Paraschat Emor: Der fröhliche Jude

Chabad Lubawitsch

Wer behauptet, Juden verstünden keinen Spaß? Vergessen wir das Klischee von der jüdischen Mutter, die draußen im Regen steht, und vom Vater mit seinem langen, sorgenvollen Gesicht. Vergessen wir auch die Witze über den Juden, dem nichts Freude macht.

Denken wir daran, dass es vieles gibt, für das Juden heutzutage berühmt sind, zum Beispiel dafür, dass sie andere zum Lachen bringen. Diese Fähigkeit wird besonders geschätzt. Jüdische Schriftsteller, Komiker, Schauspieler und Künstler zerstreuen unseren Trübsinn seit Jahrzehnten, ja seit Jahrhunderten.

Darum legen wir diese Woche eine Pause ein und reden nicht davon, was wir mit unserem Leben anfangen sollen. Wir wollen vielmehr feierlich verkünden, wie fröhlich und verspielt jüdisches Leben sein kann.

Beginnen wir mit Emor, dem neuen Wochenabschnitt. Schon wieder die Torah? Kann sie uns denn aufheitern? Sie enthält doch nur Gesetze und Gebote, Geschichte und Spiritualität und viele andere wichtige Dinge – aber keinen Spaß!

Aber Emor zählt viele jüdische Feiertage auf – oder „heilige Tage“, wie sie ursprünglich hießen. Sie sind heilig, weil sie uns aus der materiellen Welt herausholen, damit unsere Seele ein wenig Übung bekommt und damit wir Kontakt mit dem Besten in uns aufnehmen. Hier finden wir die Gebote über Pessach und Schawuot, Sukkot und Schabbat, Rosch Haschana und Jom Kippur.

Vielleicht sagen Sie jetzt: „Ja, manche dieser Feste haben fröhliche Elemente, aber was haben Rosch Haschana und Jom Kippur mit Freude zu tun?“

Denken Sie nach: Sie arbeiten nicht. Sie kommen mit Menschen zusammen, die Sie lieben. Sie nehmen an vertrauten Ritualen teil, die Sie mit anderen Menschen und mit einer uralten Tradition der Weisheit, der Moral und der Mizwot verbinden. Man hört sogar, dass die Rabbis in manchen Synagogen einen oder zwei Scherze in den G-ttesdienst einfließen lassen. Und an Ende der Feiertage fühlen Sie sich bestimmt im Geiste G-ttes und seiner Güte erfrischt und gestärkt (vorausgesetzt, Sie haben alles richtig gemacht).

Es kommt eben auf den Blickwinkel an. Welchen Zweck hat die Torah? G-tt will uns nicht damit quälen, dass wir eine Menge Einzelheiten auswendig lernen (erinnern Sie sich daran, was der Hillel zu dem Mann sagte, der die ganze Torah lernen und dabei auf einem Bein stehen wollte?). Die Torah ist keine Serie von Verboten. Sie ist das Tor zur Freiheit. Befolgen Sie die Gebote, und Sie werden keine Last spüren, sondern Freude und Erfüllung. Das gelingt auch Ihnen. Prägen wir ein neues Klischee: den fröhlichen Juden!

Der Standpunkt des Rebbe

Gedanken und Einsichten des Lubawitscher Rebbe

Wenn Sie einmal den Sinn des Lebens gefunden haben, wird Ihnen dann noch genug Leben bleiben, um sinnvoll zu leben? Es ist besser, Sie leben so sinnvoll, wie es Ihnen möglich ist, und entdecken mit der Zeit immer mehr Sinn. Davon profitieren Sie ebenso wie die Menschen, die Sie beeinflussen.

Leitgedanken

„G-tt sprach zu Mosche: Sprich zu den Kohanim, den Söhnen Aharons, und sage ihnen: Keiner von euch soll sich für einen Toten in seinem Volk verunreinigen“ (21:1).

Frage: Es heißt doch emor el haKohanim („sprich zu den Kohanim“). Sind die Worte we’amarta aleihem („und sage ihnen“) da nicht überflüssig?

Antwort: Ein Chassid von Rabbi Schneur Salman von Ladi, der Chabad Chassidut gründete, sagte einmal, er habe den Drang zu sündigen durch Arroganz überwunden. Immer wenn sein jeizer hara ihn verführen wollte, schrie er: „Weißt du nicht, wer ich bin? Ich bin ein angesehener Chassid eines großen Rebbe. Wie kannst du von mir eine Sünde erwarten?“

Haschem schickt den Kohanim zwei Botschaften, eine allgemeine und eine besondere. Zuerst sagt er zu Mosche: „Emor el haKohanim“ – „Sprich zu den Kohanim“, „B’nei Aharon“ – „Denkt daran, dass ihr Kinder Aharons seid und dass ihr euch als Söhne eines derart angesehenen Vaters so benehmen müsst, wie es eurer Abstammung gebührt.“ Und er fügt hinzu: „Ve’amarta aleihem“ – „Sage ihnen, welche Gebote über Verunreinigung für sie gelten.“

Die Aufgabe des Rebbe

Rabbi Josef Weinberg arbeitete mehr als vierzig Jahre eng mit dem Lubawitscher Rebbe zusammen, der Chabad Lubawitsch seit 1951 leitete. Der Rebbe verbrachte jede Woche viele Stunden damit, die Tanja-Lektionen zu lesen und zu kommentieren, die Rabbi Weinberg im Rundfunk abhielt. Außerdem beriet er Rabbi Weinberg bei seinen zahlreichen Aktivitäten für die Lubawitscher Jeschiwa und andere Arbeiten für die Gemeinde.

Rabbi Weinberg erzählte von einem Vorfall, der ihm zeigte, wie grenzenlos die Hingabe des Rebbe war, wenn es um das Wohl seines Volkes ging: „Einmal musste ich den Rebbe über eine äußerst wichtige Angelegenheit informieren. Aber es war spät am Abend, und das Sekretariat war bereits geschlossen. Ich bemerkte, dass im Zimmer des Rebbe noch Licht brannte. Also tat ich etwas, was ich mir niemals erlaubt hätte, wenn die Sache nicht so eilig gewesen wäre: Ich schob einen Brief unter der Tür durch.

Erst einige Minuten später wurde mir klar, was ich getan hatte. Der Rebbe musste sich bücken, um meinen Brief vom Boden aufzuheben! Wie konnte ich nur so etwas tun! Aber es war geschehen, und ich konnte die Folgen nicht mehr verhindern.

Als der Rebbe mich bei nächster Gelegenheit in jechidut (Privataudienz) empfing, erklärte ich ihm, ich hätte etwas getan, was mir sehr leid tue, und ich hoffe, der Rebbe werde mir verzeihen. Dann entschuldigte ich mich wortreich dafür, dass ich den Rebbe gezwungen hatte, sich zu bücken, um den Brief aufzuheben.

Als ich fertig war, sah mich der Rebbe an und sagte: „Aber es ist doch meine Aufgabe, mich zu beugen, um einen anderen Juden aufzurichten!“