Die Durchquerung des Schilfmeeres

Paraschat B’Schalach, Exodus 13-17

Von Eli Erich Lasch
(„Let there be Freedom – The Bible Unveiled“, Logos Publication, 1989)

Die grosse Schlacht zwischen den Kräften des Lebens und den Kräften des Todes war vorbei. Die Kinder Israel wurden aus Ägypten, dem „engen“ Land, dem Land der Unterdrückung und Knechtschaft[i], in die weite, offene, ungezügelte Wüste verjagt. Aber bevor sie wirklich frei werden konnten, mussten sie ein weiteres Hindernis überwinden: das Schilfmeer. Dies war der Ort des letzten Showdown zwischen dem ägyptischen Pharao, der sich als Gott deklariert hatte und den Kräften des Lebens, deren Vertreter Moses war:

„Als dem König von Ägypten gemeldet wurde, dass das Volk geflohen war, änderte sich der Sinn des Pharao und seiner Leute gegenüber dem Volk und sie sprachen: Was haben wir da getan, dass wir Israel haben ziehen lassen, so dass sie uns nicht mehr dienen? Und er liess seine Streitwagen anspannen und nahm seine Streitmacht mit sich. Er nahm 600 auserwählte Krieger und alle Streitwagen Ägyptens und Wagenkämpfer auf jedem von ihnen. Und Gott, der Herr verstockte das Herz des Pharao, des Königs von Ägypten, so dass er den Israeliten nachjagte. Obwohl sie unter dem Schutz der erhobenen Hand ausgezogen sind. Die Ägypter setzten ihnen nach und holten sie ein, als sie am Meer lagerten. Alle Pferde und Streitwagen der Ägypter und sein ganzes Heer neben Pi-Hahirot gegenüber von Baal-Zafon. Als Pharao näher rückte, hoben die Söhne Israels ihre Augen und sahen, dass die Ägypter ihnen nachziehen. Sie fürchteten sich sehr und schrieen zu HVJH. Zu Moses sagten sie: Gibt es denn keine Gräber in Ägypten, dass du uns fortgeführt hast, damit wir in der Wüste sterben. Was hast du uns da getan, indem du uns aus Ägypten geführt hast? Haben wir nicht schon in Ägypten dir gesagt: Lass von uns ab, wir wollen Ägypten dienen. Denn es ist besser, Ägypten zu dienen als in der Wüste zu sterben.

Moses antwortete dem Volk: Fürchtet euch nicht, haltet stand und ihr werdet sehen, wie HVJH euch heute erretten wird. Denn so wie ihr Ägypten heute seht, werdet ihr es bis zum Ende der Tage nie wieder sehen. ER wird für euch kämpfen und ihr verhaltet euch ruhig. (Exodus 14, 5-14)

Während der Schlacht, die noch in Ägypten stattfand, waren die Kinder Israel passiv. Das Kind spielt beim Geburtsvorgang keine aktive Rolle. Nun allerdings wurden sie zur Teilnahme aufgefordert. Den Weg zeigte ihnen bei Tag eine Wolken- und bei Nacht eine Feuersäule. Aber es war ihre Entscheidung diesen Zeichen zu folgen. Um die Knechtschaft zu verlassen, mussten sie sich fortbewegen. Das sollten sie auch tun, als sie das Heer von Pharao, das sie verfolgte, entdeckten. Moses wollte weiterhin so verfahren wie in Ägypten: „HVJH wird für euch kämpfen. Ihr braucht euch nur ruhig zu verhalten.“ Aber diese Zeit war vorbei, und Gott schalt ihn:

„Warum schreist du zu mir.
Sag den Kindern Israel, sie sollen weiterziehen.“

Wirkliche Erlösung ist nur dann möglich, wenn man aktiv daran teilnimmt. Nur dann wird sie real werden.

Wieder haben wir hier eine Parallele zwischen dem Auszug aus Ägypten und unserer heutigen Zeit. Die Juden, die passiv auf den Messias warteten oder sich durch Assimilierung ihrer christlichen Umgebung in Europa anpassen wollten, sind von der Bühne der Geschichte verschwunden. Israel wurde von Juden gegründet, die die Passivität aufgaben und selbst den Weg zur Erlösung eingeschlagen haben.

