„Harren, das sich in die Länge zieht, macht das Herz krank“

Rabbi Michael Graetz
Merkaz Shiluv Educational Center, Beer Sheva, Israel

Die Worte aus Mischle kommen mir in den Sinn: „Harren, das sich in die Länge zieht, macht das Herz krank“ (Mischle 13,12).

Mein Herz ist krank. Hoffnung erscheint als etwas lang Vergangenes und weit Entferntes. Der Terrorismus hat meinen Optimismus verbraucht. Ich betrete den Betsaal meiner Synagoge und die grellen Farben der Glassfenster des Aron HaKodesh scheinen meiner Stimmung höhnen. Ich bin so wütend. Ich schreie zu G’tt: „Haben wir dies wirklich verdient? Haben wir diese Menschen so schlecht behandelt? Und Du hälst Dich raus?“

Meine Rufe verhallen in dem leeren Raum. Schweigen beantwortet meine verzweifelten Rufe. Ich wende mich dem Siddur, einem Gebet für diese Gelegenheit, zu:

Warum muss mein Schmerz endlos sein, meine Wunde unheilbar, sich der Heilung verweigernd.
Darum weine ich, meine Augen fließen über von Tränen;
wegen der israelischen Mädchen, die zusammen verbrennen mussten, für die Mutter und die Tochter, die im gleichen Moment starben.
G’tt heilt die gebrochenen Herzen und tröstet,
tröstet uns.
O, G’tt, lass sie genesen,
und lass auch uns genesen,
nicht sollen die Bedürftigen missachtet werden, noch soll die Hoffnung der Gekränkten für immer verloren sein.
G’tt wird die Welt gerecht regieren und seine Völker mit Unvoreingenommenheit.
Du, Ewiger, regierst für immer, Dein Thron soll durch die Zeitalter dauern.
Judah soll für immer bewohnt sein, Jerusalem durch die Zeiten.

Schweigen beantwortet mein soeben gesprochenes Gebet.
Ich kämpfe damit, den Glauben in Andere, in andere Menschen zu bewahren.
Wie bewahrt G’tt seinen Glauben in die Menschen?
Wie auch immer die Antwort darauf sein mag, ich werde nicht aufgeben.
Ich werde mein Land nicht verlassen, den zu Materie gewordenen Ausdruck meiner Seele. Ich werde kämpfen und auch töten, wenn ich mein Leben verteidigen muss. Ich werden meinen Glauben an die Menschen nicht aufgeben.
Ich werde nicht aufhören zu fordern, dass wir gerecht und gütig gegen andere handeln. Ich weiss, dass viele nicht grausam sind, dass sie mit mir in Frieden leben wollen. Ich werde nicht aufgeben. Ich werde sie suchen, um zu versuchen, einen Bund gegenseitigen Vertrauens miteinander zu schliessen. G’tt, auch wenn Du schweigst, so unterstütze zumindest meinen Entschluss.
Wenigstens hilf mir in meiner Suche, hilf mir nicht aufzugeben.
Amen.

Übersetzung aus dem Englischen: Susanna Ruerup