Kaparoth und Hohe Feiertage

Aus dem „Die Hohen Feiertage“ des Buches „Jüdische Welt verstehen“ von Rabbiner Alfred J. Kolatch

© Grzegorz Pawlowski

Kaparoth:
Warum vollziehen Juden einen Tag vor dem Versöhnungstag die Zeremonie des „Kappore-Schlagens“?

Der Brauch des Kapporeschlagens (kappara = Sühneopfer) hat sich aus dem alten Glauben entwickelt, daß Krankheiten, Schmerzen, Ärger und Sünden auf ein lebendes oder totes Objekt übertragen werden können.

Beim „Kapporeschlagen“, das auch heute noch bei manchen Juden Brauch ist, wird ein Huhn dreimal über dem Kopf geschwungen und folgende Formel aufgesagt: „Dies ist mein Ersatz, dies ist meine Auslösung, dies ist meine Buße (33). Dieses Huhn (oder dieser Hahn) wird sterben, und ich werde mich eines guten und langen und friedlichen Lebens erfreuen.“

Mit dem Brauch geht die Lesung von ausgewählten Abschnitten aus den Psalmen oder dem Buch Hiob einher. Danach wird das Geflügel (34) rituell geschlachtet und vom Besitzer verzehrt oder an Arme verschenkt. Der ursprüngliche Grund für die Verwendung von Hähnen und Hühnern lag darin, daß nach der Zerstörung des Tempels kein Tier mehr von der Art, wie sie im Tempel geopfert wurden, für einen ähnlichen Zweck im jüdischen Leben verwendet werden durfte. Gab es keinen Hahn oder kein Huhn, wurden andere Tiere wie etwa Gänse oder Fische genommen.(35)

Der im Talmud nicht erwähnte Brauch des Kapporeschiagens ist wahrscheinlich bei den Juden von Babylon aufgekommen. Einen entsprechenden Hinweis gibt es in den Schriften der Geonim des 9.Jahrhunderts. Wenngleich die meisten religiösen Führer diesen Brauch als barbarisch verurteilten (36), hat Rabbi Moses Isserles ihn gebilligt, woraufhin er sowohl von den deutschen als auch den polnischen Juden beibehalten wurde.

Da der Brauch aber äußerst umstritten ist, verwenden mittlerweile viele Gläubige statt des Geflügels Geldmünzen (37), die dann für wohltätige Zwecke eingesetzt werden.

Jüdische Welt verstehen
Nach einer inhaltlichen und sprachlichen Neubearbeitung von Miriam Magall liegt nun eine Neuausgabe des Buches von Rabbiner Alfred J. Kolatch vor. Um jüdischem Leben in all seiner Vielfalt begegnen zu können, ist dieses Buch eine wahre Fundgrube…

(33) Daher die Bezeichnung kapparot = Bußen (Plural von Buße)
(34) Meist Hahn oder Huhn; nach J. Schwarz in „Ruth“ ist es ein Hahn für einen Mann, ein Huhn für eine Frau.
(35) Wahrscheinlich wollte man auf diese Weise an die alten Opferriten von Jom Kippur zur Zeit des Tempels erinnern.
(36) Zu den höchsten religiösen Autoritäten, die sich dem entgegenstellten, gehörte sogar Rabbi Joseph Karo, der Autor des Schulchan Aruch.
(37) Als Gegenwert und in dem Glauben des zedaka tazil mi-mawet: „Nächstenliebe schützt vor dem Tode“.