Sie zogen also weiter, und zwar noch bevor Moses das Meer geteilt hatte. Und die Bibel fährt fort:

„Du aber, hebe deinen Stab empor und recke deine Hand aus über das Meer und spalte es dass die Israeliten mitten im Meer auf dem Trockenen gehen können … Da machte sich der Engel Gottes auf, der vor dem Heere Israels einherzog und trat hinter sie. Und die Wolkensäule vor ihm ging weg und stellte sich hinter sie. Und sie kam zwischen das Heer der Ägypter und das Heer Israels zu stehen. Auf einer Seite war die Wolke und die Finsternis, und auf der anderen Seite erleuchtete er die Nacht und keiner kam dem anderen nah. Und Moses reckte seine Hand aus über das Meer, und der Herr trieb das Meer die ganze Nacht durch einen starken Wind zurück und legte das Meer trocken und die Wasser spalteten sich. So gingen die Kinder Israel mitten im Meere auf dem Trockenen, während die Wasser ihnen zur Rechten und zur Linken wie eine Mauer standen.“ (Exodus 14, 16-22)

Der Legende nach hatten die Israeliten selbst nach der Spaltung des Meeres Angst den Boden zu betreten, denn er war schlammig. Und nur ein Mann namens Nachschon, Sohn von Aminadav aus dem Stamme Judah, wagte sich voran. Die Überlieferung sagt, dass nur wegen solcher Menschen, die bereit sind, das Risiko einzugehen und ins Wasser zu springen, sich das Meer gespalten hat – und sich immer wieder spalten wird, wenn es notwendig ist.

Um zum vorigen Absatz zurückzukehren, kann man ihn mit den ersten Zionisten vergleichen.

Die moderne Forschung hat immer wieder versucht das Schilfmeer zu lokalisieren; die vorgeschlagenen Orte reichen vom Roten Meer bis zu den Seen entlang dem Suez-Kanal (Lake Timsah und Lake Balah) oder dem Nildelta. Auf die gleiche Weise hat man versucht, die Teilung der Wasser natürlichen Phänomenen zuzuschreiben und Moses Anteil daran auf sein Wissen um die Gezeiten zu reduzieren. Eine andere und heute sehr verbreitete Einstellung verweist die Geschichte ins Reich der Mythen. Mögen auch beide Ansätze berechtigt sein, treffen sie nicht den Punkt, weil die Bibel weder ein Lehrbuch der Geschichte, noch eine Sammelsurium von Mythen ist.

Die Bibel benutzt sowohl historische Erzählungen wie auch Mythen um zu lehren. Aber wäre es möglich, dass es sich um etwas ganz anderes handelt? Handelt es sich weder um das eine noch das andere? Ist die Bibel mehr und ganz anders, als wir uns vorstellen? Seit Beginn seiner Laufbahn, ja, sogar seit seiner Geburt, konnte Moses die Grenzen von Raum und Zeit überwinden. Für ihn brannte der Busch und verbrannte nicht, und später konnte er die Naturkräfte entfesseln, die das Land Ägypten heimsuchten.

Wir sehen diese Taten als Wunder an, aber vollbringen wir nicht ähnliche wundersame Taten in unserem täglichen Leben? Für jemanden, der nur einige Jahrhunderte früher gelebt hat, würde es auch als Wunder erscheinen, wenn wir ein elektrisches Licht oder einen Fernseher anschalten, ein Auto fahren oder mit dem Flugzeug fliegen; sie würden ihnen wie göttliches Eingreifen oder Magie erscheinen. Die Zyniker und die orthodoxe Vertreter der Religionen werden zweifellos behaupten, dass wir ausgeklügelte Geräte benutzen, die den Menschen der Antike nicht zur Verfügung standen. Und, so werden sie hinzufügen, Moses stand nichts dergleichen zur Verfügung. Nein, werden sie sagen, ein Mensch, der damals lebte, konnte solche Taten nicht vollbringen. Und der Streit zwischen der herkömmlichen religiösen Sicht, die alle diese Wunder einem unmittelbaren Eingreifen des Göttlichen zuschreibt, und den Vertretern der wissenschaftlichen Sicht, die alle diese Ereignisse ins Reich der Naturerscheinungen oder Mythen verweisen, wird weitergehen. Aber liegt beiden Sichtweisen nicht eine unglaubliche Arroganz seitens des modernen Menschen zugrunde? Basieren sie nicht auf der Annahme, dass alle Menschen, die im Altertum lebten, grundsätzlich primitiv waren?

