Exodus, Kapitel 6-9 / Paraschat Va Ere
Von Eli Erich Lasch
(„Let there be Freedom – The Bible Unveiled“, Logos Publication, 1989)
Moses’ erstes Zusammentreffen mit dem Pharao war ein Fehlschlag. Dies war nicht erstaunlich und war schon bei der ersten Begegnung am Berge Chorev vorausgesagt worden.
„… du sollst zum König von Ägypten gehen und ihm sagen, ‚HJVH, der Gott der Hebräer, ist gekommen um uns zu treffen. So lass uns drei Tage in die Wüste gehen, um Ihm zu opfern.’ Und ich weiss, dass der König von Ägypten euch nicht gehen lassen wird, wenn er nicht durch eine mächtige Hand gezwungen wird, Ich werde meine Macht zeigen und Ägypten schlagen mit allen Wundern, die ich dort vollbringen werde. Danach wird er euch gehen lassen.“ (Exodus 3, 18-20)
Und später sagt Gott: „Ich werde das Herz Pharaos verhärten und dann werde ich die Hand auf Ägypten legen.“ Dieses ist ein Satz, der vielen Bibelforschern Schwierigkeiten gemacht hat: Was für ein Gott ist das, der erst das Herz Pharaos verhärten und ihn dann dafür bestrafen wird? Ist das ein Gott der Gerechtigkeit oder der Willkür? Wir können zwar so einen Gott fürchten, aber nicht lieben und so entstand der Mythos vom rachsüchtigen Gott des Alten Testaments!
Nicht so. Ohne die Zustimmung seines eigenen Volkes, ohne dass dieses mitgemacht hätte, hätte Pharao seine böse Absicht nicht durchführen können. Sie waren es, die die Hebräer unterdrückten, sie waren es, die die hebräischen Knaben in den Nil warfen, und dafür haben sie mit dem Leben ihrer Erstgeborenen bezahlt.
Und wieder ist die Ähnlichkeit mit Deutschland frappierend. Ohne die willige Mitwirkung des deutschen Volkes hätte auch Hitler seine bösen Absichten nicht durchführen können. Sie, die Deutschen, waren diejenigen, die die Juden Europas ausrotten wollte, sie waren, um Goldhagen zu zitieren, Hitlers willige Vollstrecker.
Der Aspekt Gottes, der Moses am Chorev offenbart wurde, hat nur vorausgesagt, was geschehen würde. Wir sind hier Zeugen einer gewaltigen Schlacht zwischen den Kräften der Tradition, des maximalen Konservativismus und den Kräften der Veränderung, der Erneuerung. Zwischen Versteinerung und Leben. Zwischen Sklaverei und Freiheit.
Dies bringt uns zu den berühmten ägyptischen Plagen. Der klassische Ansatz hat versucht jede Plage für sich zu erklären und die Symbolik einer jeden zu entdecken, um zu verstehen, wofür die Ägypter bestraft wurden. Auch moderne Wissenschaftler haben versucht jede Plage einzeln zu deuten. Sie sehen in ihnen allerdings nur Naturerscheinungen – das Blut soll der rote Schlamm des Nils sein usw. Wenn das wahr wäre, warum sind dann die Fische des Nils gestorben, warum konnten die Ägypter das Wasser nicht trinken. Das war doch etwas, das sich jedes Jahr wiederholt.
Sie alle haben den Wald vor lauter Bäumen nicht gesehen. Denn was sehen wir hier, wenn nicht einen Kampf zwischen zwei Grundprinzipien – zwischen Stabilität und Veränderung, zwischen Stagnation und ewiger Bewegung. Was sind die Plagen, wenn nicht die Manifestation dessen, was die Ägypter am meisten fürchteten – der ungezügelte Ausbruch der Natur, das Zerbrechen und der Untergang der Stabilität. Die Geschichte wird eingeleitet mit der Verwandlung des Wassers des Nils in den Träger der Lebensenergie, in Blut. Aber gerade das war es, wovor sich die Ägypter am meisten fürchteten, da sie ja die Anbetung des Lebens gegen die Anbetung des Todes getauscht hatten. Das war etwas, was sie nicht akzeptieren konnten. Und so ging das „Fest der Natur“ weiter. Die ersten drei Plagen symbolisieren die Natur, die sich selbst vermehrt, die Kräfte der ewigen Erneuerung. Erst die Frösche, dann die Läuse und schliesslich verschiedene Raubtiere.
Die Natur manifestiert sich allerdings nicht nur in der Vermehrung, sondern auch in Zerstörung. Dies wird durch die nächsten drei Plagen gezeigt – zuerst werden die Tiere, die Lebensgrundlage, geschlagen, dann die Menschen und schliesslich beide (durch den Hagel).
Und schliesslich die Heuschrecken, die beides verbinden, Vermehrung und Zerstörung. Dies ist die ultimative Manifestation des Lebens, die Zerstörung, die den Weg für Wiedergeburt und Erneuerung öffnet. Aber die Ägypter sind nicht überzeugt. Dies ist die Bedeutung der vorletzten Plage, der Finsternis. Die Finsternis, in der die Ägypter sich befanden, ist zu tief, als dass diese Manifestationen sie durchdringen könnte. Dass es sich dabei um den geistigen Zustand, in dem sich die Ägypter befanden, handelt und nicht um eine allgemeine Finsternis, geht aus der Tatsache hervor, dass nur sie betroffen waren. Die Hebräer befanden sich auch während der Zeit im Licht.
Übersetzung: der Verfasser und Cornelia Fuchs (Jesaja, 5.2). Alle Bibelzitate sind der Übersetzung von Buber/Rosenzweig entnommen.