Gesetze zur „Kränkung durch Worte“

Im Munde und im Herzen sei eins, darum prüfe Dein eigenes Herz und achte auf Deine Worte! Wisse, dass die Himmelstore für die Tränen niemals geschlossen sind.

Kränke Deinen Nächsten nicht, enttäusche ihn nicht, wenn Du ihm etwas versprochen hast. Tu ihm nicht weh!
„Tue, was gerade und gut ist in den Augen des Ewigen, deines Gottes!“ (Deut. 6,18)

Die Kränkung mit Worten ist laut Schulchan arukh verboten. Es geht hier nicht um gutes Benehmen und feine Sitten, sondern um Gesetz. Dieses leitet sich direkt aus der Torah ab und bezieht sich direkt auf die Gottesfurcht:
„Es kränke nicht einer seinen Nächsten; fürchte dich vor deinem Gotte!“ (Lev. 25,17)

Der Kizur betont: „Größer ist Kränkung mit Worten als Übervorteilung im Vermögen; denn diese läßt sich zurückgeben, jene aber läßt sich nicht zurückgeben; diese ist im Vermögen und jene an der Person; und wer über Kränkung durch Worte wehklagt, der wird sofort erhört“.

Die Himmelstore für die Tränen sind nie geschlossen

Besonders muß man sich vor einer Kränkung seiner Frau in Acht nehmen, sie nicht durch Worte zu verletzen, weil die Frau von Natur weich ist und schon über eine geringe Verletzung weint; und der Ewige, gepriesen sei Er, achtet auf die Tränen, und die Himmelstore für die Tränen sind nie geschlossen.
Hat man aber einen Mann so schwer verletzt, dass er weint, so wisse auch er, dass die Tore des Himmels gewiss geöffnet sind.

Kränkung und Beleidigung, Verleumdung und üble Nachrede, werden oft als Schwerstverbrechen bezeichnet und mit dem Blutvergießen auf eine Stufe gestellt. Erläutert wird dies mit dem Beispiel eines Menschen, egal ob Mann oder Frau, Jude oder Nichtjude, der mit übler Nachrede konfrontiert wird und erbleicht. Sein Blut sackt ab und ergießt sich nach unten.

Was gemeint ist, wenn die Halakhah, bzw. Talmud und Schulchan arukh von „Kränkung mit Worten“ reden, sollen nun einige Beispiele erläutern:

— Man sage nicht zu einem anderen: Für wieviel willst Du diesen Gegenstand hergeben? — wenn man nicht die Absicht hat, ihn zu kaufen.

— Wenn jemand Getreide zu kaufen sucht, sage man nicht zu ihm: Geh zu dem und dem, — wenn man weiß, daß er keines zu verkaufen hat.

— Wenn sein Nächster von einem sündhaften Lebenswandel abgelassen hat, spreche man nicht zu ihm: Denke an deine früheren Handlungen. Man erinnere keinen an frühere Vergehen, wenn er diese bereut hat und umgekehrt ist. Dies gilt auch für zum Judentum übergetretene, die man plötzlich auf den Giur anspricht. Vor Scham könnten sie erröten. Blut ergießt sich also vom Körper in den Kopf und so reden wir auch hier vom Blutvergießen.

— Wenn, was der Ewige verhüten möge, seinen Nächsten Schmerzen heimgesucht haben, sage man nicht zu ihm, wie die Freunde Ijobs zu Ijob sprachen (Ijob 4, 6): „Fürwahr deine Gottesfurcht war deine Hoffnung… bedenke doch, ist jemals ein Unschuldiger untergegangen!“ (Sie machten damit den Leidgeplagten für sein schreckliches Leid verantwortlich. Sie begründeten dies mit Jobs verkehrten Worten über die Waltung und die Eigenschaften des Heiligen, gelobt sei Er!)

— Wenn man mit jemandem eine wissenschaftliche Frage diskutiert, wende man sich nicht plötzlich an einen zufällig dabei stehenden, der von dieser Wissenschaft nichts versteht. Einen Ungebildeten kann die Frage „Wie antwortest Du auf diese Frage?“ beschämen.

Im Kizur Schulkhan arukh, der von Rabbi Schlomoh Ganzfried vorgelegten Kurzfassung des epochalen Werkes des Josef Karo, sollen diese wenigen Beispiele einen ersten Eindruck davon geben, was gemeint ist, und was dem ähnlich ist und das Herz des Menschen verletzt.

Es folgen weitere Beispiele zur Herabsetzung, Erniedrigung und schlechten Beleumundung.

— Wenn z.B. jemand einen entehrenden Beinamen hat, so darf man an diesen nicht erinnern, selbst wenn der Träger dieses Namens sich schon an diesen negativen Beinamen gewöhnt hat. Man muss sich hüten ihm Beschämung zuzufügen. Man darf nicht im Gespräch auf die üble Herkunft des Namens hinweisen, und erst recht darf keiner, der die böse und vorsätzliche Absicht hat, ihn zu beschämen, ihn mit diesem Beinamen rufen. Dies wäre ein Verstoß gegen die Gesetze zur „Kränkung durch Worte“.

Man kann einen Menschen auch kränken und verletzen, indem man ihn enttäuscht, das heißt eine frühere Zusage, ein Versprechen, nicht einhält oder dieses im Nachhinein abändert.

Im Munde und im Herzen sei eins!

— Es ist verboten, Fleisch von einem gefallenen Tier unter der Voraussetzung, daß es geschächtet sei, zu verkaufen.

— Wenn man etwas verkauft, an dem ein Fehler ist, obschon die Sache den Preis wert ist, zu dem er sie verkauft, muß er doch dem Käufer den Fehler mitteilen.

— Man bitte nicht seinen Nächsten, bei einem zu essen, wenn man weiß, daß er nicht essen wird; man biete ihm nicht ein Geschenk an, wenn man weiß, daß er es nicht annehmen wird.

Es ist also alles was an dergleichen Beispiele erinnert verboten. Gemeint ist damit alles, wo im Munde das eine und im Herzen ein anderes ist.

Du darfs nicht Deinem Nächsten zeigen, Du wollest ihn ehren, wenn Deine Absicht nicht aufrichtig ist.

Wenn Du Deinem Nächsten Unterstützung zusagst, dann aber eigene Ziele in den Vordergrund stellst, plötzlich Bedingungen stellst und den Nächsten, der Dir vertraut hat, und sich vielleicht auf Deine Zusage verlassen hat, in Not bringst, dann hast du ihn nicht nur getäuscht, sondern auch beschämt und erniedrigt.

Prüfe Dein eigenes Herz und achte auf Deine Worte!

Der Schulkan arukh verbietet es uns Menschen mit Worten zu betrügen, auch dann, wenn kein Geldverlust damit verbunden ist. Dies gilt selbstverständlich für Juden wie Nichtjuden.

Es sei jederzeit Mund und Herz gleich; man gewöhne sich an wahrhafte Worte, einen aufrichtigen Sinn und ein reines Herz.