Aus dieser Sicht konnte ihnen bestimmt nichts zur Verfügung stehen, was wir heute nicht haben. Aber was wissen wir wirklich über das Wissen und die Wissenschaft des antiken Ägypten, des Landes, in dem Moses aufgewachsen ist? Verstehen wir, wie die Ägypter ihre Pyramiden gebaut, ihre Toten einbalsamiert oder die Wände ihrer Gräber bemalt haben, mit Farben, die noch heute so frisch sind wie vor drei- bis viertausend Jahren? Wären wir zu solchen Leistungen imstande? Könnte es sein, dass die alten Ägypter Erben einer Zivilisation waren, die viel älter und fortgeschrittener war als die unsere? Wenn wir jetzt zurückgehen und die Bibel lesen, werden wir erkennen, dass Moses nicht mit leeren Händen da stand, als er seine wunderbaren Taten vollbrachte. Er hatte einen Stab in der Hand, einen Stab mit allerlei „magischen“ Attributen. Wenn wir die Bibel lesen, erkennen wir auch, dass die Ägypter über ähnliche Kräfte verfügten und bei den ersten beiden Plagen eine Wiederholungsvorstellung gaben. Sie konnten Wasser in Blut verwandeln, sie konnten Frösche herbeibeschwören und sie benutzten auch Stäbe. Der einzige Unterschied war ein quantitativer. Es scheint, dass Moses ihnen einen oder sogar mehrere Schritte voraus war oder dass ihre Stäbe ihre Kraft verloren.

Wir wissen nicht, wie diese Stäbe funktionierten und ebenso wenig wussten das die Zuschauer. Aber trifft dies nicht für viele unserer Geräte zu? Weiss der heutige Durchschnittsmensch, warum ein Fernsehgerät oder ein Telefon funktionieren? Er benutzt sie eben. Ein ‚Primitiver’ andererseits würde all das als Hexerei ansehen. Aber wenn wir für einen Augenblick die Kräfte des Stabes ausser Acht lassen, woher wissen wir, dass Moses nicht die geistigen oder seelischen Kräfte hatte diese Taten auszuführen? Nur weil der moderne Mensch diese Kräfte weder hat noch versteht?

Die Wissenschaft fängt gerade erst an, sich mit sogenannten „paranormalen“ Phänomene wie Telepathie, Telekinese, Geistheilen und sogar Hellsehen auseinander zu setzen. Es scheint sogar, dass man diese Kräfte durch moderne Elektronik verstärken kann. Ein Beispiel dafür ist das Heilen über das Fernsehen, das ich durchgeführt habe und bei dem erwiesenermaßen Tausende von Kranken geheilt wurden.

Heute nennt man diese Art des Heilens noch Wunderheilen, aber mit einem göttlichen Eingreifen hat das anscheinend wenig zu tun. Andererseits gibt es aber auch Phänomene wie die Heilungen in Lourdes …

All dieses Phänomene können mit der „normalen“ Naturwissenschaft nicht erklärt werden. Sie existieren einfach. Wäre es möglich, dass es ein ähnliches Zusammenwirken gab, als Moses mit Hilfe seines Stabes das Wasser teilte?

Was wissen wir wirklich über die Fähigkeiten unseres Gehirns? Die meisten Wissenschaftler stimmen darin überein, dass wir nur einen geringen Prozentsatz davon benutzen, die Schätzungen schwanken zwischen zehn bis zwanzig Prozent. Es ist mehr als wahrscheinlich, dass Moses’ Ausbildung als ägyptischer Priester in ihm ruhende Fähigkeiten erweckten, die er während seines Aufenthalts in Midian weiterentwickelte. Er war schliesslich ein junger Mann, als er Ägypten verliess und achtzig Jahre alt, als er zurückkehrte! Was hat er all diese Jahre getan? Das ist etwas, was wir nie wissen werden, wir wissen nur, dass die Wüste mit ihrer Stille die Möglichkeit bietet besondere Fähigkeiten zu entwickeln. Es ist kein Zufall, dass alle Gründer grosser Religionen einige Zeit in der Wüste verbracht haben. In der Wüste spricht die Stille[ii] und dem Propheten Elia erschien Gott in der tiefsten Stille (1. Könige 19,12) … die Zehn Gebote heissen auf Hebräisch die „zehn Sprüche“. Der Höhepunkt dieses Aufenthalts war die Begegnung mit Gott im brennenden Busch, wo er sich von den Fesseln der Zeit befreit und seine Göttlichkeit wieder gefunden hat.

