Rabbiner Pinchas Paul Biberfeld (s“l)
Mit wem ist Pharao vergleichbar: Einem Hirten, der eine Schweineherde hütete. Da fand er ein Schaf, nahm es und steckte es unter seine Tiere. Der Eigentümer des Schafes schickte zu ihm und ließ ihm sagen: Sende mir mein Schaf zurück! Da antwortete der Hirt: Du hast kein Schaf bei mir.
Der Eigentümer sprach zu seinen Leuten: Lasset mich wissen, wo er seine Schafe tränkt. Man erfragte und meldete es ihm. Da verschüttete er die Quellen und sprach: Laß mir mein Schaf! Der Hirt aber antwortete: Du hast keins bei mir.
Der Eigentümer sprach zu seinen Leuten: Lasset mich wissen, wo er seine Tiere lagern läßt. Sie erfragten und meldeten es ihm. Er riß die Hürden ein und sprach: Laß mir mein Schaf! Der Hirte antwortete: Du hast keines bei mir.
Da verbrannte er das Grüne auf dem Felde und sprach: Laß mir mein Schaf! Da antwortete der Hirt: Du hast keines bei mir.
Der Eigentümer sprach: Lasset mich wissen, in welche Schule sein Sohn geht. Dann ging der Eigentümer hin, nahm ihm den Sohn und ließ ihm sagen: Laß mir mein Schaf! Da antwortete der Hirt: Dein Schaf ist schon weggeführt.
Da nahmen sie ihn und hielten ihn zusamt dem Sohne gefangen. Nun sprach der Hirt: Jetzt habe ich nicht mehr dein Schaf, warum hältst du mich gefangen, was hast du noch bei mir? Da wurde ihm geantwortet: Ich fordere von dir die Jungen, die es geboren hat, und die Wolle für die Zeit, da es bei dir gewesen ist. Der Hirt begann zu jammern und sprach: Oh, da ich es doch hergegeben hätte!
Der Dankbare
G’T sprach zu Mose: »Verwandle den Nil in Blut.« Mose sprach: »Ich kann ihn nicht verwandeln. Gibt es denn einen Menschen, der aus einem Brunnen trinkt und ihm Steine nachwirft?«
Da sprach G’T »So soll Aaron gehen und ihn verwandeln.« Aaron ging, schlug ihn und verwandelte ihn in Blut.
Warum hatte Mose ihn nicht geschlagen? Er sagte: »Ich wurde in ihn geworfen und er hat mir keinen Schaden zugefügt.« Darum heißt es: »G’T sprach zu Moses: Sprich zu Aaron: Hebe deinen Stab über die Gewässer Ägyptens!«
Pharaos Weh
Als Pharao das Volk ziehen ließ, wer hat da Wehe gerufen? Kein anderer als Pharao. Gleich einem Könige, dessen Sohn in ein fernes Land ging, wo er bei einem reichen Manne wohnte, der ihn freudig aufnahm. Als der König erfuhr, wer seinen Sohn aufgenommen habe, und in welcher Stadt er sich befand, schrieb er einen Brief an den Mann, in welchem er ihn aufforderte: Schicke mir meinen Sohn. Das geschieht ein-, zwei-, dreimal, dann zu jeder Zeit, in jeder Stunde, bis er endlich selbst ging und seinen Sohn holte.
Da fing der Mann an, darüber zu schreien, da der Königssohn sein Haus verlasse. Seine Nachbarn fragten ihn: »Warum schreist du denn?« »Ich genoß große Ehre«, antwortete er, »solange der Königssohn bei mir war. Denn der König schrieb Briefe an mich, er machte sich mit mir zu schaffen und ich wurde von ihm hochgehalten. Jetzt, da sein Sohn mir entzogen wird, wird er sich nicht mehr mit mir befassen, darum schreie ich.«
So sprach auch Pharao: »Als die Israeliten bei mir waren, befaßte sich G’T mit mir, ich war geachtet bei ihm und er sandte Briefe an mich alle Stunden und ließ mir sagen: So spricht der Ewige, der G’T der Hebräer: ‚Laß mein Volk ziehen!’« Aber als er von Mose hörte: »Entlasse meine Kinder«, wollte er sie nicht ziehen lassen. Als nun G’T selbst nach Ägypten hinabstieg, um es aus der Hand der Ägypter zu befreien, da fing Pharao an zu schreien: »Wehe, da ich Israel habe ziehen lassen!«. Darum heißt es: Wehe, als Pharao es ziehen ließ.
Quelle: © Chaim Frank (Hrsg.), Rabbiner Pinchas Paul Biberfeld: Kommentare. Biographische Notizen, Erinnerungen und Anekdoten; München, 1998.