Kitzur Schulchan Aruch

Der Kitzur Schulchan Aruch ist ein Handbuch zur Halacha. Verfasst wurde es durch den ungarischen Rabbiner Shlomoh Ganzfried (1804-1886). Das Werk, welches eine außergewöhnlich große Verbreitung fand, befaßt sich mit den wichtigsten Inhalten des Schulchan Aruch.

Eine hebräisch-deutsche Ausgabe wurde zuletzt 1988 vom Goldschmidt Verlag (Basel) verlegt. Die deutsche Übersetzung dieser Ausgabe besorgte Rabbiner Dr. Selig Bamberger. 1.140 Seiten, 2 Bände, erhältlich über Morascha – Zürich.

Gott zur Verherrlichung und dem Studium Seiner heiligen Lehre zur Förderung

Aus dem Vorwort des Kizur Schulchan Aruch

Der Kizzur Schulchan Aruch ist eine Vorschule für das Verständnis der Quellen der Halacha. Weil er dem System des Schulchan Aruch folgt, nannte ihn sein Verfasser einen kurzen Schulchan Aruch. Er enthält aber – auch nicht gekürzt nicht alle Teile des Schulchan Aruch, sondern nur diejenigen, die dem täglichen Leben am nächsten stehen und darum für die Einführung in die Quellen am geeignetsten und wichtigsten sind.

Zur Hauptsache also finden wir im Kizzur den Orach Chajim (Gebete und geheiligte Zeiten), einen Teil des Jore Deah (verbotene Speisen, Reinheitsgesetze für die Ehe, Vorschriften für Trauernde) und kleinere Teile aus Ewen haEser und Choschen haMischpath.

Da der Verfasser, R. Schelomo Ganzfried (sl), der im Jahre 5564 in Ungwar (Ungarn) geboren und 5646 daselbst als Vorsitzender des Beth-Din (rabb. Gerichtshof) starb, den Nutzen eines solchen Kizzur erkannte, zögerte er nicht, das Werk auszuführen. Wie alle seine zahlreichen, der Halacha dienenden Bücher schließt sich auch der Kizzur der unübersehbaren religiösen Literatur aller Zeiten und aller Länder an, deren Zweck einzig und allein darin besteht, durch sie Gott zu verherrlichen, das Studium Seiner heiligen Lehre zu fördern und dadurch der Sünde entgegenzutreten und zu allem Guten und Edlen anzuleiten.

Der Kizzur hat eine ganz außergewöhnliche Verbreitung gefunden, die vielen, starken, nicht zum Stillstand kommenden Auflagen sind dafür Beweis und ebenso das Verlangen nach einer Punktierung und Übersetzung des Textes: mögen sie auch Beweise für die Rückkehr zur Thora sein und die Vorbereitung für die von Amos verkündete Erlösung: Ich pflanze sie in ihren Boden ein, daß sie nicht mehr aus ihrem Boden ausgerissen werden, den ich ihnen gegeben, spricht der Ewige, dein Gott!

Aus dem ersten Kapitel:
Vorschriften beim Aufstehen am Morgen

…kann sich wohl ein Mensch im Geheimen verbergen,
daß ich ihn nicht sähe, spricht der Ewige,
da Himmel und Erde von mir erfüllt sind!

§1. Ich habe den Ewigen stets vor Augen (Ps. 16,8), das ist eine wichtige Regel in der Thora und den Eigenschaften der Frommen, die vor Gott wandeln. Denn es ist nicht das Sitzen des Menschen seine Bewegung und sein Benehmen, wenn er allein zu Hause ist, gleich seinem Sitzen, seiner Bewegung und seinem Benehmen, wenn er sich vor einem großen König befindet. Ebenso sind seine Rede und das Oeffnen seines Mundes, wenn er mit seiner Familie und seinen Verwandten zusammen ist, nicht so, wie wenn er im Rat des Königs verweilt; denn dann achtet er bestimmt auf alle seine Bewegungen und Worte, daß sie wohl bemessen seien.
Um so mehr, wenn der Mensch bedenkt, daß der große König, der Heilige, gelobt sei Er, dessen Herrlichkeit die ganze Erde erfüllt, bei ihm steht und seine Handlungen sieht, wie es heißt (Jer. 23,24), kann sich wohl ein Mensch im Geheimen verbergen, daß ich ihn nicht sähe, spricht der Ewige, da Himmel und Erde von mir erfüllt sind! Dann werden sicher Ehrfurcht und Demut aus Furcht vor dem Ewigen, gepriesen sei Er, über ihn kommen und er wird sich vor Ihm schämen.