Was bedeutet eigentlich „seine Göttlichkeit wieder gefunden“ zu haben? Die Kabbalah sieht Gott als das Nichts oder die grosse Leere an, und alles, was wir als göttlich bezeichnen, sind Seine Attribute (siehe auch das Kapitel über Joseph). Moses wurde mit einem dieser Attribute verbunden, etwas, das die Kabbalah als Dwekuth oder als Sich-Anhaften bezeichnet – ein aktiver Vorgang, der aber nur von der Gottheit ausgehen kann. Es kommt immer „von oben“, und das ist es, was die Bibel als die starke Hand Gottes bezeichnet. Bildlich gesprochen, reicht Gott einem seine Hand. Nach seinem Erlebnis am brennenden Busch war Moses mit der Gottheit verbunden wie ein elektrisches Gerät mit dem Strom. Er wurde von Gottes Hand geleitet. Im Gegensatz zu der am weitesten verbreiteten Meinung geschieht so etwas nicht, wenn man versucht etwas zu Ehren Gottes oder zu Seinem Wohlgefallen zu tun, sondern man muss sich einem der Attribute anpassen, und gewöhnlich, wie bei Moses, geschieht das unbewusst. Als ich mein Gotteserlebnis hatte[iii] und so zum Heiler wurde, war ich Atheist und wurde von einer Realität in die andere katapultiert. Die Kabbalisten nennen so ein Erlebnis „in eine andere Welt versetzt werden“.

Als Moses alt wurde, übermittelte er sein Wissen an Josua, der es mindestens zweimal nutzte. Das erste Mal war, als das Volk den Jordan gegenüber von Jericho überqueren musste (Josua 3, 13-17); das zweite Mal war, als Israel mit den Amoritern kämpfte. Josua brauchte mehr Zeit, und er bekam sie auf eine ganz besondere Art und Weise: Er dehnte sie aus, oder in der Sprache der Bibel:

„Josua redete mit dem Herrn und sprach in Gegenwart Israels: Sonne, stehe still zu Gibeon und Mond im Tal von Ayalon. Da stand die Sonne still und der Mond blieb stehen, bis das Volk Rache genommen an seinen Feinden … So stand die Sonne still mitten am Himmel und eilte nicht unterzugehen beinahe einen ganzen Tag. Und niemals, nicht vorher und nicht nachher hat der Herr auf die Stimme eines Mannes gehört wie an diesem Tag.“ (Josua 12-14)

Bei unserem gegenwärtigen Wissensstand wissen wir, das diese Schilderung nicht wörtlich genommen werden kann. Es sind schliesslich nicht die Sonne und der Mond, die sich um die Erde drehen, sondern umgekehrt. Wenn die Erdrotation aufgehört hätte, wären alle Bewohner der Erde in den Weltraum geschleudert worden. Aber die Geschichte basiert auch nicht nur auf dichterischer Freiheit. Es war nicht die Natur, die sich veränderte, sondern das Volk Israel. In diesem Augenblick trat es aus der Zeit heraus. Aus seiner Sicht standen die Sonne und der Mond wirklich still. Nur für die Kinder Israel. Für den Rest der Welt setzte sich der natürliche Rhythmus unverändert fort.[iv]

Hat sich hier Gott wirklich persönlich eingemischt, wie die orthodoxen Fundamentalisten behaupten? Wie wir schon im Kapitel über Joseph angedeutet haben, sagt die Kabbalah, die jüdische Mystik, dass Gott sich nicht direkt einmischt, denn Einmischen bedeutet aktiv zu werden und Aktivität bedeutet Veränderung. Gott hingegen ist ewig und unveränderlich.

Was passierte da eigentlich? Genau wie Moses war auch Josua mit den Attributen Gottes verbunden und konnte deswegen auch den Strom der Zeit verlassen.

