuzverhör unterziehen werden.
Wenn es um ein Menschenleben geht, so ist dies eine andere Sache als in Angelegenheiten der Sachschädigung. Dinge sind ersetzbar und sühnbar, nicht aber ein Leben.
Wer an der Hinrichtung eines unschuldig Verurteilten beteiligt ist, an dem bleiben dessen Blut und das Blut all seiner ungeborenen Nachkommen haften, bis ans Ende der Welt.
In dieser Sache stützen wir uns auf die Überlieferung zu Kajn, der seinen Bruder mordete. Dort (Ber./Gen. 4) lesen wir: „Die Blute Deines Bruders schreien“. Es heißt nicht „Das Blut Deines Bruders schreit“, sondern „Die Blute Deines Bruders schreien“. Das meint sein Blut und das Blut all seiner (potentiellen) Nachfolger…“.

Zu bedenken gab man den Zeugen auch folgendes: „Warum wurde die Menschheit aus nur einem Menschen erschaffen? Um uns zu lehren, dass es jedem, der eine Seele aus Israel vernichtet, angerechnet wird, als hätte er die ganze Welt vernichtet. Ebenso gilt auch für jenen, der eine Seele aus Israel rettet, als hätte er die ganze Welt gerettet“.

Außerdem: „Warum wurde die Menschheit aus nur einem Menschen erschaffen? Um den Frieden unter den Menschen zu wahren, denn es soll kein Mensch zum anderen sagen können, seine Vorfahren seien wertvoller als die des anderen“…

Die Abstammung aller Menschen von einem Menschen betont außerdem die Einheit und Einzigkeit des Ewigen.
Wir erkennen die Größe des Heiligen, gelobt er, gerade darin, dass zwar alle Menschen aus einem Menschen kommen (und somit alle gleichwertig sind), dass aber trotzdem alle unterschiedlich sind und keiner dem anderen gleich: „Prägt ein Mensch mit einem Stempel mehrere Münzen, so gleichen sie alle einander, der Heilige aber, gelobt sei er, prägt jeden Menschen mit dem Stempel des Ur-Menschen, aber trotzdem ist keiner dem anderen gleich“.
Jeder ist einzig und einmalig „und darum ist jeder einzelne verpflichtet zu sagen: „Für mich wurde die Welt erschaffen!“…