…daß er IHM diene,
das ist der ganze Zweck des Menschen…

§2. Und auch, wenn er sich auf seinem Lager ausruht, wisse er, vor wem er liegt; und gleich, wenn er von seinem Schlaf erwacht, gedenke er der Wohltaten des Ewigen, gepriesen sei Sein Namen, die Er ihm erwiesen, daß Er ihm seine Seele wiedergegeben, die er müde Ihm empfohlen; neu und ausgeruht hat Er sie ihm wiedergegeben, daß er Ihm diene, gepriesen sei Sein Name, mit all seinen Kräften und Seinen Willen erfülle den ganzen Tag, denn das ist der ganze Zweck des Menschen, so heißt es (Echa (3,23), neu an jedem Morgen, groß ist Deine Treue. Das bedeutet, an jedem Morgen ist der Mensch wie neugeboren und danke dem Ewigen, gepriesen sei Sein Name, dafür.
Während er sich noch auf seinem Lager befindet, spreche er: Ich danke Dir, ewiglebender König, daß Du mir in Liebe meine Seele wiedergegeben, groß ist Deine Treue! (Obschon seine Hände noch nicht gewaschen sind, darf er dies doch sagen, da kein Schem [keine Erwähnung des g’ttlichen Namens] darin vorkommt). Man mache eine kleine Pause zwischen dem Wort ‚cHemlah‘ und dem Wort ‚rabah‘.

…man schäme sich nicht vor den Menschen,
die einen beim Dienst des Ewigen,
gepriesen sei Sein Name, verspotten…

§3. Jehuda ben Tema sprach: Sei mutig wie ein Leopard, leicht wie ein Adler, schnell wie eine Gazelle und stark wie ein Löwe, den Willen deines Vaters im Himmel zu erfüllen. Mutig wie ein Leopard, das heißt, man schäme sich nicht vor den Menschen, die einen beim Dienst des Ewigen, gepriesen sei Sein Name, verspotten; leicht wie ein Adler, betrifft den Anblick der Augen, das heißt, sei gleich bereit, deine Augen zu schließen, um nichts Böses zu sehen; denn das wäre der Anfang der Sünde; das Auge sieht, und das Herz begehrt, und die Werkzeuge vollenden es. Schnell wie eine Gazelle, betrifft die Füße, deine Füße sollen zum Guten eilen; und stark wie ein Löwe, betrifft das Herz, denn die Stärke im Dienst des Schöpfers, gepriesen sei Er, wohnt im Herzen; und er sagt, mache dein Herz fest in Seinem Dienst und sei stark gegen den bösen Trieb, ihn zu bezwingen, wie ein Held, der sich stark macht, seinen Feind zu bezwingen und zu Boden zu werfen.

…und auch wenn ihm die Sache nicht leicht fällt
ob der Schwere des Körpers und seiner Trägheit,
mache er den Willen des Königs über alle Könige,
des Heiligen, gelobt sei Er, zu seinem Streben…

§4. Darum muß sich der Mensch stark machen wie ein Löwe und gleich, wenn er vom Schlaf erwacht (und ich danke Dir… gesprochen hat) hurtig zum Dienst des Schöpfers, gepriesen und erhoben sei Er, aufstehen, bevor der böse Trieb über ihn stark wird mit Einwänden und Ausreden, daß er nicht aufstehe, und ihn überlistet, ihn zu verführen, im Winter: wie kannst du jetzt so früh am Morgen bei der großen Kälte schon aufstehen; im Sommer überredet er ihn: wie kannst du dein Lager schon verlassen, da du noch nicht genug geschlafen hast; oder mit anderen Einwänden und dergleichen.

Denn der böse Trieb versteht sehr gut, den Menschen in Gruben zu fangen, daß er nicht aufsteht. Darum muß jeder Gewissenhafte, der das Wort des Ewigen fürchtet und eifrig erfüllen will, sich über ihn stark machen und darf nicht auf ihn hören; und auch wenn ihm die Sache nicht leicht fällt ob der Schwere des Körpers und seiner Trägheit, mache er den Willen des Königs über alle Könige, des Heiligen, gelobt sei Er, zu seinem Streben. Und er beherzige, wenn ihn jemand zu einem Geschäft, bei dem er Geld verdienen kann, oder sein Guthaben zu erheben rufen würde oder ihn auffordern würde, sein Vermögen vor Schaden zu retten, es wäre z. B. ein Brand in der Stadt ausgebrochen oder dergleichen, würde er sicherlich eifrig sofort aufstehen aus Liebe zu seinem Vermögen und nicht nachlässig sein. Ebenso würde er, wenn er zum Dienst des Königs gehen müßßte, mit Eifer aufstehen und nicht zögern, daß man ihn nicht anklage, oder um in den Augen des Königs Gunst zu finden; um wieviel mehr erst zum Dienst des Königs aller Könige, des Heiligen, gelobt sei Er.
Wer sich an diesen Weg vier- oder fünfmal gewöhnt, dem wird es hernach nicht mehr schwerfallen. Denn wer sich anschickt, rein zu werden, dem wird himmlische Hilfe zuteil.