Moses hatte die Ägypter besiegt, weil diese sich von der göttlichen Energie getrennt und sich der Unbeweglichkeit und dem Tode verschrieben hatten. Dieses erklärt auch das Symbol des Schilfmeeres. Die Bibel spricht nicht von einem Ort, der mit Schilf bewachsen ist. Sie benutzt ein Wortspiel, um uns eine Botschaft zu übermitteln. Auf Hebräisch ist der Name des Schilfmeeres Jam suf, das Meer des suf. Suf bedeutet „Schilf“, aber das Wort kann auch als sof gelesen werden und sof bedeutet „Ende“.[v] Und so sehen wir, dass für die Kinder Israel die See wie Schilf war, das sich im Wind biegt. Für die Ägypter hingegen war es das Meer des Endes, und ihr Ende ist wohlbekannt:

„Die Wasser strömten zurück und bedeckten die Wagen und Reiter, die ganze Streitmacht Pharaos, die ihnen ins Meer gefolgt war, so dass nicht einer von ihnen am Leben blieb.“ (Exodus 14, 28).

Und die Bibel schreibt weiter: „Als Israel sah, wie gewaltig sich die Hand des Herrn an Ägypten erwiesen hatte, da fürchtete das Volk Gott und glaubten an Gott und an seinen Knecht Moses.“ (ebd. 29)

Wenn wir jetzt den Auszug aus Ägypten zusammenfassen, wird es uns klar, dass laut der Bibel alles nur durch einen direkten Eingriff Gottes möglich wurde. Der Mensch kann sich nicht alleine aus der Knechtschaft befreien. Andererseits braucht aber Gott einen menschlichen Vermittler, und dieser war Moses. Moses tat nichts aus eigener Initiative. Seitdem er Gott am brennenden Busch begegnet war und seinen Auftrag angenommen hatte, wurde er zu einem reinen Kanal von Gottes Macht. Um das auf unsere Zeit zu beziehen, so befindet sich der heutige Mensch trotz aller seiner Errungenschaften noch immer im Banne des Todes. Er kann über nichts, was von wirklicher Bedeutung ist, selbst entscheiden, weder über seine Geburt noch über seinen Tod. Er ist auch weiterhin dem Tod unerbittlich ausgeliefert und insofern befindet er sich noch immer in Ägypten, dem „engen Land“, dem Land des Todes. Hat der Auszug aus Ägypten überhaupt schon stattgefunden und handelt es sich wirklich nur um ein historisches Ereignis? Oder ist es eine Vision der Zukunft? Ist es der Weg zum Anfang einer neuen Welt, die die Bibel als die Offenbarung am Sinai darstellt – der Anfang von Gottes Reich auf Erden?

Die Paraschah wird von einem Lobgesang unterbrochen, der inzwischen Teil der Liturgie des Morgengebetes geworden ist: Shirat haJam, das Lied des Meeres: „Damals sang Moshe und die Kinder Israel … Singen will ich dem Ewigen, dem Gott Israel, denn hoch stieg er, Ross und Reiter warf er ins Meer … Er ist ein Kriegsmann, HVJH ist sein Name“. (Exodus 15, 1-3)

Gott, der Krieger? Gott, der Rächer, der grausame Gott des Alten Testaments? Darüber gibt es die folgende Legende: Als die Kinder Israel Gott für ihre Rettung dankten, wollten auch die einstimmen. Gott sagte ihnen folgendes: „Das Werk meiner Hände ertrinkt im Meer und ihr singt mir einen Lobgesang?“

[i] Der hebräische Name für Ägypten, der von den Arabern übernommen wurde, ist mitzraim (auf Arabisch missr). Die wörtliche Bedeutung dieses Namens ist die im Text erwähnte. Die alten Ägypter nannten ihr Land khamat oder khemet. Dieser Name ist dem biblischen Namen für den Sohn Noahs, den Vorvater der Ägypter, Kham, sehr ähnlich.
[ii] Das hebräische Wort für Wüste besteht aus den selben Konsonanten wie das Wort „sprechen“, siehe auch: Eli Lasch, Songs of Hope, Vantage Press, 1992
[iii] siehe: Eli Lasch, Das Licht kam über mich, Hans Nietsch Verlag, 1998
[iv] Diese Sicht findet sich auch in den Schriften von Rabbi Löw, der berühmte Kabbalist, der im 16. Jahrhundert in Prag gelebt hat und mit der Legende des Golem verbunden ist. Das war einige Jahrhunderte vor der Entdeckung der Relativität der Zeit durch Albert Einstein.
[v] Die hebräische Schrift hat nur Konsonanten.
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Übersetzung: der Verfasser und Cornelia Fuchs (Jesaja, 5.2). Alle Bibelzitate sind der Übersetzung von Buber/Rosenzweig entnommen.