Prophetie und heiliger Geist

  1. Um die Menschheit auf den Wegen von G’ttes Torah zu führen und damit die Torah vom Volk Israel eingehalten werde, wurden der Welt verschiedene Grade von Prophetie gegeben.
  2. Der höchste Grad der Prophetie ist die Offenbarung der Torah und ihrer Vorschriften. Damit ist die prophetische Schau Moses gemeint, dem am Sinai die Torah vor dem ganzen Volk gegeben wurde und der bis zu seinem Tod weiterhin für G’ttes Offenbarung empfänglich blieb. Moses war der größte aller Propheten.
  3. Der hohe Grad der prophetischen Schau, der Moses zuteil wurde, war notwendig, um Veränderungen an der Torah vorzubeugen. Nach Moses kann kein anderer Prophet beanspruchen, eine göttliche Offenbarung einer neuen Torah, neuer Vorschriften oder auch nur neuer Auslegungen der Torah allein auf dem Weg der Prophetie erlangt zu haben. Auf diese Weise ist die Ewigkeit der Torah gewährleistet.
  4. Jeder Prophet, der etwas prophezeit, was Moses Torah widerspricht, verdient die höchste Strafe. Trotzdem ist es einem Propheten aber möglich und erlaubt, eine zeitweilige Änderung eines bestimmten Gesetzes zu verkünden ausgenommen Götzendienst. Das war der Fall des Propheten Elias, der auf dem Berge Carmel einen Altar aufgestellt hat, obwohl nach der Schrift ein Verbot besteht, Opfer außerhalb des Tempelbezirks in Jerusalem darzubringen.
  5. Propheten müssen sich auf alle erdenkliche Art und Weise darauf vorbereiten, prophetischer Visionen teilhaftig zu werden. Doch auch nach entsprechender Vorbereitung können selbst geeignetste Propheten, nur durch G’ttes Willen prophetische Schau erlangen.
  6. Im allgemeinen bestand die Aufgabe der Propheten darin, Israel und die Völker auf einem göttlich gewiesenen Pfad zu führen, wie er sich in den jeweils besonderen Zeitumständen anbot. Die meisten Propheten hatten auch zukunftsbezogene Visionen, um Israel und die Welt auf das Kommende vorzubereiten.
  7. Es gibt einen niedrigeren Grad der Prophetie, der als »heiliger Geist« bezeichnet wird. Sowohl die Weisen Israels als auch die Großen der Menschheit haben an ihm Anteil gehabt. Er enthält die göttliche Eingebung von Offenbarungen verschiedener Art. Die »Ketuvim« (hebräisch, nachprophetische Schriften) wurden auf diese Art und Weise geoffenbart.
  8. Es gibt eine noch niedrigere Ebene des heiligen Geistes, welche in Übereinstimmung mit dem menschlichen Intellekt arbeitet. Dadurch wurde den Gelehrten der Mischnah, des Talmud und der anderen Werke ermöglicht, die Torah besser zu verstehen und verborgene Erklärungen und Neuerungen in ihr zu entdecken.

Rabbiner Eliahu Avichail: Judentum. Eine Einführung in die Grundlagen des jüdischen Glaubens und Gesetzes, Aus d. Hebr. von Meir Seidler, 110 S., Kovar Verlag, [Bestellen?]