Zum Wochenabschnitt vajakhel: Der Schabath und das Stiftzelt

Bekanntlich nimmt die Beschreibung der Errichtung des Stiftszeltes im Buche Exodus viel Raum ein. Vier ganze Wochenabschnitte sind diesem Thema gewidmet, in zweien ist die Anweisung für den Bau enthalten und in zweien — Wajakhel und Pekude — die Ausführung.

Jedem aufmerksamen Leser wird noch eine sonderbare Erscheinung im Text auffallen, nämlich dass das Gebot der Einhaltung des Schabbat sowohl zum Abschluss des Auftrags in „Ki-tissa“ (Kap. 31, 13-17) als auch am Anfang dieses Wochenabschnittes, Wajakhel, erwähnt wird (Kap. 35,2).

Die Nebeneinanderstellung zweier so wichtiger Themen wie das Heiligtum und der Schabbat soll hier von verschiedenen Gesichtspunkten aus erklärt werden.

Im Wochenabschnitt „Ki-tissa“ wird das Gebot, das Schabbatgesetz zu halten, dreimal wiederholt: 1) „meine Sabbattage sollt ihr hüten“, 2) „Beobachtet also den Sabbat, denn heilig ist er euch“, 3) „Die Kinder Israel sollen den Sabbat beobachten, den Sabbat zu halten nach ihren Geschlechtern als ewigen Bund.“

ACH veRAK…

Zum ersten dieser drei Verse — „Jedoch meine Sabbate sollt ihr hüten“ —bemerkt Raschi: „Obschon ihr eilfertig und hurtig, voll Eifer am Werk seid, darf dennoch der Sabbat nicht dadurch verdrängt werden.“ Dieser Bemerkung fügt Raschi noch eine bekannte Regel aus der philologischen Exegese hinzu: „Alle „ach“ = jedoch, und „rak“ = nur, sind Einschränkungen — den Sabbat von der Arbeit des Heiligtums auszuschliessen.“

Betreffs der Anwedung der zitierten Regel an dieser Stelle ist Ramban anderer Meinung. Er behauptet, dass in allen Fällen die Einschränkung sich auf das Gebot selbst bezieht, nämlich dass das Wort „ach“ (jedoch!) die Hütung des Sabbat selbst einschränkt und damit Arbeiten gestattet werden, die keinen Aufschub dulden, wie z.B. die Beschneidung oder die Rettung aus Lebensgefahr. Ramban widerspricht Raschi nur in Bezug auf die Frage, worauf sich das Wort „ach“ bezieht, aber nicht in Bezug auf den Gedanken an sich, dass die Arbeiten am Stiftzelt am Sabbat verboten waren, was seiner Ansicht nach aus dem einfachen Sinn des Texts hervorgeht: Verrichtet die Arbeiten am Stiftszelt, aber meine Sabbate hütet immer und ewig!

Am Anfang unseres Wochenabschnittes — Wajakhel — finden sich ähnliche Bemerkungen bei den verschiedenen Erklärern. Raschi erklärt den Vers „Sechs Tage darf Arbeit getan werden, aber am siebten Tage sei euch ein Sabbat zur heiligen Feier dem Herrn; wer an demselben eine Arbeit tut, werde getötet“ (Kap. 35,2) folgendermassen: Er schickte die Sabbatverwarnung dem Befehl, die Wohnung zu bauen und ihre Geräte herzustellen voraus, um zu sagen, dass dieser nicht den Sabbat verdränge.“ Ibn Esra begründet die doppelte Erwähnung des Sabbat-Gebotes im Zusammenhang mit dem Befehl, das Heiligtum zu bauen, mit den Worten: „Obwohl ihr verpflichtet seid, das Werk zu Ehren G“ttes auszuführen, hütet euch davor, es am Sabbat zu tun!“

Im Gegensatz dazu, sagt Ramban, seiner oben zitierten Methode treu, zu den Worten „Das ist, was der Herr geboten hat“ (Kap. 35,1): „Das Gebot war, das Werk des Stiftzeltes sowie aller seiner Geräte und aller Arbeiten bei der Innenausstattung auszuführen, aber er nimmt das Sabbatgesetz vorweg, um uns damit zu sagen, dass „was der Herr geboten hat“, d.h. der Bau des Stiftszeltes, während der sechs Wochentage gemacht werden soll, aber nicht am siebten, der heilig ist dem Herrn. Hieraus lernen wir also, dass die Arbeiten bei der Errichtung des Heiligtums den Sabbat nicht verdrängen. Diese Lehre wird nicht aus dem Gebrauch des Wortes „ach“ (jedoch) abgeleitet, wie ich schon im Abschnitt „Ki-tissa“ erklärt habe.“

Die Worte „am siebten Tag sei euch ein Sabbat zur heiligen Feier dem Herrn“ (Kap. 35,2) werden in der „Mechilta“ so ausgelegt, als ob das Wort „euch“ besonders betont wäre: „euch sei der Tag heilig, dem Herrn aber sei er wie ein Werktag“, was nach der Erklärung im Kommentar „Tora Temima“ bedeutet, dass die Darbringung von Opfern zu einem höheren Zweck, d.h. zur Ehre G“ttes, am Sabbat erlaubt ist. Rabbi B.H. Epstein, der Verfasser des Kommentars Tora Temima, erhebt darauf die Frage, warum der Bau des Heiligtums, das ebenso wie die Opfer einem höheren Zweck gewidmet war, eigentlich nicht den Sabbat verdrängt.

Er selbst beantwortet seine Frage mit der Feststellung eines grundsätzlichen Unterschiedes zwischen der Darbringung von Opfern einerseits und dem Bau des Stifzeltes andererseits: Die Darbringung der Opfer ist an eine bestimmte Zeit gebunden, und das Versäumnis, ein für den Sabbat angeordnetes Opfer darzubringen, würde die Aufhebung eines ausdrücklichen Gebotes bedeuten, was beim Bau des Heiligtums nicht der Fall ist, für den kein bestimmter Tag und kein bestimmter Termin angegeben ist.

Quelle: Rabb. Bernhard S. Jacobson Binah baMikra